[Geschichte] Die Jagd

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Durin
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[Geschichte] Die Jagd

Beitrag von Durin » Mi 13. Apr 2016, 23:34

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Liebe Mitleser,
an dieser Stelle werde ich in den kommenden Monaten mal eine kleine Geschichte aus Fantasya veröffentlichen. Wann und wie hängt davon ab wie ich zum Schreiben komme - je Klausur, desto weniger, wahrscheinlich.

Wer einen Rechtschreibfehler findet möge ihn mir gerne mitteilen. Konstruktive Kritik ist natürlich auch gern gesehen. Die Begebenheiten beruhen auf Fantasya-Zügen zwischen 322 und 339. Das ganze fand statt auf der Insel ... ähm... na Hamilcar weiß sicher, wie die heißt.  :D

Ach ja: Unsere Forenversion kennt kein [center] und noch so ein paar BBCodes nicht.... schade   ;(
Stellt Euch die Überschrift einfach mittig vor, inklusive der gotischen Kapitelzwischenüberschriften. 

Jetzt aber zur Story:
- Geschichten aus Durins Landen -
Die Jagd

Kapitel 1
Kleine Holzfäller – eine unheimliche Begegnung – ein ängstlicher Morgen – eine schlimme Nacht – eine böse Überraschung, die keine ist


Theredred blickte mit zusammengekniffenen Augen durch den dichten Staub, den der Fall des Baumes aufgewirbelt hatte. Hier im Wald zu Wojoga, den die Enkel Durins den "Zwergenwald" nannten, hatte eine Gruppe von gut einhundert Zwergen als Siedlergruppe einen kleinen Außenposten errichtet und begann diesen inzwischen zu erweitern.
Ihr Anführer, Sven, war von Durin, dem Enkel Durins persönlich für diese Aufgabe ausgewählt worden und Theredred musste zugeben, dass Sven alle Kraft in sie steckte. Seine Sippe und die von Sven waren seit Jahren verfeindet, aber derzeit hatte Sven die Nase vorn. Im Gegensatz zu Theredred kannte Sven sich wenig mit dem Bergbau aus, dafür aber war er ein guter Organisator und auch ein fähiger Verwalter. Das musste Theredred zugeben.
Zwerge lebten normalerweise nicht gern in Wäldern. Sie waren hoch und licht und trotzdem schien eine allumfassende Dämmerung die Sinne zu verwirren. Und dieser Geruch.... frisches Holz hatte einen eigentümlichen, aber angenehmen Geruch, keine Frage. Aber Theredred mochte den Geruch nach Gras, nach Farn und nach diesem modrig feuchten faulenden Holz und schimmelnder Erde überhaupt nicht.
Wenigstens das Lager der Zwerge war davon schon befreit. Die meisten der achtzig Zwerge schliefen noch in Zelten aber wenigstens zehn Blockhütten waren bereits auf der künstlichen Lichtung entstanden. Eines der Langhäuser war das Lager, ein weiteres diente Sven und seinen Kommandanten als Versammlungs- und Besprechungsraum. Die anderen standen ebenso wie die Zelte auf einer trockenen Wiese, denn die fleißigen Zwerge hatten den Boden entwässert und das Wasser in einem kristallklaren, aber künstlich angelegten Teich gesammelt, um ausreichend Trinkwasser zu haben.
Der Wald war recht fruchtbar, aber Sven hatte nur wenige Zwerge abkommandiert um Früchte und Beeren zu sammeln oder auf die Jagd zu gehen. Die Jagd war nicht der Sport der Zwerge, sie hielten das Vieh lieber. Den größten Teil der Zwerge machten die Holzfäller, die Pioniere und die Bauleute aus, die aus dem geschlagenen Holz die Hütten errichteten.
Der Zwergenwald bildete die südliche Grenze des Eisengebirges, dessen majestätische Gipfel sich im Nordosten erhoben. Von dort zog sich eine große Gebirgskette nach Osten und in einem weiten Bogen nach Süden bis fast an die Küste. Irgendwo dort befanden sich auch die Hallen der Vorväter, die Durins Enkel zurückerobert hatten nachdem Durin dereinst vertrieben worden war.
Die Unholde waren verjagt und die Hallen wieder wohnlich gemacht worden. Eine große Burg ragte aus den Zinnen der Gipfel und die Zwerge hatten begonnen auch ihre Umgebung zu besiedeln.
Durinsthal, die weite Ebene, die von den Bergen umschlossen war, entwickelte sich nach und nach zu einer richtigen kleinen Stadt. Bauern und Viehzüchter, aber auch Handwerker lebten dort und versorgten die große Feste im Norden sowie die umliegenden Bergwerke mit Nahrung und Material.
Nur Holz gab es wenig, und deswegen hatte Durin entschieden, den Zwergenwald zu nutzen. Und darum befand sich Theredred hier. Er hatte sich in der Kunst, einen Baumstamm zuerst in einen Balken und dann in Bretter zu spleißen gut geübt und auch wenn er darin nicht einmal ansatzweise so versiert war wie der alte Berse, so hatte ihm sein Talent doch einen Platz in dieser Expedition gesichert.
Irgendwann würden die Zwerge sicherlich Muße haben und ein Sägewerk errichten, aber ihr unmittelbarer Holzbedarf war zu groß um Monate darauf verwenden, ein solches Gebäude und all seine Technik zu errichten.
Der Baum, den sie gerade gefällt hatten, würde wahrscheinlich nicht zu Brettern verarbeitet, sondern für eine weitere Blockhütte verwendet werden. Sven wollte zuerst eine vernünftige Siedlung aus dem Boden stampfen bevor er die Holzbeschaffung begann. Im fahlen Zwielicht entasteten die Zwerge schweigend die große Eiche und Theredred begann damit, sie zu begutachten. Die Äste waren hervorragendes Feuer- und Anzündholz. Manche davon waren allerdings dick genug um als Griffe für Äxte und anderes Werkzeug zu dienen. Er markierte diejenigen, die er für gut genug hielt, dann half er den anderen dabei, den schweren Baum aus dem Wald zu ziehen.

Das Feuer prasselte fröhlich und Theredred lauschte den Gesängen der gut geölten Stimmen während er sich noch ein Bier aus dem Fass zapfte. Natürlich hatten die Zwerge noch nicht damit begonnen, ein Sägewerk zu errichten aber die Brauerei sollte übermorgen fertig werden hieß es. Wahrscheinlich reichten ihre mitgebrachten Fässer gerade so aus.
Die meisten Zwerge saßen beim großen Feuer beisammen, sangen, lachten und ruhten sich von ihrem anstrengenden Tagwerk aus. Nur Sven war nirgends zu sehen. Theredred warf einen Blick auf das große Langhaus und tatsächlich flackerte dort ein Lichtschein durch das dünne Pergament. Sven Fierless und seine eigenbrötlerische Sturheit. Wahrscheinlich saß er dort mit Gwedin und Furlan zusammen und schwafelte mit ihnen über die große Zukunft. Er plante, da war sich Theredred sicher, zum Protectoren des Waldes erhoben zu werden und betrachtete daher dieses Lager und Dorf als seine Bewährungsprobe. Dennoch gab er sich mitunter Zukunftsfantasien hin und betrank sich lieber mit seinen Speichelleckern als mit dem niederen Volk.

Theredred wandte sich ab und ging mit dem gut gefüllten Humpen zuerst in Richtung Feuer, als er ein dringendes Bedürfnis verspürte. Er korrigierte leicht schwankend seinen Kurs und ging auf den Waldrand zu. Dort angekommen stellte er den einfachen Holzkrug auf die Seite und nestelte an seinen Beinlingen.
Gerade wollte er sich wieder umwenden, als ihm ein Schatten im Dunkel des Waldes auffiel. Ähnlich wie in Höhlen war es auch im Wald nie völlig dunkel. Manche Moose und Flechten leuchteten des Nachts als ob Frigg Ihren Kindern ein wenig mehr Licht schenken wollte um die Welt sehen zu können.
Der seltsame Schatten machte einen weiteren Schritt auf Theredred zu und dann schälte sich langsam ein weiterer Zwerg aus der Dunkelheit. Theredred lachte und knöpfte seine Beinlinge zu. "Du hast mich wahrlich erschreckt, Freund", sprach er und näherte sich dem Zwerg. Es war Fundin, Balins Sohn, einer der listenreichsten Jäger, die Durins Volk überhaupt zu bieten hatte. Er war einige Tage schon fort gewesen, schien aber kein Wild gefunden zu haben.
Theredred blieb abrupt stehen und sah den Zwerg misstrauisch an. Der war stehengeblieben und starrte Theredred nun aus weiten Augen an. Schließlich flüsterte er: "Sie sind hier!", und begann umzufallen. Theredred machte einen langen Schritt und fing den Jäger auf, bevor er auf dem Boden aufschlagen konnte. Dabei fassten seine Hände in eine klebrige Nässe und Theredred rief erschrocken um Hilfe.

Sie brachten Fundin ans Feuer und ohne sich um die aufgeregten Stimmen zu kümmern behandelte Ordlin die Wunden im Rücken des Zwerges. Die plötzliche Lautstärke rief sogar Sven aus seiner Hütte und rüde bahnte er sich einen Weg durch die Menge, seine Speichellecker Gwedin und Furlan im Schlepptau. Schließlich war er beim Feuer angekommen, warf einen Blick auf den verwundeten Fundin und fixierte dann Theredred, der den Blick erwiderte.
"Was ist hier geschehen?", fragte Sven barsch. Theredred hob die Schultern und erwiderte: "Ich habe ihn am Waldrand gefunden. Er fiel mir buchstäblich in die Arme. Er ist verwundet und sagte nur 'Sie sind hier' bevor er zusammenbrach. Irgend etwas schien ihm furchtbar Angst gemacht zu haben und seht Euch doch nur die Wunden an. Das kann kein Tier gewesen sein."
Sven winkte mit einer rüden Geste ab. "Ich habe Dich gefragt was passiert ist, nicht einen Ratschlag verlangt.", schnappte er barsch und wandte sich an Ordlin. "Was kannst Du mir sagen?"
Ordlin warf die blutigen Tücher, mit denen er die Wunden gereinigt hatte in die Wasserschüssel und Theredred einen kurzen Blick zu. Dann antwortete er: "Die Wunden sind nicht von einem Tier, jedenfalls von keinem, das ich kenne. Sein Schädel ist gebrochen wie durch einen großen stumpfen Hammer, der von einem Helm gebremst wurde. Scharfe Klingen, vielleicht auch Klauen haben seinen Rücken aufgerissen und dann hat man ihn zum Sterben liegen gelassen."
Sven runzelte die Stirn. "Warum sollte es kein Tier gewesen sein?", fragte er mürrisch. Ordlin blickte ihn zweifelnd an und sprach das offensichtliche aus: "Wäre es ein Tier gewesen, so wäre er wohl gefressen worden."
Sven nickte und wandte sich ab.
Theredred stand rasch auf und rief: "Warte!" Der ungewohnte Befehlston ließ Sven innehalten und sich umblicken. "Was?", knurrte er wütend. "Was hast Du nun vor zu tun, Sven?", fragte Theredred und wies auf Fundin. "Da geht doch irgendwas im Wald um. Willst Du, dass wir Wachen aufstellen?"
Sven trat einen Schritt auf Theredred zu und blickte ihm herausfordernd ins Gesicht. "Ich werde mir schon einen Plan überlegen, Theredred, Snorris Sohn. Einstweilen könnt Ihr ja das Dorf bewachen, wenn Dir ein einzelne Kreatur so viel Angst einflößt. Ich glaube kaum, dass viele davon hier herumschleichen, sonst hätten wir schon längst davon gehört. Und mir macht ein solcher Vorfall keine Angst. Vielleicht bist deswegen nicht Du der Anführer. Also stellt meinethalben Wachen auf. Warum nicht Deine Sippe gleich zu Beginn? Sofern sie sich noch auf den Beinen halten kann."
Damit wandte Sven sich ab und ging gemessenen Schrittes davon. Theredred war zunächst völlig verblüfft, dann wütend. "Wer hat hier Angst Sven?", schrie er ihm nach doch Sven ignorierte ihn. "Fundins Haar war schwarz, denn er war jung, Sven!", fuhr er fort, dann war ihr Anführer samt seiner Freunde wieder in seinem Langhaus verschwunden.
Theredred wandte sich angewidert ab. Entweder wollte Sven es nicht sehen oder aber es war ihm egal. Fundins Haar war schneeweiß geworden.

Am nächsten Morgen begann Theredred mit seiner Sippe damit, die geradesten Äste aus dem großen Holzlager herauszusuchen, die sie finden konnten. Diese spitzten sie an. Niemand hatte eine bessere Waffe als ein Beil oder vielleicht auch ein Messer dabei. Fundin hatte einen Bogen gehabt aber der Bogen war im Wald geblieben und Fundin war in der Nacht gestorben.
Während Sven sich den ganzen Tag über nicht blicken ließ bemühte sich Theredred den anderen Zwergen Mut einzuflößen, hieß sie Waffen herzustellen oder ihre Äxte zu schärfen. Fundins Tod machte viele nervös, denn Fundin war ein Name der in der Geschichte von Durins Volk auf ewig mit Unheil verbunden war. Niemand wusste was Balin dazu bewogen hatte, ausgerechnet seinen Erstgeborenen mit dem Namen des Führers jener Sippe zu belegen, die seinerzeit als erste ausgelöscht worden war.
Trotz der Furcht mancher wurden die Arbeiten im Wald weiter durchgeführt, nun aber streng bewacht von mit Speeren bewaffneten Zwergen, die nervös in das Dickicht starrten. Theredred half so weit er konnte dabei, die Arbeiten zu beschleunigen. Die Zwerge brachten die Bäume nun mit den Ästen zur Lichtung und bearbeiteten sie erst dort.
Am Abend wurde nur wenig getrunken und niemand feierte. Sie alle spürten die Müdigkeit und Sorgen auf sich lasten, aber jene Sorgen gerade waren es, welche die Zwerge daran hinderten, ihrer Müdigkeit durch Schlaf zu begegnen. Theredred teilte die Wachen ein, da Sven sich anscheinend entschlossen hatte, gar nicht mehr aufzutauchen. Sich selbst gab er die Schicht am nächsten Morgen und kroch dann in sein Zelt.
Wenige Stunden später schreckte er auf, als er Schreie hörte. Schlagartig war er hellwach, sah das flackernde Licht, zog sich die Stiefel an und steckte den Kopf aus dem Zelt. Die Zwerge liefen alle wild durcheinander und scheinbar brannte wenigstens eines der Häuser.
Geduckte Schatten verschwanden im Dunkeln, verschmolzen mit dem Schatten der Nacht und Theredred lief zur brennenden Hütte, an der die Zwerge standen oder hin und her liefen. 'Kopflos, wie die Hühner', dachte er unzusammenhängend, dann erblickte er Ordlin, packte ihn bei der Schulter und riss ihn herum.
"Was ist passiert, Ordlin?", fragte er laut und Ordlin wies auf das brennende Langhaus. "Das Lager brennt, Theredred. Niemand hat die Angreifer sehen können, aber es waren mehrere. Und ein paar von den Wachen fehlen." Theredred schüttelte in schierer Ablehnung den Kopf und biss dann die Zähne zusammen.
"In Ordnung. Hole nun jeden Zwerg, der eine Waffe hat und schick ihn zu mir. Alle anderen nimmst Du Dir, sie sollen eine Eimerkette bilden und das Haus da löschen bevor die anderen auch noch Feuer fangen. Schaffst Du das?" Ordlin, der gute hundert Jahre älter war als Theredred, aber im Augenblick von Furcht übermannt war, nickte zaghaft. "Gut. Dann geh. Ach ja", fügte Theredred hinzu, "Und sag Sven Bescheid."
Theredred zog seinen Dolch und betrachtete die Klinge im Flammenlicht. Dann umfasste er sie mit der Linken und ballte die Faust. Als das Blut zu tropfen begann sagte er leise: "Bei der Ehre meiner Ahnen, was auch immer uns heimsucht, ich werde es vernichten. Und wenn es das letzte ist, was ich jemals tue."
Dann ließ er los, verband sich die Hand nachlässig mit einem Streifen Stoff, den er aus seinem Ärmel riss und wartete auf die anderen.
Zwanzig Bewaffnete machten sich auf um nach den Wachen zu suchen. Eine vorläufige Zählung hatte ergeben, dass wenigstens zehn der Wachen fehlten. Nach nur wenigen Schritten außerhalb des Lagers fanden sie eine erste Spur – Blut. Viel Blut. Wer auch immer hier gestorben war, war aber anschließend fortgezerrt worden und hatte ein paar hundert Schritte später aufgehört zu bluten. Theredred machte sich keine Illusionen, warum.
Nach nur wenigen Schritten in den Wald hinein sah Theredred allerdings die Unmöglichkeit in seinem Unterfangen: Er war zwar kein schlechter Fährtenleser, aber er hatte zu wenig Ahnung vom Wald und von den Spuren des Waldes, als dass er hier trotz der Fackeln im Dunkeln irgend etwas hätte erkennen können.
Seufzend wandte er sich den anderen zu. "Ich kann nichts mehr erkennen. Habt Ihr eine Spur?" Niemand antwortete. Theredred nickte unwillig. "Wir können in der Nacht nichts für unsere Kameraden tun. Wir müssen auf das Sonnenlicht warten. Gehen wir zurück und helfen bei den Löscharbeiten, wenn sie uns brauchen können.
Die Gruppe machte kehrt und ging im Gänsemarsch zurück. Sie waren alle in Sorge und durcheinander. Niemand von ihnen bemerkte, dass nur neunzehn zurück ins Lager kamen.

Die Löscharbeiten gingen munter voran. Theredred und seine Kameraden verteilten sich auf die beiden Eimerketten und folgten willig, wenn auch niedergeschlagen den Anweisungen, die Gwedin den Eimerketten erteilte. Schließlich war das Lager gelöscht, nur hier und da schwelte noch etwas feuchtes Holz, das aber nicht mehr brennen würde. Ihre Vorräte, die Felle und die Kornvorräte, alles war weg. Die großen Braukessel schienen den Brand überstanden zu haben aber die dünnen Rohre waren zum Teil geschmolzen und damit nutzlos.
Langsam wurde es Tag. Als Theredred durch die Überreste stapfte und sich den Schaden ansah, murmelte er: "Das kann doch kaum ein normales Feuer gewesen sein...." - "Was murmelst Du da schon wieder?", erklang die misstönende Stimme von Gwedin hinter Theredred.
Theredred wandte sich um und sah den Lakaien Svens auf sich zu marschieren. "Reicht es denn nicht, dass unsere ganzen Vorräte vernichtet sind? Musst Du nun auch noch nach Schuld wühlen?" Theredred zog eine Augenbraue in die Höhe und wartete ab. Gwedin baute sich wutentbrannt vor Theredred auf und hob anklagend den Zeigefinger.
"Als sich alle ans Löschen machten, wo war da Deine Sippe, Theredred? Als wir wirklich Hilfe brauchten, wo seid Ihr hin verschwunden? Habt Ihr Euch versteckt, nachdem Euer Versuch, Svens Arbeit zu vernichten so schnell bemerkt wurde?" Um sie versammelten sich immer mehr Zwerge und Gwedin wurde nicht nur sicherer, sondern auch hysterischer.
"Wo wart Ihr denn nun, hm? Ich erwarte eine Antwort, Zwerg!" Theredred hob die Schultern und wies auf den Wald. "Wir haben versucht herauszufinden, was mit unseren Wachen geschehen ist. Wenigstens eine ist tot. Aber im Wald ist es schlecht Spuren lesen in der Nacht, Gwedin. Es waren genügend Zwerge zum Löschen da, wir haben unsere Aufgabe zuerst bei den Verwundeten gesehen." - "Und Ihr habt natürlich ganz zufällig Ordlin zurückgelassen! Der als einziger heilkundig ist und nicht zu Eurer Sippe gehört und vielleicht gesehen hätte, wie Ihr die Wachen alle verscharrt, um Euren Verrat zu verwischen!"
Theredred starrte Gwedin schockiert an. So sprach man nicht miteinander und kurz fragte er sich ob Gwedin vielleicht nicht ganz alle Sinne beisammen hatte, nachdem der erste Schreck über den Hunger, der über sie kommen könnte, sich bei ihm eingebrannt hatte. Dann erwachte sein Zorn und er zischte wütend: "Was mag es wohl sein, was Dich zu solchen Unterstellungen aufstachelt, Gwedin? Die Tatsache, dass die Führer der Siedlung, die Führer aus der Sippe Svens sich feige in ihrer Hütte einschließen während all diese Zwerge hier trotz einer Bedrohung aus dem Wald ihrem Tagwerk nachgehen?" Gwedin zog die Luft zwischen den Lippen ein aber Theredred war noch nicht fertig. "Kann es sein, dass Ihr als Führer nicht nur versagt habt, sondern dass wir uns alle einer Bedrohung gegenüber sehen, die wir aber nicht erkennen? Wo ist denn Sven, der furchtlose Anführer?"
Gwedins Blick wich Theredred aus, und Theredred erkannte zu seiner Überraschung, dass er es geahnt hatte.
"Er ist weg, nicht wahr? Er ist geflohen und hat uns hier im Stich gelassen." Gwedin schüttelte vehement den Kopf. "Das ist eine Lüge!", kreischte er beinahe. Theredred verschränkte die Arme. "Na dann hol ihn her. Er soll uns allen Rede und Antwort stehen, warum er sich heute eingeschlossen hat und niemanden sehen konnte. Was plant er denn so wichtiges? Wenigstens zwei sind tot und mindestens neun verschwunden. Wo ist der Führer einer schwindenden Gemeinschaft?"
Theredred stellte überrascht fest, dass auch er laut geworden war, aber wenigstens hatte er nicht geschrieben. Seine Stimme war im Gleichgewicht geblieben. Gwedin sah auf und erkannte, dass die Menge der Zwerge um ihn herum nicht unbedingt zu seiner Unterstützung angetreten war. Er deutete auf Theredred und rief: "Du hast mir gar nichts zu befehlen! Und die Pläne und Ansichten von Sven gehen niemanden etwas an!" Theredred lächelte böse und sagte: "Dann lass ihn herauskommen. Er soll uns das selbst sagen. Oder ist er etwa kein Zwerg von Ehre?"
Gwedin wurde bleich. Er setzte an, etwas zu sagen, schien sich zu verschlucken und sammelte sich. Der wütende Blick und die ruhige Haltung Theredreds schien ihn zu entnerven.
Dann holte er Luft und rief: "Hört mir alle zu. Wir sind in einer gefährlichen Lage. Aber diese Lage wird nicht durch eine Bedrohung aus dem Wald verursacht, sondern nur durch die Missgunst einer böswilligen Sippe, die sich nicht damit abfinden kann, dass dieses Land einst Sven Fierless als Protector zugesprochen werden wird. Sie versuchen durch Furcht und durch heimtückischen Mord Euch alle gegen uns aufzuwiegeln und Sven wird dies nicht zulassen!"
Theredred lachte laut und rief: "Das soll er mir ins Gesicht sagen! Los doch, Sven, komm heraus!"
Gwedin lächelte dünn. "Das wird er nicht. Er hat beschlossen, eine solche feige Haltung kann nur mit seiner Ermordung enden, also bittet er in der Hauptstadt selbst um militärische Unterstützung bei seiner Sippe. Und dann wird er Klage gegen Dich vorbringen, Theredred, Snorris Sohn! Durin selbst wird Dich und Deine Sippe wegen Euren üblen Taten verstoßen und..."
"Er ist also abgehauen?", fragte Theredred keuchend und heuchelte ein wenig Überraschung. "Und natürlich hat er Dir die Geschäfte übergeben bis er wieder da ist, schätze ich...."
Gwedin wand sich ein wenig, sagte dann aber fest: "Er möchte, dass ich auf den Laden achtgebe, ja. In zwei Monden wird er mit Soldaten wieder hier sein um mit dem Mörderpack aufzuräumen."
Theredred schüttelte den Kopf. "Der kommt nicht wieder. Er hat geglaubt, dass wir verloren sind und ist geflohen!" Das letzte Wort brüllte er, öffnete die Arme und schritt wütend auf den kleineren Zwerg zu. "Geflohen ist er. Abgehauen, wie ein... wie ein Elf! Du Schwachkopf warst ja schon mit den Löscharbeiten überfordert, wie sollst Du denn erst eine Siedlung verwalten? Und vor allem verteidigen?"
Gemurmelte Zustimmung aus der Menge machten Theredred Mut. Er schritt weiter und beobachtete befriedigt, wie Gwedin zurückwich. Statt Gwedin anzugreifen oder gar zum Zweikampf zu fordern wandte er sich der Menge zu und rief: "Es wird Zeit, dass wir eine Entscheidung treffen! Machen wir es wie unser Anführer und versuchen, nach Hause zu laufen, oder verteidigen wir uns?"
"Verteidigen!" riefen einige Zwerge und bald nahmen alle den Ruf auf.
"Verteidigen, Verteidigen!"
"Niemand bezwingt die Enkel Durins!"
"Sieg!"
Theredred hob die Arme und bat so die Menge um Ruhe.
"Dann hört mir zu!. Wir haben nur wenige Steine, aber wir haben Holz im Überfluss. Wir bauen eine Palisade, die alle Häuser und Zelte einschließt. In höchstens einer Stunde wird es hell. Dann müssen alle mitarbeiten."
Begeisterung erscholl und Theredred nickte zufrieden. Gwedin hob verzweifelt die Hände. "Ihr werdet verhungern! Alle werden sich in der Umzäunung verstecken, das Korn wird verbrannt und wir werden alle elendig verhungern!", schrie er.
Theredred schüttelte nachdrücklich das Haupt und lachte. "Wie sollten wir – wenn sich alle in der Palisade verstecken und die Verräter aus unseren Reihen sind, wie soll denn das Korn brennen wenn da nicht von außen etwas kommt?" Er ließ sein Lachen verebben. "Wir werden nicht verhungern. Bei Tag können wir vielleicht jagen, aber wir haben noch Beeren und Wildkräuter. Es wird kein Festmahl sein, das wir halten, aber Zwerge haben schon viel durchgestanden. Wir stehen auch dies durch bis Sven – vielleicht – wieder zurückkommt."
Genau diesem Moment wählte die Sonne, um hinter den Bergen hervorzukommen und Theredred wies auf sie und rief: "Da, seht Ihr! Wir brauchen nur ein bisschen Mut und der neue Tag wird anbrechen! Lasst uns ans Werk gehen, Ihr Zwerge, Ihr Enkel Durins!"
Seine tragende Stimme scholl über die Lichtung und mehr als sechzig Stimmen jubelten mit. Gwedin sah sie alle verächtlich an. "Das ist Wahnsinn, und das wisst Ihr!"
Theredred hob die Schultern.
"Mag sein.", rief er und zeigte nach Osten. "Dort drüben stehen unsere Verwandten mit Waffe und Schild. Sie werden kommen und uns retten. Bis dahin werden wir hier überleben. Und siegen!"
Gwedin sah die Entschlossenheit in den Augen von Theredred und den anderen. Schließlich sagte er: "Wir werden verhungern. Wir sind verloren."
Theredred wies erneut gen Osten. "Wenn Du das glaubst, dann lauf doch nach Hause. Wir sind die Enkel Durins. Wir laufen nicht weg."
Gwedin starrte ihn an und plötzlich machte sich ein erleichtertes Lächeln auf seinem Gesicht breit. Dann wandte er sich nach Osten und rannte los. Das Gelächter der Zwerge begleitete ihn. "Ein kleiner Elf, wenn ich je einen gesehen habe, Herr.", sagte Ordlin.
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Ein Zwerg, der trinkt und fällt dann um.
Beim Elfen ist es anders 'rum.

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Man muss als Zwerg das tun,
was die Riesen nicht können.

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Re: [Geschichte] Die Jagd

Beitrag von Durin » Mi 20. Apr 2016, 16:08

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 Kapitel 1 ist sprachlich ein wenig überarbeitet worden :) 
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Ein Zwerg, der trinkt und fällt dann um.
Beim Elfen ist es anders 'rum.

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Man muss als Zwerg das tun,
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Die Jagd - Kapitel 2

Beitrag von Durin » Do 21. Apr 2016, 15:10

Kapitel 2
Betrunken und nüchtern – Beratungen – Entscheidungen – ein Grauen im Morgen – Warten auf den Sonnenstrahl – Schwerter sind auch nur Zwerge


In der verrauchten Seitenhöhle, die Durins Volk als Taverne diente, saß ein alter Zwerg und betrank sich. Er hatte bereits einen weißen Bart und buschige Augenbrauen gaben dem kahlen Schädel Form. Seine normalerweise dunkelgrüne Tunika schien im Halbdunkel der wenigen Fackeln dunkelbraun, fast schwarz zu sein.
Er saß alleine an seinem Tisch. Eine langstielige Pfeife lag neben ihm auf der Tischplatte, ein großer Krug diente zum Befüllen des Humpens. Es war still. Außer dem schweren Atmen des Alten und den gelegentlichen Geräuschen aus der großen Halle waren keine Geräusche zu hören.
Rorek stand ganz still am Eingang und betrachtete das Bild, das sich ihm bot. Er war auf der Suche nach Balin gewesen denn Durin hatte ihn geschickt um herauszufinden, ob der Alte etwas von seinen Söhnen gehört hatte. Nun, da ihm Skarri achselzuckend den Weg zur Taverne gewiesen hatte und Rorek am Ziel war zauderte er jedoch. Balin wirkte alt, aber nicht würdevoll sondern einfach alt.
Anders als die meisten der alten Zwerge, die das Zeitalter im Rosengarten noch erlebt hatten war Balin in den letzten Jahren immer zugeknöpfter und trübsinniger geworden. Er trank viel und war mürrisch und die jungen Zwerge fürchteten sich ein wenig von ihm. Im Gegensatz zu Vikram beispielsweise lehrte er die Jungen nicht und er saß auch nicht im Ältestenrat, der Durin dabei half, sein Volk zu regieren.
Eigentlich wusste niemand so recht was Balin mit seiner Zeit so anfing. Seine Söhne waren fortgezogen um in anderen Regionen ihr Glück zu suchen und sein Weib war schon lange verstorben. Balin selbst war dereinst als Kriegerfürst bekannt gewesen und hatte großen Ruhm in der Schlacht um den Rosengarten erworben. Aber nun schien er zu alt für den Militärdienst und auch zu faul um bei den Wachen mitzumischen, welche die Feste zu Moria vor unfreundlichen Zeitgenossen bewachten.
Rorek räusperte sich und als der Alte nicht reagierte trat er zögernd einen Schritt näher. "Meister Balin, verzeiht..:", begann er zögernd und wußte nicht recht weiter. Balin schenkte sich den Humpen voll, hustete leise und trank einen gewaltigen Zug. Rorek sammelte sich und sagte etwas lauter: "Meister Balin, verzeiht die Störung. Aber der König hat nach Euch geschickt."
Balin wandte sich kurz um und betrachtete das Gesicht des jungen Störenfriedes. Dann wandte er sich mit einem geringschätzigen Schnauben wieder seinem Bier zu. Rorek stand steif vor dem Alten und fragte sich, ob der ihm überhaupt zugehört hatte. Er wollte seine Botschaft gerade wiederholen, als Balin plötzlich sprach.
"Und was will der junge König von einem alten Zwerg wie mir?"
Rorek war empört. Wenn der König nach einem verlangte, dann hatte man zu kommen. Und wie kam dieser versoffene alte Kerl eigentlich dazu, mit solch einer Geringschätzung vom König zu sprechen?
Balin betrachtete ihn aus dem Augenwinkel und fragte leise: "Erzürnt Dich meine Redeweise, junger Rorek? Ja, ich kenne Dich wie ich Euch alle kenne." Er wandte sich dem jungen Zwerg zu und fuhr etwas lauter fort: "Euch eitle Dummköpfe die Ihr nach Ruhm und Achtung strebt, nach großen Taten und danach, dass in der Halle des Königs Lieder gesungen werden die Euch rühmen. Und Euer König ist genauso. Statt die Väter zu ehren und unser Heim zurückzuerobern hat er nach dem Glanz der Vorväter gesucht und diese stinkigen Hallen zu seiner Heimstatt erkoren."
Empört machte Rorek einen nachlässigen Diener und wandte sich um. "Wie Ihr wünscht, Alterchen. Ich werde dem König Eure Worte ausrichten.", zischte er und stapfte zum Ausgang. Doch bevor er aus dem Raum verschwindet konnte hörte er hinter sich ein lautes Bersten und ungehalten drehte er sich um. Balin hatte den Humpen gegen die Wand geschleudert und war aufgesprungen.
Betrunken, wie er war, machte er einen schwankenden Schritt auf Rorek zu und hob angriffslustig die Fäuste. "Was fällt Dir ein mir einfach nachzumaulen, Du kleiner Zwerg. Ich war noch nicht fertig mit Dir!" Rorek schlüpfte unter der harmlosen, besoffenen Faust hindurch und gab Balin einen kräftigen Stoß vor die Brust, so dass dieser in den Tisch krachte, ihn mit sich umriss und unter Scherben und Trümmern des Tisches im Bodenstroh liegenblieb.
Rorek schürzte verächtlich die Lippen, betrachtete kopfschüttelnd das Elend am Boden und verließ wortlos die Kammer.

Als Rorek die Halle des Königs betrat fand gerade eine lebhafte Auseinandersetzung zwischen einigen der Ratsältesten ab. Rorek stellte sich verlegen ein wenig abseits und bemühte sich der Debatte zu folgen; Solange der König nicht auf ihn aufmerksam geworden war schien es unangemessen ihm die beleidigende Botschaft des alten Säufers zu überbringen.
Vikram und Kurgan schienen wohl besonders heftig aneinandergeraten zu sein. Dennoch waren sich alle der Anwesenheit des Königs in der Mitte ihres Halbkreises bewusst und standen einzeln auf, um ihren Redebeitrag vorzubringen. Niemand unterbrach den anderen, was dem König Gelegenheit gab, jedes Argument in Ruhe zu hören und auch zu durchdenken.
Durin war tatsächlich recht jung für einen König, vielleicht einhundertfünfzig Jahre alt. Kein Vergleich mit Rorek selbst, der vergangenen "Zartes Grün" gerade die fünfundsiebzig erreicht hatte. Dennoch galt er als weise und klug. Er hatte das Volk geführt nachdem Laurin, sein Vater und der letzte König gestorben war. Er hatte tatsächlich die Entscheidung gefällt, nicht weiter mit den Menschen Krieg zu führen, sondern stattdessen mit allen, die bereit waren, wieder die Gestade der alten Heimat zu suchen und in Besitz zu nehmen.
Mehr als dreitausend Jahre war es nun her, dass eine Horde wilder Orks Moria überfallen und Durin, den Vorfahren Durins erschlagen hatte. Gerade hier, auf der Empore des Rates. Eine Inschrift in goldenen Lettern erinnerte an diesen Vorgang der so manchem wohl noch immer eine Schmach war, denn gerade wetterte Kurgan gegen das von Vikram enthusiastisch unterstützte Projekt.
Rorek wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Debatte zu. Scheinbar waren Späher an der Nordgrenze auf ein Volk von schiffbrüchigen Orks gestoßen, die sich hier nun niederlassen wollten. Vikram schlug vor, einen Botschafter zu entsenden und im Gegenzug einen der ihren hier in Moria zu bewirten.
"Orks in unseren Hallen! Orks, die ihre schmutzigen Füße auf das Grab Durins stellen während sie uns ihre Forderungen diktieren! Niemals kann ein Zwerg aus der Sippe Durins sich dies bieten lassen. Alleine der Vorschlag ist Wahnwitz!", wütete Kurgan und schüttelte seinen Stab.
Obwohl Rorek ähnlich wie viele andere junge Zwerge nicht sonderlich viel mit dem alten und wohl konservativsten Knochen des Rates anfangen konnte, stimmte er ihm dabei insgeheim zu. Kurgan setzte an, noch etwas zu sagen, aber dann besann er sich und setzte sich. Sofort sprang Vikram auf und hielt seine Gegenrede: "Was ist denn Euer Gegenvorschlag, mein lieber Kurgan? Sollen wir, die wir gerade Fuß fassen in diesen Bergen, etwa gleich Krieg führen? Wir wissen doch gar nichts über das Volk dort im Norden. Wer weiß denn, wie zahlreich sie sind? Einen Krieg zu führen sind wir doch kaum in der Lage. Wir können unsere Hallen bewachen und wir bilden ein paar Kompanien aus – aber erst im Verlaufe der Zeit wird unser Volk soweit anwachsen, dass es eine militärische Macht sein kann. Willst Du Hunderte unserer jungen Zwerge ins Verderben führen? Ohne mich! "
Er setzte sich wieder und Kurgan machte Anstalten sich zu erheben, als Durin die Hand hob.
Sofort verstummten auch die geflüsterten Unterhaltungen und Meinungsäußerungen der Zuschauer und der König stand auf und sprach mit klarer Stimme: "Genug. Ich habe Eure Ansichten gehört. Morgen zur Stunde des vierten Hammerschlages werden wir wieder zusammenkommen und ich werde Euch meine Entscheidung mitteilen."
Dann fiel sein Blick auf Rorek, der sich im Publikum nicht so recht verstecken konnte und auch nicht sicher war, ob er wollte.
"Nun, Rorek? Hast Du meinen Auftrag ausgeführt?"
Rorek trat einen unsicheren Schritt nach vorne und sank auf die Knie. "Nicht ganz, mein König.", sagte er unbeholfen. Durin sah ihn abschätzig an, aber seine Miene gab nichts Preis. Dann fragte er: "Und wie darf ich das verstehen?" Rorek schluckte, dann sagte er: "Ich habe ihm ausgerichtet, dass... Also ich habe ihm gesagt, dass Ihr..."
Durin lächelte und unterbrach das Gestammel. "Ich werde Dir schon nicht den Kopf abreißen, Rorek. Sammle Dich und probiere es noch einmal."
Rorek räusperte sich, blickte aber weiter zu Boden als er es noch einmal versuchte: "Mein König, ich habe ihm ausgerichtet, dass Ihr ihn zu sehen wünscht. Er war nur leider... unpässlich."
Durin nickte, als habe er genau diese Antwort erwartet. "Und ich nehme an, er weigerte sich, zu kommen?"
Rorek hob die Schultern und sah dem König kurz ins Gesicht, bevor er hastig den Blick wieder senkte. "Er wollte nicht so recht, mein König. Aber er ist..." - "Unpässlich, das sagtest Du schon. Nun gut...", sagte Durin und gab zwei der Wachen einen Wink, die sich sofort durch die Menge drängten.
"Das wird kaum nötig sein, Durin!", ertönte eine volle Stimme vom Eingang der Halle her. Rorek warf einen verblüfften Blick in die entsprechende Richtung und war erstaunt, wie nüchtern der alte Balin plötzlich wirkte, als er durch die Gasse schritt, die ihm die Zwerge schufen. Er trat vor den König, neigte das Haupt eher knapp und sah den König dann direkt an.
"Du hast nach mir geschickt, mein König?", fragte er in einem, wie Rorek fand, höchst unpassenden Tonfall. Herausfordernd oder zumindest arrogant, so schien es.
Durin grinste jedoch und meinte: "Gut, dass Du gekommen bist, Balin. Sogar halbwegs nüchtern, welche Überraschung...."
Ein leises Lachen, nicht selten hämisch, lief durch die Halle. Balin gab durch keine Regung zu erkennen ob er die Beleidigung als eine solche empfand und hob die Schultern. "Ein alter Zwerg darf sich ja wohl hin und wieder einen Schluck Bier gönnen, oder? Jetzt jedenfalls bin ich da, also was willst Du?"
Durin wurde ernst und schritt zu seinem Thron zurück. Als er darauf saß sagte er: "Wir haben seit zwei Monden keine Nachricht von unserer Expedition in den Zwergenwald gehört. Ich wollte in Erfahrung bringen ob Dein Sohn Dir vielleicht eine Nachricht geschickt hat."
Balin lachte. Dann sah er Durin mit einem Ausdruck an, der an Majestätsbeleidigung grenzte. "Mein König, wenn er eine Nachricht geschickt hätte, dann eher Dir als mir. Ich habe nichts mehr von ihm gehört seit er beschlossen hat statt nach Gold zu graben lieber nach Holz zu suchen. War das alles?"
Rorek zog scharf die Luft ein. Er hatte keine Ahnung, wie Balin es geschafft hatte, so nüchtern zu werden oder wenigstens so zu wirken, aber seine Haltung war nach wie vor herausfordernd und geradezu beleidigend. Er warf einen kurzen Blick auf die Wachen aber abgesehen von den zornigen Blicken gaben sie mit keiner Regung preis, was sie von dem Auftritt des alten Zwerges hielten.
Durin lachte und schüttelte den Kopf. "Das war alles, was ich von Dir wissen wollte, ja. Nun, nachdem Du so viel von Deinem Sohn hältst wüsste gerne, ob Dich interessiert, was ihm wohl zugestoßen sein mag?"
Balin warf einen kurzen Blick auf den Rat, der schweigend dasaß und keine Miene verzog. Rorek wusste, dass Balin besonders auf Skag achtete, dessen Enkel Sven diese Expedition führte.
Schließlich sagte er eher schleppend: "Was mein Sohn und dieser Sven dort treiben mag sich meiner Kenntnis entziehen, mein König. Aber es liegt mir auch nicht daran, es in Erfahrung zu bringen."
Durin nickte. "Das habe ich mir gedacht. Darum wirst Du morgen früh aufbrechen um es herauszufinden. Da es sein kann, dass die Expedition in Gefahr ist, werde ich Dir einige Krieger mitgeben."
Balin erstarrte. "Mein König, ich sagte doch..:"
Durin hob erneut seine rechte Hand und brachte ihn mit einer knappen Geste zum Schweigen. "Ich habe Dich gehört, Balin. Und ich bin den Hader und den Zwist leid, den Du hier zu verbreiten scheinbar als Deine Lebensaufgabe betrachtest. Ich bin es auch leid, dass Du, nur um mit mir, ausgerechnet Deinem König, Streit anzufangen, Dich mit Deinem Sohn entzweit hast. Das ist nicht unsere Art.
Dein Auftrag lautet also in den Zwergenwald zu reisen und in Erfahrung zu bringen, wie sich die dortige Siedlung macht. Außerdem wirst Du Dich mit Deinem einzigen Kind versöhnen. Dann wirst Du mir Bericht erstatten.
Morgen früh, Balin. Deine Kameraden werde ich heute im Verlauf des Tages auswählen. Du wirst mit den ersten Sonnenstrahlen aufbrechen. Also schärfe Deine Axt!"
Balin schwankte und einmal mehr schien er seinen Zustand zu ändern. Auf einmal wirkte er wirklich betrunken. Rorek grinste schadenfroh. Der Zwergenwald war mindestens zwei Monatsreisen entfernt und Balin würde unterwegs genug Zeit haben um wieder nüchtern zu werden.
Durin warf einen scharfen Blick auf Rorek und sagte dann laut: "Deinen ersten Reisegefährten kennst Du sogar schon. Rorek wird sicher viel von Dir lernen können. Und sei es auch, indem Du ihm ein schlechtes Beispiel bietest."
Während Rorek erschrocken erstarrte tat Balin genau das: Er spie plötzlich und fiel dann um und rührte sich nicht mehr.

Rorek warf sich den Mantel über die Schulter und zupfte missmutig an seiner Brustplatte herum. Zwergische Rüstungen waren dick und schützten ihren Träger aussergewöhnlich gut, aber für einen recht jungen Zwerg waren sie unbequem. Roreks Rüstung war ihm erst vor einem halben Jahr angepasst worden, aber bei Frigg, er hatte schon wieder zugenommen.
Die Gruppe von Zwanzig Zwergen, die Durin im Verlauf des gestrigen Tages ausgewählt hatte wartete vor den Toren der Festung und nicht nur Rorek hatte schlechte Laune. Alrik und Gorim waren beispielsweise von der Wache abgezogen worden, die meisten anderen aus ihren Schmieden und Bergwerken.
Rorek hatte auf einen Blick erkannt, dass er wieder einmal der jüngste war. Das bedeutete, er würde ständig für die unangenehmen Arbeiten herangezogen werden. Ein solches Los mochte leichter fallen, wenn alle Beteiligten gute Laune hatten aber nachdem nun bereits die Sonne aufgegangen war und sie alle seit mehr als einer Stunde auf den alten Säufer warteten, war die allgemeine Laune am Tiefpunkt. Rorek war sich darüber im klaren, dass sie ihn früher oder später schicken würden, um den Alten zu holen.
Borzag, Cadrix und Morgrim saßen auf dem Boden und spielten Karten, die anderen hatten sich in den Schatten an der Felswand gesetzt. Oldor schien sogar zu schlafen. Schließlich hielt Rorek es nicht mehr aus und sprang auf.
Er wandte sich an Alrik, den er wenigstens halbwegs kannte. Alrik war ein alter Kämpe der Wache, kampferfahren, grausam, aber er hatte ein eher sanftmütiges naturell. Sein Markenzeichen war neben seinem Durst vor allem die wahrscheinlich größte Nase aller Zwerge in Moria.
"Alrik, wenn Du erlaubst...", sagte Rorek und wies auf die Tore, ".. dann sehe ich mal nach unserem Anführer." Alrik grinste. "Hab einfach ein wenig Geduld, Rorek. Balin wird schon auftauchen." - "Aber es ist mehr als eine Stunde nach Sonnenaufgang und der König hat..."
Alrik winkte ab und wies auf die Ebene unter ihnen, die vom Gebirge eingerahmt wurde. "Siehst Du den Schatten dort auf den Feldern, der hinter der Siedlung lauert?" Rorek warf einen Blick auf die Ebene, die Durinsthal genannt wurde und nickte. Dort unten, mehrere Tagesreisen entfernt war die größte zwergische Flachlandsiedlung entstanden, von der Rorek je gehört hatte. Werkstätten und Schmieden, Brauereien und vor allem Bauerndörfer prägten das Bild dort.
Um Moria und die angrenzenden Städte zu versorgen waren eine große Zahl von Bauern und Viehzüchtern nötig, denn auch wenn man den Zwergen nachsagt, dass sie hauptsächlich Fleisch aßen und Bier tranken, so war auch das Brot der Zwerge nicht nur besonders gut, sondern auch ein gerne reichhaltig gesehener Rohstoff.
Um die Ebene zu schützen hatte Durin den Bau einer Festung in Auftrag gegeben, diese allerdings nach der Art der Menschen. Nicht also in den Fels eingehauen, sondern die Zwerge mussten den Fels erst aus Moria brechen und dorthin schaffen. Ein Turm war bereits entstanden und diente der dortigen Wache und ihrem Hauptmann als Wohnstatt. Dennoch bauten weiter fleißig Bauleute an der Feste die dereinst einmal eine der großen Zwergenburgen außerhalb des Gebirges werden sollte.
Noch war es aber nicht soweit, dennoch gab der Turm einen brauchbaren Mittelpunkt des gesamten Tals ab und er lag noch tief im Schatten der Berge. Alrik schmunzelte. "Ich vermute, Balin nimmt es mit einem königlichen Erlass sehr genau und wird nicht eher aufbrechen wollen als bei Sonnenaufgang an der Durinsfeste dort unten." Rorek drehte sich um und starrte den älteren Zerg überrascht an. "Aber warum denn?"
Alriks Schmunzeln vertiefte sich. "So befolgt er Durins Befehle und widersetzt sich ihnen zeitgleich." Rorek war verwirrt und Alrik erklärte ernster: "Weißt Du, Balin gehört zu einer sehr alten Generation Zwerge an. Balin kann sich noch an den Rosengarten erinnern, er ist dort aufgewachsen. Er hat den Krieg erlebt, die Grausamkeit und die Erbarmungslosigkeit der Menschen die um nichts anderes Krieg führten als um Durins Mutter. In diesem Krieg gingen viele zugrunde, auch Balins Eltern, sein Bruder und zudem, nachdem die Zwerge den Rosengarten verließen, auch seine Frau."
"Er hatte ein Weib?", fragte Rorek überrascht. "Natürlich. Wie die meisten jungen Heißsporne konnte es kaum erwarten seine Fulmdane zu ehelichen. Sie war aber auch eine Braut! Auf dem langen Marsch der Zwerge allerdings verlor sie auf einer alten Brücke, die eine Schlucht überspannte, den Halt und stürzte in die Tiefe. Balin hatte sechs Tage gebraucht um einen Weg zum Grund der Schlucht zu finden. Inzwischen waren ihre Knochen längst blank durch die Wölfe und er musste sich damit begnügen einzig ihr Gerippe zu bestatten, ohne ein letztes mal ihr Gesicht zu sehen und zu küssen."
Alrik wandte sich ab und starrte nachdenklich in die Ebene hinaus.
"Es hat ihn sehr verändert, weißt Du. Er ist hart gegen sich selbst geworden und war wütend auf den König und den langen Marsch und plötzlich warf er alle Fehlschläge, jede Grausamkeit, die die Welt für Zwerge bereithält der königlichen Familie vor. Als Laurin starb und Durin entschied, nicht den Rosengarten, den Fulmdane so geliebt hatte, sondern Moria zurückzuerobern wurde er schwermütig. Letztendlich verfiel er wahrscheinlich schon da dem Bier."
Rorek wies auf Moria. "Aber wir leben hier doch gut und man erzählt sich Geschichten über Balins Heldentaten als sie all das Böse aus unserer Feste vertrieben, nicht wahr? Ich... ich weiß nicht recht, was ich von Balin halten soll."
"Balin suchte den Tod in Moria. Er war ihm nicht vergönnt.", antwortete Alrik, "Also trank er weiter, wurde verzweifelter und seine Zweifel übertrugen sich an seinen Sohn. Der allerdings eiferte Durin nach und wollte lieber in dessen Namen Ruhm erringen als sich mit einem lebenskranken Vater herumschlagen. So kam der Bruch zwischen beide und Balin hat dies nie verwunden. Und auch daran gab er dem König die Schuld."
Rorek zog unbehaglich die Schultern ein und fragte: "Warum duldet der König das alles? Ich meine, gestern hat Balin buchstäblich in die Halle gegöbelt und sich unmöglich benommen und außerdem..."
Alrik sah den jungen Zwergen scharf an. "Vielleicht solltest Du einmal darüber nachdenken, junger Rorek, dass Durin vor allem Mitleid für Balin empfindet. Aber Durin liebt Balin auf eigentümliche Weise sogar. Weißt Du, als Durin noch ein Junge war war Balin einer der wenigen, die den Prinzen gern gehabt haben. Durin hatte wegen seiner Mutter eine Menge Spott und Ausgrenzung erfahren."
"Weil sie ein Mensch war?", fragte Rorek. Alrik schüttelte den Kopf und nickte gleich darauf. "Ja, das auch. Viele Zwerge in Durins Alter verloren Brüder und Väter wegen Durins Mutter. Aber Durin, musst Du wissen, war als Junge schon fast so groß wie jetzt. Seine Eltern hatten lange Zeit Angst dass er die Körpergröße der Menschen geerbt haben könnte. Das hat er nicht, aber er wuchs anfangs viel schneller als die anderen und darum mochten ihn die anderen nicht. Und auch wenn er der Prinz war, so hatte er eine Menge Anfeindungen erlebt."
Rorek dachte darüber nach. Dann fragte er: "Und jetzt, als König?"
Alrik hob die Schultern. "Das ist nicht so einfach zu sagen. Schau, ich bin nur ein einfacher Zwerg der Wache und nicht bei den Beratungen des Rates zugegen. Jedenfalls meistens nicht. Aber manche Sippen und besonders manche Sippenväter halten es für einen Frevel, dass ein Halbblut uns anführt. Vielleicht sind sie nicht mehr so offen in ihrem Angriff aber Durin hat eine Menge Feinde im Rat. So fragen manche hinter vorgehaltener Hand ob er überhaupt die Absicht habe zu heiraten und wenn ja, ob es eine Zwergin sein würde oder ob er seinem Vater nachschlägt und irgendwelche Unholde ehelichen wird. Die lauteste Gegnerschaft hat er in Skag, darum hat dessen Enkel die Führung über die Waldkolonie erhalten. Das hat Skag eine Weile besänftigt. Aber auch Kurgan ist ein schwieriger Zeitgenosse."
Rorek nickte. Das hatte er auch mitbekommen, wenn auch nicht so recht verstanden. Alriks Worte halfen ihm, einige Fragen zu klären. Er dachte nach. Dann fragte er: "Meister Alrik, ich habe da noch eine Frage..."
Alrik grinste. "Meister" war unter den Zwergen eine recht formelle, aber auch ordentliche Anrede. Es gehörte sich, war aber auch ein Zeichen von Respekt. Am Beginn ihres Gesprächs hatte sich Rorek anders ausgedrückt.
"Welche denn, Rorek?", fragte er daher bereitwillig.
"Laurin wurde doch von Dietrich erwürgt bei jenem großen Zweikampf, der die Zwerge schließlich den Krieg verlieren ließ, nicht wahr?"
Alrik nickte. "Ja. Er war schon alt. Zwar hatte er einen Gürtel, der ihm große Kraft verlieh, aber es genügte nicht mehr. Insbesondere weil Dietrich ihn letztlich nicht in einem ehrlichen Zweikampf besiegt hatte – so sehen es jedenfalls viele Zwerge."
"Dann frage ich mich... was wurde aus des Königs Mutter?"
Alrik wurde ernst und blickte wieder auf die Ebene hinaus. Der Schatten zog sich gerade über die Turmspitze und er sagte daher: "Dreh Dich lieber um, Rorek. Es ist soweit."

Als Balin aus dem Tor trat, keine zwei Augenblicke nachdem die Sonne die Spitze des Turms berührt hatte, standen die Zwerge seiner kleinen Queste auf und salutierten mürrisch, aber gehorsam. Rorek dachte bei sich, dass der alte Zwerg wenigstens die letzte halbe Stunde hinter einem Fenster an der Mauer oder gar oben auf ihr gewartet haben musste, um den Zeitpunkt so genau zu bestimmen.
Balin wirkte nüchtern. Zwerge hatten sehr selten die Nachwehen vom Biergenuss, die Menschen in Anlehnung an schnurrende und fauchende Zeitgenossen "Kater" nennen, aber Balin schien gänzlich von Müdigkeit befreit und zeigte auch keine Anzeichen von Schwäche wie am gestrigen Abend.
"Guten Morgen, Ihr Zwerge!", brüllte er seinen Mannen entgegen und sie brüllten: "Guten Morgen, Du Zwerg" zurück – seit jeher eine Tradition beim Militär. Balin sah sich kurz um und musterte die vor ihm angetretenen Zwerge misstrauisch. Dann sagte er: "Wir sind von unserem ruhmreichen König nun geschickt worden um diese kleine Waldkolonie aufzusuchen. Warum der König dazu Einundzwanzig schickt, wo es auch ein Bote täte weiß nur Frigg allein. Noch dazu, wo alle seine Auserwählten...", er schmunzelte und deutete auf seine eigene Waffe, "...gar nicht mit Äxten, sondern Schwertern bewaffnet sind. Vielleicht sollen wir also gar nicht Holz hacken, sondern Wildschweine."
Das ließ einige der Zwerge schmunzeln und Rorek war überrascht, wie schnell Balin sich in die Rolle des Anführers fand. Alrik warf ihm einen amüsierten Blick zu und Rorek gab sich Mühe, schnell ein neutrales Gesicht zu machen.
Balin fuhrt derweil fort: "Tja, auch Schwerter sind nur Zwerge. Lasst uns nun aufbrechen, ich will in einer Woche dort sein." Auf Balins Signal hin marschierten sie los und Rorek wandte sich erschrocken um, als Hornbläser an den Zinnen ihren Aufbruch ankündigten. Als wären sie eine Armee auf Kriegszug. Kurz vermeinte Rorek eine Gestalt hinter den hohen Zinnen zu erkennen, eine Gestalt, die eine Krone trug.
Aber das war natürlich albern.
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Ein Zwerg, der trinkt und fällt dann um.
Beim Elfen ist es anders 'rum.

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Man muss als Zwerg das tun,
was die Riesen nicht können.

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Die Jagd - Kapitel 3

Beitrag von Durin » Di 27. Sep 2016, 22:15

Kapitel 3
Ein Furz von einer Ebene – Bier und Hasen – Belagerung – ein unheimlicher Fund – eine Hetzjagd – Waidwund und Erkenntnis


Alrik grinste Rorek zu und ließ sich auf die Bank vor der Taverne fallen. Es war ein lauer Abend, der sechste, seit sie aufgebrochen waren und sie hatten endlich die Ebene erreicht. Durinsthal erstreckte sich vom Gebirge im Norden rund zweihundert Kilometer nach Süden. Südwestlich lief sie in einer Wüste aus, südöstlich im Hochland Thal, das dem vergletscherten Drachengebirge im Süden vorgelagert war.
Seit die Zwerge durch den zum Teil dicht bewaldeten Fuß des Gebirges wanderten konnte Rorek nicht mehr so weit in die Landschaft blicken. Bislang hatte Alrik die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und ihm eine Menge über das Reich der Zwerge erzählt. Dergleichen stand natürlich auch in den unzähligen Schriftrollen und Büchern, die sich in den Tiefen der Gewölbe unter dem Berg stapelten aber Rorek hatte sich bislang nicht sonderlich für all das staubige Papier interessiert.
Die Geschichten und Beschreibungen all der Länder, die zu Durins Reich gehörten, hingegen zu hören und von Alrik erzählt zu bekommen ließ sie vor Roreks innerem Auge wie lebendige Wesen entstehen und er begann, sich nach all diesen Gegenden zu sehnen, verspürte ein eigentümliches Ziehen im Magen, wenn er an fremde Wüsten und unbekannte Berggipfel, reißende Flüsse und duftende Wälder dachte.
Die Gruppe hatte ihren Tagesmarsch beendet. Balin hatte die Taverne betreten um nach einer Schlafstatt zu fragen und der Rest der Zwerge verteilte sich auf dem Boden rund um das im Schatten der Bäume an den Hügel geschmiegte Gebäude. Rorek legte den schweren Rucksack ab und drückte sich unauffällig das Kreuz. Man sagte den Zwergen nach, dass ihnen schwere Lasten nicht ausmachen würden aber Roreks Rücken hatte dieses Gerücht wohl noch nicht vernommen.
Er setzte sich neben Alrik und blickte erleichtert, aber auch versonnen in die Ferne. Die Straße schlängelte sich von hier aus weiter in den Wald, erreichte dann allerdings bald das kleine Dorf Schattenhain. Von dort wollten sie die Straße nach Wißheim nehmen, die nach Westen führte und letztendlich in den Zwergenwald führen sollte.
Alrik betrachtete ihn von der Seite und meinte dann: "Weißt Du, wie Durinsthal inoffiziell genannt wird?" Rorek schüttelte den Kopf. "Flatulentia.", sagte Alrik und lachte. Rorek sah ihn verwirrt an und hob die Schultern. "Alrik schlug sich mit der Hand vor die Stirn. "Du sprichst ja gar nicht die gemeinsame Sprache der Menschen, das Fantasysche, oder?" Rorek wiegte den Kopf hin und her.
"Puh... wenn ich einen Witz erklären muß ist er nur halb so lustig. Egal, also im elfischen bedeutet 'flat' flach. So wie elfische Frauen, klar? Im alten Fantasyschen allerdings ist 'Flatulenz' ein Wort für Fürze. Thekk, ein Vetter von Vestri, nannte Durinsthal bei der Ankunft unseres Volkes so. Das hat sich irgendwie gehalten."
Rorek lächelte Alrik schief an. "Ich glaube, der Humor war eigentlich der Untergang der Alten..." Alrik richtete sich auf und hob die Hand. "Pass bloß auf, Du..!", knurrte er. Rorek duckte sich scheinbar ängstlich weg und Cadrix lachte.
Alrik schüttelte den kurzen Kopf. "Was soll nur aus der Welt werden, wenn junge Zwerge keinen Respekt mehr vor den Alten haben?" Gorim wies anklagend auf die Taverne und brummte: "Als hätten die Alten Respekt vor den Alten – oder den Jungen." Dann verfiel er wieder in Schweigen und Rorek spürte, dass sich hier eine grundsätzliche Frage stellte. Die meisten widmeten der flapsigen Unterhaltung kaum oder keine Aufmerksamkeit – Oldor schlief sogar schon wieder – aber das Thema Respekt schien einige zu beschäftigen. Bevor Alrik auf eine kluge Antwort verfallen war trat Balin wieder aus der Taverne.
"Männer! Wir haben einen Schlafplatz in der Scheune bekommen und zudem gibt es frisches Fleisch und Bier. Bringt Euer Zeug rein und lasst uns essen."
Rorek griff nach seinem Rucksack und seinem Schild und beeilte sich. Er wollte nicht nahe der Türe liegen. Nicht bei so vielen alten Zwergen im Raum.

"Kaninchen! Ich dachte, Balin meint richtiges Fleisch!", maulte Borzag und blickte angewidert auf seinen Teller. Die Schankmaid, eine Menschenfrau wie sie zu ihrer Überraschung festgestellt hatten, kommentierte seinen Unmut nicht sondern servierte stoisch jedem Zwerg sein Ragout.
Borim hob mit ähnlich erfreuter Miene den Holzlöffel auf und kniff die braunen Augen zusammen. "Und wozu soll ich das benutzen?" Rorek gab ihm keine Antwort, weil er sich nicht sicher war, ob die beiden Zwerge scherzten. Beide Zwerge hatten rostrotes Haar und das galt bei manchen als Zeichen für leichte Erregbarkeit. Der Vierte an ihrem Tisch war Morgrim, dessen graue Zotteln zu einem strengen Zopf gebunden waren. Die Taverne hatte keine Tafel sondern zwang die Zwerge sich an verschiedene Tische zu setzen, was sie nicht gewohnt waren. So saßen sie jeweils zu viert an einem Tisch, nur Balin speiste allein. Rorek warf ihm einen nachdenklichen Blick zu bevor er sich wieder seinem eigenen Teller zuwandte.
Kaninchenfleisch mit frischen Pilzen, dazu einen Weizenbrei. Menschenessen. In Durinsthal lebten Menschen, die meisten als Bauern und nur wenige als Handwerker oder Händler. Rorek hatte erfahren, dass es natürlich auch eine Menge Zwergensiedlungen gab – Grollheim oder Grauroth zum Beispiel – aber dass die Menschen das Gros der Bauern im Tal stellten. Balins Reiseroute hatte die Zwerge bislang eher an zwergischen Siedlungen vorbei geführt: Südlich von Moria waren sie zunächst an Bruch vorbei gelaufen, allerdings ohne Halt, und dann an Erzquell, wo sie immerhin in die Taverne gedurft hatten. Seither führte der Weg zwar die Straße entlang, aber dennoch durch die Wildnis.
Alrik hatte erwähnt, dass Wißheim, das nächste Dorf im Westen, rund drei Tage entfernt war und ebenso wie Waid, das bereits am Rand des Zwergenwaldes lag,ebenfalls eine Menschensiedlung war.
Menschen waren bessere Bauern, hatte Alrik erklärt und Rorek glaubte das unbesehen. Zwergen lag die Verarbeitung von Korn nicht sonderlich, trotzdem brauchten auch sie ihr täglich Brot. Von der erneuten Besiedelung der Regionen durch die Zwerge hatte die Menschen gleich mehrerlei Vorteile: Zum Einen boten die Zwerge Schutz, zum Anderen war den Menschen ein besseres Leben möglich durch die Zwergenschmiede. Nicht alle stellten Waffen oder Rüstungen her, die Mehrzahl schmiedete Pflugscharen, Sensen oder Äxte für Holzfäller und für die Lebensmittel bezahlten sie freigiebig mit Silber und Gold.
Die Zwerge trieben reichlich Handel und Karawanen sowie Pferdegespanne durchquerten das Reich und brachten allerlei Tand und Luxus mit sich.
Nach dem Mahl sprachen die Zwerge dem Bier zu, das vortrefflich zu nennen eindeutig geboten war. Rorek hatte schon lange kein so würziges Bier mehr getrunken und griff daher zu. Dennoch kam er nicht einmal ansatzweise auf die Mengen, die Balin in sich hinein schüttete.
Alrik trug eine alte Zwergenweise vor und Orthog begann auf der Laute zu spielen. Die Stimmung wurde ausgelassener und beinahe fröhlich, aber Balin schien sich dessen wenig bewusst zu sein. Rorek beobachtete aus den Augenwinkeln wie sich der alte Zwerg (mit Hut und Humpen) in eine Ecke neben dem Kamin verzog und dort ins Feuer starrte. Er trank und er trank weit mehr als seine Kameraden, aber an ihrer kleinen Feier nahm er nicht teil.
Als Alrik ein altes Trinklied begann sang Rorek begeistert mit den anderen mit – schließlich war das Lied den meisten wenigstens in die Wiege gelegt, wenn nicht gar mit der Muttermilch beigebracht worden. Die Sprache der Zwerge, Khuzdul, ist bis heute geheim und die Zwerge hüten sie wie ihre Kinder. Daher sangen sie in der Sprache der Menschen. Rorek konnte sich zwar kaum sprachlichen Talenten rühmen, aber die Menschensprache beherrschte er insofern, als dass er ihre Lieder auch im Fantasyschen wiedergeben konnte. Immerhin den wichtigsten Teil konnte er:

In Schiene, Kette, Eisenhut!
Das Fass ist leer! Das Fass ist leer!
Im Schloss, in Burg und auch in Feste,
Feiern Zwerge ihre Feste.
Rollt doch rasch! So rollt doch rasch ein Neues her!
Und feiert frohgemut!


Alrik sang und die Zwerge ließen die Humpen knallen so dass die nächste Runde vorsorglich in hölzernen statt tönernen Humpen ausgegeben wurde. Die Teller wurden geklopft, die Kettenhemden klimperten und die Füße stampften.
Bier um Bier wanderte durch die Runde und Balin schien noch immer keine Notiz zu nehmen. Als Alrik von draußen wiederkam nahm sich Rorek daher ein Herz und fragte: "Alrik, kann ich Dich mal draußen sprechen?" Alrik machte eine abschätzige Gebärde und wandte sich um, Rorek folgte ihm nach draußen.

***

Theredred betrachtete die Palisade, die seine Arbeiter in wenigen Stunden gezimmert hatten. Sie hatten dazu nicht nur das bereits gelagerte Bauholz benutzt, sondern auch einige Hütten zerlegt. Er dachte mit einer gewissen Belustigung daran welches Gesicht Sven wohl ziehen würde, wenn er auf die Überreste seiner Hütte blicken würde.
Die Zwergensiedlung war inzwischen ganz eingezäunt. Fleißig wie Zwerge nun einmal waren hatten sie nicht nur eine Palisade gezogen sondern selbige auch mit einem kleinen Erdwall gesichert, den sie schufen indem sie einen Graben vor ihm ausgehoben hatten.
Andere Zwerge hatten Feuerholz gesammelt und einen Teil davon draußen auf verschiedene Stapel aufgeschichtet. Am Abend wollten sie diese Stapel entzünden bevor sich alle in den Schutz der Palisade zurückzogen. Das Licht sollte die Biester entweder vertreiben oder wenigstens sichtbar machen. Theredred war wenig optimistisch was die Brenndauer der Scheiterhaufen anging, aber die enthusiastischen Bemühungen der Zwerge waren viel besser als die große Angst, die am frühen Morgen noch zwischen ihnen regelrecht greifbar erschienen war.
Mittlerweile senkte sich der Abend heran und Nebel zog auf. Theredred stand auf einer der Plattformen, die den Wächtern der Nacht Übersicht bieten sollte und spähte über die Palisade und die Lichtung auf den unendlich scheinenden Wald nach Nordosten. In der Ferne erhoben sich die Gebirge aber nun waren sie hinter einer weißen Nebelwand verschwunden. Wolken zogen vom Gebirge herunter und versprachen eine feuchte Nacht. Fasziniert beobachtete Theredred das Spiel der Wolken. Wie aus eigenem Willen flossen sie vom Fuß des Berges über die Bäume, durchdrangen den Wald und ließen Wipfel um Wipfel verschwinden.
Ein unheimlicher Anblick. 'Eine weiße Walze, die auf uns zu stürmt und den Tod denen bringt, die sie unter sich begräbt', dachte er zusammenhanglos. 'Mit dem Nebel kamen die Drachen'
Theredred schüttelte sich. Alte Legenden, Kindergeschichten. Er war nicht ängstlich, aber angespannt und vielleicht war er auch müde. Kein Wunder, wenn er so in Schwermut verfiel. Der Nebel war noch wenigstens zwei Stunden entfernt, vielleicht auch drei. Zeit genug um die Zwerge und die Speere zu zählen und die Wachen einzuteilen. Sicherlich keine Zeit sich Gedanken über den todbringenden Feuerwurm zu machen, der in den alten Legenden mit dem Nebel kam. Theredred sprang von der Plattform und eilte zu den Schnitzern.

Die Feuer waren entzündet und es war inzwischen nicht nur nass, sondern auch bitterkalt geworden. Obwohl die Zwerge genau gewusst hatten, dass sich die Nebelwand auf sie zu bewegte, war sie so blitzartig über ihnen gewesen und hatte die Abenddämmerung in eine finstere Nacht verwandelt, dass sie dennoch erschrocken waren. Theredred kauerte mit Ordlin auf der südlichen Plattform und versuchte sich die Augen nicht vom Feuer blenden zu lassen.
Wenigstens hatten inzwischen alle Zwerge eine Waffe bekommen. Die Zählung hatte ergeben, dass weit mehr Zwerge fehlten als Theredred ursprünglich angenommen hatte. Die Siedlung hatte ursprünglich um die hundert Zwerge umfasst, allerdings waren rund zwanzig von ihnen als Jäger und Kundschafter unterwegs gewesen. Außer Fundin war bislang keiner zurückgekehrt. Auch aus seiner Sippe fehlten einige, selbst einer derer, die noch mit Theredred selbst nach den Wachen gesucht hatten.
Jeweils zu viert und im Abstand von weniger als fünfzig Schritt patrouillierten die Zwerge die Palisade. Bislang war es ruhig geblieben und Theredred begann zu hoffen, dass sie vielleicht Glück haben würden. Der Nebel schloss die Palisade ein und man konnte nur wenig draußen erkennen.
Theredred merkte, dass seine Augen zuzufallen begannen und wickelte sich ein wenig aus der Decke. Besser er fror und blieb wach als dass er hier einschlief. Es waren zwar gerade einmal drei Stunden vergangen aber das ständige Starren in den Nebel machte ihn mehr zu schaffen als er gedacht hatte.
Unten an der Palisade liefen Ingam und sein Trupp. Theredred stieg von seinem Aussichtsstand und lief auf sie zu um mit ihnen zu sprechen. "Ingam, warte mal!" Die Wachen blieben stehen und sahen ihm entgegen. Theredred sah, dass sie alle verstohlen gähnten. Wenigstens durften sie laufen.
"Wie sieht es aus?", fragte er, als er bei ihnen angekommen war. Ingam hob die breiten Schultern und wies auf den Nebel. "Es ist neblig. Die Kälte macht uns zu schaffen und wir sollten jetzt wirklich aufschließen." Theredred grinste flüchtig und machte eine einladende Geste.
Die Zwerge beeilten sich ein bisschen bis sie die Patrouille vor sich wieder erkennen konnten. Dann marschierten sie in normalem Tempo weiter. Theredred begleitete Ingam und warf einen Blick über die Schulter. Er konnte die nachfolgenden Zwerge gerade so erkennen. Immerhin sollte es dank dieser Aufteilung gelingen, dass nichts und niemand unbemerkt über die Palisade kam.
Theredred blickte auf die rasch zusammengezimmerte Palisade und erkannte, dass er ohne große Schwierigkeiten nach draußen sehen konnte. 'Morgen früh müssen wir die Palisade verstärken.', dachte er, 'Vielleicht eine zweite Reihe einziehen. Das sieht ja kaum nach der Arbeit kluger Zimmerleute aus.'
Er absolvierte schweigend eine Runde mit Ingam und seinem Trupp und wollte sich gerade verabschieden, als sie erkannten, dass die Gruppe vor ihnen stehen geblieben war. Sie blieben ebenfalls stehen, dann marschierten sie rascher um zu den anderen aufzuschließen. Als sie erkannten was passiert war, weiteten sich Theredreds Augen vor Furcht.
"Fadmaschosch, Harbosch, und Roglosch.", sagte Ingam bitter und jetzt erkannte auch Theredred die drei. Ehe er etwas sagen konnte kratzte plötzlich etwas an der Palisade und sie blickten auf. Ein dunkler Schatten saß zusammengekauert auf dem Holz und starrte zu ihnen hinüber. Dann sprang er auf der anderen Seite von der Palisade.
Theredred eilte an die Palisade und starrte nach draußen, aber mehr als einen dunklen Schatten, der offenbar auf allen Vieren in diesen unheimlichen Nebel rannte, war nicht zu erkennen. Nur eines dieser Wesen – und drei Zwerge waren tot. Theredred wollte sich gar nicht ausmalen was wäre, wenn dort mehr von ihnen herumlaufen würden.
Schon kam die nächste Patrouille angelaufen und Theredreds Gedanken rasten. Was wollte das Wesen erreichen? War es ein Tier, dumm und angriffslustig – oder war es ein Monster, das eine Strategie überlegt hatte? Wenn es mehrere gab – der Angriff gestern schien darauf hinzudeuten – warum hatte nur eines die Palisade überwunden?
Theredred packte Ingam am Arm und rief: "Schnell, kommt alle mit! Auf die andere Seite, da brechen sie durch!" Er rannte los und hörte kurz darauf erleichtert, dass ihm die anderen folgten.
Er hatte recht: Gerade als sie angelaufen kamen überwanden drei oder vier der dunklen Gestalten die provisorische Barriere. Ein gellender Alarmschrei von einer der kleinen Plattformen rief in Windeseile das halbe Lager auf den Plan. Mit Speeren bewaffnet stürmten die Zwerge scharenweise herbei. Als die Kreaturen dies erkannten wandten sie sich um und flohen wieder.
Keuchend blieb Theredred stehen und sah sich um. Die Zwerge erwiderten seine Blicke, manche furchtsam, die meisten jedoch grimmig. Für sie war der Feind nun greifbar, ein Gegner den man bezwingen konnte denn auch er kannte die Angst.
Vor der Palisade ertönte ein lautes Heulen in das sofort weitere Stimmen einfielen. Sie schienen aus allen Richtungen zu kommen. Theredred sah Ingam in die Augen und dieser nickte knapp.
Sie wurden belagert.

Seit der Übernachtung in der Scheune waren zwei weitere Nächte vergangen und inzwischen wurde das Gelände wesentlich unübersichtlicher. Rorek fiel es schwer nicht in das Fluchen der anderen einzufallen wenn sich die Straße wieder einmal völlig verabschiedete und sie plötzlich irgendwo im Dickicht landeten. Er begann zu verstehen warum die Zwerge den Wald und das Dickicht nicht besonders mochten. Auch unter den Bergen war es manchmal unwegsam und man konnte manchmal nicht recht weit sehen, aber Dickicht hatte Dornen. Groß, lang und spitz und nur darauf erpicht in irgendjemandes Gesicht zu landen oder die guten Wollumhänge zu zerreißen.
Gestern hatten sie mit Wißheim das letzte halbwegs zivilisierte Dorf hinter sich gelassen und nun befand sich die Gruppe von Balins Auserwählten auf der Straße nach Waid, die dem Unkundigen allerdings eher wie ein besserer (oder schlechterer) Trampelpfad vorkommen musste.
Angeblich sollten die Straßen alle gepflastert werden aber scheinbar war man noch nicht sonderlich weit gekommen. Rorek fragte sich, wie die Bewohner von Waid wohl lebten wenn es kaum Verkehr zu ihnen gab. Als er diesen Gedanken Alrik gegenüber äußerte nickte der und meinte: "Ja, so ist das eben. Durins Straßennetz schließt tatsächlich die Ebene hinter dem großen Zwergenwald mit ein. Das ist die Eisenküste mit seiner großen Stadt Veldenstein. Sie ist aber nicht direkt durch eine Straße mit Grollheim verbunden sondern die Straße macht einen weiten Bogen im Süden um den Wald herum und verbindet über Königsbach und Durins Flurburg mit Grollheim. Das sind Meilen über ;Meilen Umweg, aber bisher gelang es uns noch nicht, den Wald zu zähmen, so dass wir eine Straße direkt hindurch bauen konnten."
Rorek hob eine Augenbraue und sah Alrik direkt an. "Ist das nicht ein bisschen umständlich?" Alrik grinste. "Natürlich. Darum waren ja Sven und seine Männer in den Wald geschickt worden. Wer eine Straße bauen will muss wissen wie das Gelände beschaffen ist und dafür braucht man kleine Stützpunkte. Manche dieser Stützpunkte gibt man später wieder auf, andere entwickeln sich zu richtigen kleinen Siedlungen aus denen dann Dörfer und sogar Städte werden können.
Eines dieser Dörfer ist Rothsee – bis dahin ist die Straße auch schon gebaut. Das liegt aber sehr weit im Süden von hier und wir haben es eilig. Darum will Balin den direkten Pfad über Waid und dann nach Südwesten zu dem zweiten See nehmen. Dort in der Gegend sollte Sven seinen Stützpunkt errichten."
Rorek, der keine Karte im Kopf hatte aber eine ungefähre Vorstellung dachte kurz nach. Dann fragte er: "Also soll die Straße gar nicht über Waid im Norden, sondern über den Rothsee im Süden führen? Ist das nicht wieder ein Umweg?"
Alrik schüttelte den Kopf. Dann nickte er. "Ja, von Moria aus betrachtet ist es ein Umweg weil man zuvor praktisch ganz Durinsthal durchqueren müsste. Von der wirtschaftlichen Seite aus ist dieser Weg aber klüger. Wenn mich nicht alles täuscht muss aber auch die nördliche Route gebaut werden damit die Straße letztendlich auch die westlichen Eisenberge erschließt."
Die Gruppe hielt an als Balin die Hand hob und eine einstündige Pause verkündete. Rorek sah zum Himmel und erkannte, dass es bereits auf den Mittag zuging. In diesem verdammten Dickicht erkannte man das nicht immer gleich. Alrik tippte Rorek auf die Schulter und wies auf die trockne Erde zu ihren Füßen. Mit einem Stock hatte er Umrisse in sie gekratzt.
"Schau, hier ist Moria... und hier ist Grollheim in dessen Mitte sich der Durinsturm erhebt. Hier ist der Zwergenwald... und hier ist Rothsee. Da drüben...", er wies auf eine Fläche auf der anderen Seite des Waldes, "… da liegt Veldenstein. Das Veldensteiner Bier solltest Du übrigens mal probiert haben. Und da im Norden von Veldenstein, da sind die westlichen Eisenberge."
"Dort herrscht Grim, nicht wahr?", fragte Rorek und Alrik lächelte. "Ja. Du bist anscheinend doch nicht so dumm wie Du Dich gibst, mein Junge. Ja, die westlichen Eisenberge hat Durin seinem Vetter Grim als Lehen gegeben. Du weißt doch was ein Lehen ist?" Rorek nickte. "Nun und als sein Vasall regiert Grim hier von der Festung Roßtal aus über das Gebirge. Die Hauptstadt ist allerdings hier Hohenstadt. Das solltest Du Dir einmal ansehen gehen, mein Junge. Fünf Berggipfel die durch Brücken miteinander verbunden sind und in denen hunderte Zwerge leben. Eine so schöne Stadt hat noch niemand je gesehen, vielleicht einmal vom Rosengarten abgesehen."
Rorek nickte ungeduldig. "Was ist aber nun mit dieser Straße hier?", fragte er.
Alrik sah ihn streng an. "Wenn die Alten ins Schwärmen geraten unterbricht man sie nicht, mein Junge. Aber um Deine Frage zu beantworten: Würde man über Waid zum zweiten See die Straße fertigstellen würde sie dort mit der Straße aus Rothsee zusammentreffen und nach Veldenstein weitergehen. Dann wäre der Weg von Moria aus wesentlich kürzer. Ob Grim allerdings zustimmt, dass das Straßennetz auch seine Berge umfasst weiß Frygg allein."
Rorek setzte schon an, dann hielt er inne.
Alrik seufzte. "Na dann frag meinethalben. Aber lass mich trotzdem was essen."
Er trank einen gewaltigen Schluck Bier und Rorek fragte: "Warum sollte Grim das nicht wollen? Er ist doch Durins Vetter und niemand hat so vortreffliche Schmiede wie Grauroth zu bieten, oder?"
Alrik seufzte erneut, diesmal allerdings weit theatralischer. "Weißt Du mein Junge, die schwierigsten Zwerge gibt es immer in der eigenen Sippe. Grim hat Durin als König akzeptiert, aber er regiert sein Lehen alleine – so als sei er dort der König, verstehst Du?"
Rorek biß ein Stück von dem Trockenfleisch ab, kaute mühsam darauf herum und schüttelte den Kopf. Alrik kratzte sich am Kopf. "Wie erkläre ich Dir das..?" Er trank noch einen Schluck, dann rülpste er laut und sagte: "Grim ist Grimbolds Sohn. Grimbold war der Bruder von Laurin, verstehst Du? So wie Grim die Geschichte sieht lag der rechtmäßige Thronbesitz natürlich in Laurins Linie, aber so ganz kann er Durin nicht verzeihen, dass seine Mutter keine Zwergin war sondern eine Menschin. Er stellt daher mehr oder weniger Durins Anspruch auf den Thron in Frage."
"Wie kann er es wagen?", fuhr Rorek auf und Alrik machte eine beschwichtigende Geste. "Setzt Dich wieder hin, Junge. Da ist er nicht der einzige – Durins Anspruch wird von einigen Zwergen infrage gestellt, das habe ich Dir vor ein paar Tagen doch schon einmal erklärt." - "Wegen seiner Mutter?" - "Genau. Nur hat ein notorischer Giftpilz wie Skag letztendlich nichts zu melden wenn es um die Linie der Könige geht. Das verhält sich mit Grim allerdings ein wenig anders denn er gehört zur königlichen Linie, auch wenn er nur ein Vertreter eines Seitenarms ist. Diese mögliche Bedrohung für Durins Thron verleiht Grim wiederum Macht und Einfluss weswegen Durin durchaus damit zufrieden ist, wenn sich Grim um seine eignen Ländereien kümmert und daher keinen direkten Einfluss im Rat ausübt. Auch wenn Durin so kaum Einfluss auf Grims Reich hat. Und letztendlich hat er ja noch Vikram zum Beispiel."
Rorek verdrehte die Augen. Vikram war ein sehr alter Zwerg der nicht nur im Rat saß sondern seine Erfahrung auch bereitwillig mit den Jungen teilte so dass viele Zwerge irgendwann einmal von ihm unterrichtet worden waren. Zwar war er freundlich und auch geduldig, aber er konnte auch sehr beharrlich sein und sein Unverständnis dafür, dass so mancher junge Zwerg etwas nicht unbedingt wissen wollte führte zusammen mit seiner Beharrlichkeit dazu, dass manche der jungen ihn für eine Nervensäge hielten. Rorek, der gerne mit dem Beil übte oder spielte teilte diese Ansicht durchaus, auch wenn er sich in Gegenwart der Älteren immer Mühe gab, seine Gefühle nicht allzu offensichtlich werden zu lassen.
Alrik fuhr jedoch fort und beachtete Rorek kaum. "Vikram ist ein Onkel von Durin. Zweiten Grades, meine ich. Natürlich väterlicherseits. Aber es gibt noch einige andere, die Durin durchaus unterstützen und selbst wenn die Mehrheit des Rates gegen ihn wäre – er ist der König und im Grunde ficht das niemand an. Auch dass Durin Vikram eng an sich gebunden hat und er meist als Sprecher der Königsfraktion auftritt verleiht Vikram wiederum eine starke Rolle, so dass dieser wiederum Grim in Schach halten kann und.... aber ich merke, Politik langweilt Dich mindestens so sehr wie mich, mein Junge."
Rorek hob die Schultern. "Ich dachte, Ihr wärt nur ein einfacher Wachmann, Meister Alrik. Nun aber frage ich mich, warum Ihr dennoch so viel wisst über all die inneren Vorgänge bei Hofe."
Alrik schmunzelte. "Gar nicht schlecht gefragt, mein Junge. Und ich weiß gar nicht viel, aber manches eben schon und außerdem habe ich scharfe Augen und noch schärfere Ohren. Wenn Du jemals bei Hofe dienen willst dann solltest Du Dir die auch zulegen."
Balin hob die Hände, stand auf und streckte sich.
"Los, weiter! Ich möchte noch bis zum Abend nach Waid kommen – wenn wir warten bis der Junge all das nachgeholt hat was er in den letzten fünfzig Jahren hätte lernen sollen kommen wir nie an unser Ziel."
Rorek blickte beschämt zu Boden und spürte seine Ohren brennen, als einige der Zwerge hämisch lachten. Er reihte sich bei den anderen ein, fluchte während des Marsches still vor sich hin und sprach den restlichen Tag kein Wort mehr.

"Ich bin mir sicher, dass das Gwedin ist.", erklärte Thurgrom mit knurrender Stimme. "Oder jedenfalls das, was von ihm noch übrig ist. Seht Ihr diesen Dolch? Die Verzierungen auf der Klinge weisen ihn als einen meiner Sippe aus und wir haben nur einen mit Sven mitgeschickt. Gwedin ist schon lange mit Sven befreundet, daher war dieser Schritt logisch."
Alrik nickte und sah kurz zu Rorek, der schweigsam aber bleich auf die gemarterte Leiche vor ihnen blickte. Am frühen Nachmittag waren sie nicht mehr weit von Waid entfernt und Alrik hatte sich schon auf das Ende des Tagesmarsches gefreut als sie plötzlich, mitten auf dem Weg, die Leiche dieses Zwerges gefunden hatten.
"Anscheinend war er alleine unterwegs.", murmelte Balin und sah mit zusammengekniffenen Augen den Weg entlang. Hier, kurz vor Waid war er wieder wesentlich besser als zuvor, aber trotzdem erstaunlich zugewuchert. Er sah aus als wäre er seit langer Zeit nicht mehr benutzt worden was eigentlich kaum sein konnte.
Alrik fragte sich, was in ihrem Anführer vorgehen mochte. Balin wirkte auf einmal nachdenklicher. Vielleicht war er aber auch nur inzwischen ausgenüchtert. Rorek hingegen wirkte regelrecht entsetzt. Alrik war sich nicht sicher ob der junge Zwerg mit so etwas gerechnet hatte. Aber das hatte er ja andererseits auch nicht.
Irgend etwas war über den jungen Gwedin hergefallen und hatte ihn schrecklich verstümmelt. Sein Kopf fehlte und es sah so aus als hätten wenigstens zwei oder drei Wölfe versucht ihn zu fressen. Natürlich konnten ihn die Wölfe auch später gefunden haben, aber Alrik war sich sicher dass es hier im Wald genug Beute gab so dass sie eigentlich nicht gewöhnt sein sollten, sich von Aas zu nähren.
Balin winkte Dern und Gorm zu sich und murmelte ihnen irgendwelche Befehle zu. Beide nickten und gingen auseinander. Laut sagte Balin: "Wir werden hier einen Augenblick halten. Lasst uns ein Grab für ihn ausheben, ob nun Gwedin oder nicht. Thyk, Ortosch, Ulther – sucht die Umgebung ab und seht, ob Ihr seinen Kopf finden könnt. Ein Zwerg ruht nicht in Frieden wenn sein Haupt nicht zur Ruhe gebettet wird. Aber seid wachsam, vielleicht sind die Tiere noch hier in der Gegend. Die Wunden sehen frisch aus."
Alrik war überrascht als Rorek sich den Suchern anschloss. Scheinbar war der junge Zwerg mutiger als Alrik gedacht hatte. Vielleicht wollte er aber auch nur mit dem Toten nichts zu tun haben.
Alrik trat zu Balin und fragte ihn leise: "Was glaubst Du, Balin? Ist er von wilden Tieren überfallen worden? Wölfen vielleicht?" Balin hob die Schultern. "Ich weiß es nicht, Alrik. Aber ich hoffe es." Alrik schaute verblüfft. "Du hoffst es? Warum das denn?"
Balin kniff die Augen ein wenig zusammen während er beobachtete, wie Thurgrom den Körper vorsichtig in einen Umhang einschlug. Dann sagte er: "Wenn ihn jemand anderes getötet hat und ihn dann die Wölfe fanden, dann hat es in der Siedlung Streit gegeben. Und mindestens ein Zwerg war dann wütend und mordlustig genug um ihm bis hierher nachzulaufen und zu erschlagen. Wenigstens sechs Tagesmärsche vom Siedlungsort entfernt. Wenn sich solcher Hass bei den Zwergen entwickelt hat, dann mache ich mir Sorgen, ob wir nicht in einen Bruderkrieg geraten. Und wir sind nur Zwanzig. Zu wenige für ein Kriegsgebiet."

Ein Ast peitsche ihm ins Gesicht und Gwedin schrie auf. Er keuchte und wäre beinahe umgeknickt als sich sein Knöchel prompt in einer Ranke verfing. Seit drei Nächten hetzte er nun schon durch diesen Wald. Rast gönnten sie einem nicht.
Arrogant, aber auch ängstlich war er aufgebrochen und hatte sich beeilt um Sven und Furlan einzuholen und um sie über Theredred verräterische Machtübernahme in Kenntnis zu setzen. Als es Nacht wurde war jedoch plötzlich der Nebel gekommen und im Nebel lauerten... Dinge. Gwedin hatte sich unsicher gefühlt und dann hatte plötzlich sein Orientierungssinn völlig versagt. Das war ihm noch nie passiert. Stundenlang war er durch den dunklen und völlig vernebelten Wald geirrt und gerade als er aufgeben und warten wollte, bis sich der Nebel verzogen hatte, waren auf einmal Schritte im Nebel gewesen.
Zuerst hatte er geglaubt, dass er Sven vielleicht gefunden hatte aber die Schritte waren anders gewesen, schwerer und gleichzeitig leiser. Gwedin hatte ganz still dagestanden und gelauscht, hatte kaum zu atmen gewagt. Da war dieses Schnüffeln gewesen. Ein leises Heulen, das plötzlich von Nahem beantwortet wurde. Unirdisch, mordlustig. Ganz sicher kein Wolf. Und dann der Geruch – ganz leicht nach Schwefel und etwas anderem.
Plötzlich war da ein Feuerschein gewesen, keine hundert Schritt entfernt und nur ein paar Zentimeter über dem Boden. Er wurde heller als dieses unterdrückte und leise Fauchen wieder zu hören war. Als ob das Wesen im Nebel Feuer atmen würde... Und Gwedin hatte den Kopf verloren.
Er war losgerannt und dann war da ein Heulen hinter ihm gewesen. Zuerst eine Stimme, dann eine weitere. Sie riefen zur Jagd, zur Jagd nach ihm und sie würden ihn jagen ohne Erbarmen und ohne anzuhalten.
Gwedin war gerannt wie er noch nie gerannt war, blind, einfach in den Nebel hinein. Er rannte und rannte und irgendwann wurde es heller und er konnte ein wenig mehr sehen. Aber die Stimmen waren nach wie vor um ihn herum. Wenigstens drei heulten ständig in seinem Rücken und er wagte nicht sich umzudrehen sondern rannte weiter. Als seine Seiten zu stechen anfingen dachte er an lange Reißzähne und als er kaum mehr Luft bekam dachte er an das Feuer im Maul. Er stolperte, lief, rannte und irgendwann weinte er vor Erschöpfung aber die Angst hielt ihn auf den Beinen.
Am Ende des zweiten Tages lief er endlich aus dem Nebel heraus und als er in der Abenddämmerung die Bergspitzen in weiter Ferne erkannte er, dass ihn sein Orientierungssinn doch nicht verlassen hatte: Er war instinktiv in die richtige Richtung gerannt und wenn er weiter so lief dann war er in weniger als zwei Tagen in Waid.
Inzwischen war Gwedin auch jenseits von Schmerz. Er konnte gar nicht aufhören zu laufen, fürchtete gar, wenn er stehenbliebe dann würde auch sein Herz stehenbleiben. Er rannte einfach weiter und lauschte in den Wald hinter sich. Vögel hörte er keine aber er machte selbst auch zu viel Krach dafür. Seine Verfolger hörte er auch nicht immer, aber er konnte sie sehen. Dunkle Schemen mit hellem Licht dicht vor sich auf dem Boden. Mindestens eines hinter sich, manchmal tauchten welche links oder rechts von ihm auf. Sie hetzten ihn durch den Wald und schienen ein böses Vergnügen daran zu haben ihn weiter durch die Wildnis zu jagen.
Am nächsten Morgen brach er zusammen. Er hatte es geahnt und irgendwann war es auch so gekommen – sein Knöchel gab nach und er schlug der Länge nach hin und als er endlich, endlich nicht mehr lief ging ihm schlagartig die Luft aus und seine Beine verkrampften. Ein schwaches Wimmern entrang sich seiner Kehle und Gwedin starrte ängstlich in den dämmerigen Wald.
Wilde Moose bedeckten zolldick die Bäume und das Unterholz und dämpften jeden Laut. Gwedin hörte ein Knacken über sein eigenes abgehacktes Keuchen und ein silberner Schimmer blitzte kurz im Dunkeln zwischen der Baumgruppe auf. Ein Schwert? Er versuchte sich ein wenig aufzusetzen aber seine Arme gaben nach. Er war tagelang gerannt und sein Körper schrie regelrecht nach Ruhe. Verzweifelt versuchte er sich tiefer zwischen das Unterholz zu schieben, aber dann hörte er wieder dieses Schnüffeln. Es war ganz nahe und Gwedin drehte den Kopf um den Urheber zu sehen.

Er rannte. Er wusste es nicht aber sein Haar war weiß und schmutzig und er rannte wieder. Er hatte keine Ahnung wohin er rannte, er wusste auch nicht warum er rannte. Er wusste nicht einmal mehr wie er hieß. Gwedin hatte den Verstand verloren.
Das Heulen und das Fauchen war jetzt dichter hinter ihm und wann immer er die Richtung änderte hörte er das heulen aus einer anderen Richtung. Er rannte und er bemerkte gar nicht, dass er am frühen Abend durch Waid kam. Die Menschen zeigten sich nicht, die Häuser blieben verschlossen. Aber manch ein Augenpaar beobachtete den zerschlissenen Zwerg mit dem schmutzigen weißen Haar wie er schreiend und tobend den Ort durchquerte.
Gwedin lief weiter und immer weiter und plötzlich hörte er das Heulen vor sich und in dem winzigen Teil von ihm, der vielleicht noch ein Zwerg war, erkannte etwas dass es vollkommen sinnlos war. Er hatte den... den Dingen Vergnügen bereitet aber nun hatten sie sich entschlossen das Spiel zu beenden. Er blieb stehen, keuchte und sah sich mit irrem Blick um.
Schwarz, das war das erste was er erkannte. Es führte tatsächlich eine Waffe, aber es war kein Schwert, es war eine massive Kugel aus Metall mit langen Spitzen, die an einem langen Griff befestigt war. Sie schritt lautlos auf ihn zu und die Überreste von Gwedins Verstand sackten endlich gnädig in sich zusammen. Sein letzter Gedanke war "Drei", dann traf ihn der Morgenstern mit einer solchen Wucht auf der Stirn, dass der Schädel zerplatzte. Wilde Mäuler fielen über seinen Körper her aber Gwedin war längst ins Vergessen gegangen...

Rorek schreckte hoch und schüttelte den Traum ab. Er lag ein paar Augenblicke still, dann stemmte er sich in die Höhe. Wenn er schon wach war, dann konnte er genauso gut auch Wache schieben. Außerdem wollte er nicht mehr träumen.
Wahrscheinlich war es dieser schreckliche Tag gewesen. Sie hatten die Leiche eines Zwergen beerdigt und auch wenn Thurgrom darauf beharrte, so wussten sie nicht sicher, ob es Gwedin gewesen war. Keiner der Sucher hatte den Kopf entdecken können. Darum hatte Balin einen namenlosen Stein auf das Grab legen lassen und versprochen, zurückzukehren und den Namen des Zwerges eigenhändig einzumeißeln, sobald sie wüssten, welcher es sein musste. Damit war der Schrecken aber nicht vorbei gewesen.
Als sie am späten Abend endlich Waid erreicht hatten fanden sie nurmehr verkohlte Überreste vor. Waid war zerstört worden und es sah nicht so aus, als hätte es Überlebende gegeben. Der schwache Brandgeruch trotz der großen Feuchtigkeit verriet ihnen, dass keine drei Tage seit dem Brand vergangen sein mussten. Eines der Häuser war noch halbwegs stehen geblieben – eine erbärmliche Hütte deren Ost- und Nordwand dem Feuer irgendwie widerstanden hatte. Balin hatte seine Zwerge daher dort Schutz suchen lassen und für die Nacht eine doppelte Wache angeordnet.
Rorek stand leise auf und schlich an die Nordwand. Dort saßen Alrik und Balin und unterhielten sich leise. Vorsichtig pirschte sich Rorek näher heran. Er hatte die ganze Reise über noch nie gesehen, dass sich die beiden unterhalten, also war er neugierig.
"… ihnen erklären.", flüsterte Alrik und Balin schien den Kopf zu schütteln. "Nein, wir wissen es nicht. Der Schrecken der Tiefe ist nur eine Möglichkeit. Vielleicht waren es auch Drachen, Alrik. Nicht, dass ich das glaube, aber ich will nicht dass harte Zwerge plötzlich Kindergeschichten hören und dann verzagen. Du glaubst sie sind gut und ich gebe Dir recht, aber sie sind auch jung – so jung, Alrik! – ich glaube nicht, dass sie wirklich wissen, worauf sie sich da eingelassen haben."
"Meinst Du, Balin? Du hast ganz offen bezweifelt dass wir Gwedin gefunden haben. Und er ist ganz bestimmt Opfer eines bösen Wesens geworden, oder?" - " Natürlich ist er das. Das waren keine Wölfe. Wenn es denn Gwedin war."
Alrik schniefte und grummelte leise: "Natürlich war es Gwedin, erzähl' mir doch keinen Unsinn! Was soll das?"
Balin schwieg und Rorek dachte nach. Dann begriff er und sprang auf.

"Verzeiht, Meister Alrik, Meister Balin.", sagte Rorek und verbeugte sich leicht, "Ich konnte nicht schlafen und habe daher unfreiwillig Eure letzten Worte mit angehört."
Balin und Alrik sprangen auf. Bevor sie jedoch etwas sagen konnten verneigte sich Rorek tief vor Balin. "Meister Balin. Ich muss Euch um Verzeihung bitten. Ich habe bisher nicht verstanden – und wahrscheinlich auch jetzt nicht ganz. Aber eines habe ich ganz sicher verstanden. Ihr, Meister, seid klug und weise. Und ich habe es bislang an Respekt mangeln lassen, was ich nun sehr bedaure."
Balin lächelte. Er schüttelte den Kopf und wollte etwas sagen aber Rorek hob die Hand.
"Verzeiht, Meister. Das ist schon wieder ganz ungehörig, aber Ihr habt unrecht, wenn ihr Alrik etwas verschweigt. Darum will ich es Alrik erklären, auch wenn ihr es nicht erlaubt."
Er wandte sich an Alrik: "Alrik, Meister, Balin weiß genau, dass dies Gwedin war. Nur war Gwedin Svens Zweiter und wenn wir Gwedin hier gefunden haben dann bedeutet das nichts Gutes für unser Ziel. Es kann sein, dass alle tot sind und Gwedin hier einfach am weitesten kam. Das Dorf Waid hier spricht dafür. Aber, Meister, was soll sein wenn Gwedin ein Fahnenflüchtiger ist der seine Gemeinschaft im Stich gelassen hat und hier den unwürdigen Tod des Feiglings gestorben ist? Svens Sippe und die von Gwedin wären sicher nicht glücklich, das zu erfahren und für den König ist es allemal gut, sich der Freundschaft aller Zwergensippen zu versichern, wie Ihr mir heute morgen erklärt habt. Balin tut weit mehr als nur die Herzen seiner Krieger mit Zuversicht zu erfüllen. Er schützt seinen König für den Fall, dass er hier auf eine Fehlentscheidung stößt. Er beschützt seinen König – und das sollten wir alle tun."
Rorek warf einen kurzen Blick auf Balin und verneigte sich erneut, diesmal vor beiden.
"Bitte verzeiht meine Ungehörigkeit, aber ich habe dies alles erst jetzt verstanden – und ich wollte nicht, dass Ihr, Alrik, schlecht von Eurem König denkt. Ich werde mich zur anderen Wache gesellen."
Rorek wandte sich ab und hatte schon drei Schritte gemacht, als er Alrik wütend zischen hörte: "Warte, Du Narr!. Komm wieder her!"
Rorek folgte dem Befehl und verneigte sich erneut, allerdings wieder knapp. 'Wenn das so weitergeht habe ich morgen Kreuzweh.', dachte er.
Balin lächelte und sagte: "Du hast ganz recht – ganz verstanden hast Du es nicht. Aber ganz falsch war es auch nicht. Du hast einiges begriffen und ich bin auch ein bisschen verblüfft, dass ein junger Zwerg wie Du es schafft, klüger zu sein als ein alter und sicher weiser Zwerg wie Alrik hier. Du hast eine Dir Menge zusammengereimt, aber ich glaube kaum, dass Du verstanden hast, was dort im Wald auf uns lauert. Oder?"
Rorek schüttelte den Kopf.
Balin nickte und deutete mit dem Kinn auf Alrik. "Er auch nicht. Aber er hat Angst und das mit gutem Grund. Alrik, was glaubst Du hat diesen Zwergen – ob Gwedin oder nicht – nun getötet?"
Alrik schüttelte den Kopf.
Balin lächelte. "Natürlich wissen wir es nicht. Ich glaube, es war der Schrecken aus der Tiefe. Drachenhunde."
Rorek gab ein leises Quietschen von sich und unterdrückte es mühsam. Alrik starrte Balin mit Entsetzen an. Dieser lachte nur leise. "Hast Du die Bisswunden denn nicht erkannt? Das Feuer hier in Waid? Was glaubst Du, werden wir vorfinden? Ich sage Dir: Irgendwo gibt es immer Höhlen die so tief sind, dass nicht einmal die Zwerge sie kennen. Irgendwo gibt es immer einen Zugang zu dem was unsere Vorfahren einst die Unterwelt genannt haben – eine Welt ohne Tageslicht und doch voller Leben nur ist es fremd und böse. Dort unten sind die Kräfte anders – man wird leichter – und darum sind die normalen Wesen anders."
"Meister", warf Rorek zögernd ein, "Drachenhunde sind eine Legende."
Balin lachte laut. Rorek warf einen verstohlenen Blick auf die Hütte aber nichts rührte sich. Zumindest schien es so.
"Rorek, mein lieber Junge, Drachenhunde sind keine Legende. Sie sind da draußen, das darfst Du mir ruhig glauben. Und sie sind schlimmer als jede Legende. Und dennoch kann man sie töten."
Rorek kniff die Augen ein wenig zusammen. "Was sind sie?"
Balin hob die Schultern. "Kreaturen der Tiefe. Wir wissen nicht welchen Zweck sie in der Welt haben. Drachenhunde sind grausam und gnadenlos, aber sie scheinen Intelligenz zu besitzen. Wo sie einfallen gibt es keine Überlebenden, sagt man. Sie haben drei Köpfe und einer davon speit Feuer während die anderen ihre Gegner mit den Sünden ihres Lebens quälen, sagt man. Ich sage, sie jaulen nur. Sie führen gerne schwere Waffen mit sich, aber sie tragen nur ihr Fell als Rüstung. Sie sind schnell, aber sie jagen wie Raubtiere. Sie sind arrogant und habgierig und hungrig, immer hungrig. Sie riechen Beute auf Meilen über Meilen. Aber sie sehen sehr schlecht bei Tageslicht."
Alrik straffte sich und fragte: "Und Du hast schon einmal einen gesehen?"
Balin lächelte. "Mein Junge, ich habe schon einen getötet."
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Ein Zwerg, der trinkt und fällt dann um.
Beim Elfen ist es anders 'rum.

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Man muss als Zwerg das tun,
was die Riesen nicht können.

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Die Jagd - Kapitel 4

Beitrag von Durin » So 9. Okt 2016, 12:53

Kapitel 4
viele Gefallene – Eine tote Lichtung – Theredred trifft eine Entscheidung – keine Vögel – Zug nach Westen – Das merkwürdige Schicksal des Sven Fierless


"Eine Palisade wir nicht reichen, Theredred!" rief Deagin aufgebracht. Theredred nickte und sagte laut: "Ich weiß. Darum müssen wir sie verstärken, besser machen, gefährlicher machen. Eine Nacht wie diese dürfen wir nicht nochmal erleben. Wir brauchen kleine Wachtürme und wir brauchen andere Waffen. Ein Heer von Zwergen wäre auch nicht schlecht.", fügte er hinzu und Gelächter flackerte auf. Es war kein fröhliches Gelächter, aber wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung.
In der vergangen Nacht war nicht mehr passiert, aber dennoch blieben ihnen der Verlust von drei weiteren Zwergen. Theredred blickte über die kleine Volksmenge und war sich der Verluste schmerzlich bewusst. Ihre Zahl schmolz.
Noch dazu war der Nebel immer noch da. Obwohl es auf die dritte Morgenstunde zuging war der Nebel nicht verschwunden. Das war ein völlig unnatürliches Verhalten und Theredred spürte die Besorgnis, die alle erfasst hatte. Daher war es wichtig, dass sie etwas zu tun bekamen – und wenn es nur die Verstärkung dieser vielleicht unnützen Palisade war.
Sie stritten noch ein paar Augenblicke über die richtige Vorgehensweise und Theredred übertrug Ordlin und Ingam die Planung und Ausführung der baulichen Verbesserungen. Harok sollte mit seinen Leuten den Holzfällertrupp absichern. Mehr konnte Theredred nicht tun – alle hatten ihre Aufgabe und Theredred starrte, nachdem die Versammlung sich aufgelöst hatte in das milchige Licht der durch den Nebel gedämpften Sonne.
Alle Zwerge hatten etwas zu tun – Theredred hingegen konnte sich nun nur die Fortschritte ansehen und hin und wieder selbst mit Hand anlegen. Und natürlich die Last der Verantwortung tragen. Anführer zu sein bedeutete auch, ständig über seine Entscheidungen nachgrübeln zu müssen, hatte er herausgefunden.
War es eine kluge Sache, die Zwerge zusammenzuhalten und den Ort zu verteidigen bis – falls! – Entsatz eintraf? Hätten sie gemeinsam fortgehen sollen? Einen Ort finden, den sie besser verteidigen konnten? Nördlich des Waldes lagen die Hexensümpfe, diese Region schied eindeutig aus. Westlich aber lagen die westlichen Eisenberge und vier Tagesreisen durch unwegsames Gelände hindurch würden sie auf die Straße nach Hohenstadt führen. Die kam durch die Festung Roßtal und dort wären sie sicher. Sie konnten sich sogar ein wenig südlich halten und nach Bärenberg gehen. Dort lebten Menschen und Zwerge zusammen und bewirtschafteten einen Steinbruch und ein paar Almweiden.
Aber Bärenberg war in einer Kluft errichtet worden und ließ sich daher gut verteidigen. Vor allem lag es wesentlich näher als die Festung Roßtal. Wahrscheinlich waren aber keine Soldaten dort.
Nur wie sollten sie die Tage durch den Wald überleben? Jede Nacht wäre ein Kampf um Leben und Tod und die Kreaturen konnten jederzeit zuschlagen. Hier hatten sie sich bereits verteidigt und vielleicht fanden sie hier eine Lösung um die Wesen zu bezwingen. Wer sagte denn, dass diese nicht über die Eisenberge gekommen waren? Theredred bemerkte, dass er an sich selbst zu zweifeln begann und schüttelte sich mit grimmiger Miene. Er sprang auf und begann hin und her zu laufen bis ihm klar wurde, wie albern das war.
Theredred machte sich zum Tor auf. Er musste mit Ordlin sprechen. Er war vielleicht alt und zaghaft, aber Ordlin war klug und vielleicht hatte er eine gute Idee. Er versuchte sich in dem weißen Nebel zu orientieren als er unvermutet Hilfe dabei bekam.
Schlachtenlärm.

Als Theredred das Tor passierte war es noch nicht vorbei. Aus dem Nebel schälte sich ein einzelner Zwerg, der schreiend und mit den Armen wedelnd auf das Tor zu rannte. Theredred hob seinerseits die Arme um den armen Tropf aufzuhalten als ein dunkler Schatten hinter ihm landete und mit einem schrecklichen Reißen die Gestalt des Zwerges zerteilte.
Theredred blieb wie angewurzelt stehen und dann reagierte sein Körper bevor sein Verstand das Bild richtig verarbeitet hatte. Mit einer einzigen fließenden Bewegung zog er sein kümmerliches Messer und schleuderte es auf den Schatten.
Er traf und zischend fuhr die Kreatur zurück. Theredred hatte nun keine vernünftige Waffe mehr bei sich, nicht einmal ein Holzfällerbeil. Aber der tote Zwerg hatte vielleicht eines. Er duckte sich und tastete auf der Wiese nach einem weiteren Wurfgeschoss. Schließlich fand er etwas, nur ein Kiesel aber er würde genügen müssen und Theredred warf den Stein mit aller Kraft.
Mit einem deutlichen 'Boing' prallte der Stein vom Kopf der Gestalt ab und sie taumelte. Das war alles, was er brauchte. Er rannte los zu der Stelle, an der er die untere Hälfte des toten Zwerges vermutete und behielt damit Recht; Allerdings verschätzte er sich und fiel über den Toten.
Panisch griff er nach dem Beil im Gürtel des Zwerges und zerrte daran. Die Kreatur hatte sich erholt und inzwischen wohl auch herausbekommen, wo er war, denn sie stampfte mit einem wütenden Knurren auf ihn zu. Theredred murmelte Verwünschungen und riss verzweifelt an dem verkeilten Werkzeug. Schließlich gab der Gürtel nach und er hielt das kleine Beil in der Hand.
Theredred gedachte seiner Vorfahren und richtete sich auf, als das Wesen näher kam. Er schwang prüfend das Beil das sich gut in der Hand anfühlte, ein gutes Werkzeug und vielleicht auch eine gute Waffe war. Das Wesen kam Näher und und Theredred ließ seine Stimme erschallen als wären tausend Zwerge hinter ihm und er ein Kriegsfürst und kein Holzfäller. Dann hob er die Waffe und stürmte auf seinen Feind zu.
Der Nebel trug den Schall und Theredreds Rufe "Durin! Durin!" ließen manche der fliehenden innehalten. Die Zaghaften fassten ein wenig Mut, die Mutigen ergriff der Zorn. Sie packte ihre Speere, ihre Beile und ihre kümmerlichen Messer und wandten sich den Unheimlichen zu.
Theredred selbst war in einen wilden Kampf mit der Kreatur verstrickt. Sie führte einen großen Hammer mit dem sie nach ihm schlug und er brachte sich mit einem verzweifelten Sprung in Sicherheit. Das Wesen schüttelte den Umhang ab den es benutzt hatte um seine Umrisse zu verbergen und trotz des Nebels konnte Theredred den Feind erstmals sehen.
Es war gute zwei Meter groß, vielleicht sogar größer. Kräftige, fellbedeckte Beine gingen in einen großen Rumpf über, der ebenfalls nur von Fell und nicht von Kleidung bedeckt war. Das Wesen hatte sechs Gliedmaßen. Und – Theredred musste zweimal hinsehen – drei Köpfe.
Der rechte Kopf der Kreatur gab ein Zischen von sich und sah ihn direkt an. Der mittlere Kopf wirkte ruhiger aber noch wilder. Eine Flamme glühte im Maul statt einer Zunge. Eine solche ließ der dritte Kopf heraushängen.
'Drachenhunde!', dachte Theredred und plötzlich flog aus dem Nebel ein Speer herbei und traf die Kreatur in den Rücken. Theredred schwang sein Beil und brüllte: "Baruk khazâd ai-mênu!" Dann schlug er die Klinge tief in den Hals der Kreatur. Sie brüllte und Theredred stemmt sich gegen ihren Körper um das Beil zu befreien. Dann tauchte er unter einem fahrigen Hieb einer Hand weg und schlug erneut zu. Diesmal spaltete er den mittleren Schädel.
Innerlich frohlockte er. 'Wir können gewinnen!'

Als die Kreaturen verschwanden lichtete sich der Nebel so rasch, dass die Zwerge argwöhnisch blinzelten. Theredred keuchte und warf das blutbesudelte Beil ins Gras. Der Kampf hatte vielleicht zwei Stunden gedauert, aber er war müde wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Den ersten Drachenhund hatte er mit vielen kleinen Hieben zur Strecke gebracht, beim zweiten hatte er dann Hilfe erhalten. Mit ihren Speeren und Spießen, mit Beilen und Messern – selbst mit bloßen Fäusten waren die Zwerge auf ihren Feind eingestürmt. 'Wenn wir überleben sollte das in den Hallen besungen werden.', dachte Theredred.
Als seine Augen sich an das Sonnenlicht gewöhnt hatten erkannte er allerdings, dass von vielen nurmehr die Lieder heimkehren würden. Sie hatten gekämpft gegen einen Feind der immer erst auftauchte wenn er zuschlug und ansonsten verborgen schien, der mit Angst und Nebel üble Hexerei betrieb und auch die Unverzagten entmutigen konnte. Der schreckliche Waffen führte und sogar Feuer zu speien vermochte.
Die Wiese war zum Schlachtfeld geworden. Sie war übersät mit den Körpern der Gefallenen. Es waren nicht wenige Drachenhunde darunter aber viele, viel zu viele Zwerge! Theredred stapfte langsam zwischen den Gefallenen hindurch und bückte sich hier und da um Augen zu öffnen die mancher vielleicht im Schrecken geschlossen hatte als er starb. Ein Zwerg sollte dem Tod immer offenen Auges entgegentreten denn nur so konnte er seine Ahnen sehen wenn er die Hallen der Väter betrat.
Eine Weile befürchtete er, der einzige zu sein der noch lebte, aber dann fand er Ingam, der noch lebte. Theredred hatte nicht einmal Wasser und so bettete er den Kopf des Holzfällers auf seinem Schoß und bemühte sich, den zerschmetterten Arm nicht anzusehen.
Ordlin kam angelaufen und Theredred hob den tränenverschleierten Blick und sagte: "Er starb ohne einen Ton zu sagen, Ordlin. Einfach so. Und warum? Weil ich unbedingt hier bleiben wollte."
Ordlin nahm ihm den Körper ab und bette ihn sanft ins Gras. Ingam hatte einen friedvollen Ausdruck im Gesicht und Ordlin nickte ihm zu. "Tan matu selek lanun naman, mein Freund.", sagte er, "Rasup gâmut."
Dann wandte er sich Theredred zu. "Ja, Theredred. Es ist eine Verschwendung aber wohl kaum Deine Schuld. Es war eine Schlacht und viele sind gefallen. Aber wir haben sie besiegt. Sie sind geflohen und der Nebel ist fort."
Theredred stand auf und wies auf die blutige Schlammwüste von Wiese um sie. "Ist das etwa ein Sieg? Wie viele leben noch, Ordlin?" Ordlin hob die Schultern. "Das weiß ich nicht, Theredred. Wir werden sehen. Was sollen wir sonst tun?"
Theredred stieß ein heißeres Lachen aus. "Was wir tun sollen? Wir sollten Lieder dichten über die Zwerge die gefallen sind und ihnen ein anständiges Begräbnis zuteil werden lassen. Das sollen wir tun. Das sind wir ihnen schuldig. Aber wir sind nur zu zweit und auch wenn wir die Biester vertrieben haben so werden sie bald zurückkommen, und das in Scharen. Bis dahin werden wir nicht fertig."
Ordlin sah ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. Dann fragte er: "Theredred, meinst Du Deine Pflicht gilt zuallererst den Toten? Oder doch den noch Lebenden?" Der angesprochene schnaubte bitter und wies anklagend wieder auf die Wiese und den Wald dahinter. "Wir sind doch schon tot, Ordlin. Wir haben es nur noch nicht verstanden. Und unsere Kameraden verdienen mehr als auf einem Schlachtfeld von den Krähen zerhackt zu werden."
Ordlin sah versonnen über die Lichtung und die Berge, die sich im Osten hinter dem Wald erhoben. Dann nickte er widerwillig und sie machten sich an die Arbeit.

Insgesamt waren sie neun. Neun Zwerge von ehemals über einhundert, die auf der Lichtung der Drachenhunde standen und in den Sonnenuntergang blinzelten. Sie hatten behelfsmäßige Gräber geschaffen und die Toten mit so viel Würde, wie es unter der gegebenen Hast möglich war. Stein hatten sie natürlich nicht zur Verfügung aber Holz und so hatten sie Teile der Palisade, die sie alle am Leben erhalten sollte, in die Gräber derer verwandelt, die für sie ihr Leben gelassen hatten.
Theredred stand mit gesenktem Kopf vor den Toten und sagte nichts. Ordlin sah in den Gesichtern der anderen – keiner war ernsthaft verletzt, alle aber ebenso erschöpft wie er selbst – Angst und Resignation, aber auch ein wenig Mut und Entschlossenheit. Sie waren bereit sich dem Ende zu stellen.
Ordlin brach die Stille und sagte: "Theredred, hör mir zu." Sie starrten ihn alle an und Theredred musterte ihn schweigend. Ordlin räusperte sich und sagte: "Du bist unser Anführer, Theredred. Das bezweifelt niemand. Wir wussten nicht dass die Drachenhunde auch bei Tag jagen, niemand wusste das. Sie sind Geschöpfe aus Kindermärchen und Sagen. Wer kann schon sagen wie diese Geschöpfe wirklich sind? Aber wir – Neun an der Zahl und das ist keine schlechte Zahl, glaub' mir – wir leben und Du bist nach wie vor unser Anführer. Also sag uns was wir tun sollen."
Theredred wies auf den dunklen Wald. Als die Schatten länger wurden und sich langsam auf die geplünderte Palisade zu bewegten hielten manche das für ein schlechtes Omen. "Wohin sollen wir schon gehen? In unser Grab, Ordlin. Heute Nacht kommen sie wieder und dann werden wir kämpfen, damit sich unsere Väter nicht schämen müssen – aber wir werden nicht überleben."
Harok trat einen halben Schritt vor und rief: "Was ist nur in diesem verfluchten Wald los, dass er aus den Anführern zagende Hasenherzen macht? Sven war ein Feigling und Du, Theredred, willst nun auch diesen Weg beschreiten. Du willst Dich hinlegen und sterben? Bitte, Stirb auf Deine Weise. Ich aber sage: Wir sind noch nicht tot und wir können ihnen vielleicht ein Schnippchen schlagen. Wir sind vielleicht nur noch Neun, aber wir sind so auch ein kleineres Ziel. Wenn wir nun in den Wald fliehen müssen sie erst unsere Fährte aufnehmen und uns jagen. Und wir sind die Beute die sich eine kluge Stelle auswählt und den Jäger jagen wird."
Theredred drehte sich abrupt weg und starrte in den Wald. Ordlin wechselte einen verwunderten Blick mit Harok und fragte dann: "Theredred?" Der drehte sich wieder herum und sagte: "Seid Ihr alle dieser Meinung?" Sie nickten ausnahmslos. Theredred lächelte. Zwar bitter aber immerhin. "Dann will ich Euch weiter führen. Wir brauchen vier Tage bis zur Straße in den westlichen Eisenbergen. Wir könnten natürlich auch nach Osten gehen auf die Heimstätten unseres Königs zu aber dann wären wir wenigstens zwei Tage länger im Wald und das erscheint mir riskanter. Was meinst Du, Ordlin: Sollen wir zur Roßtal-Feste gehen oder nach Bärenberg?"
"Bärenberg", antwortete Ordlin prompt und Theredred stutzte. "Und warum?", erkundigte er sich. Ordlin grinste ihn schwach an. "Du hast Dir doch schon den ganzen Tag den Kopf darüber zerbrochen, oder? Bärenberg ist halbwegs sicher und vor allem ist es näher. Uns steht eine weite Wanderung, vielleicht sogar eine Flucht bevor und wir werden nur sehr wenig Proviant dabei haben können. Daher ist das nähere Ziel auch das logische."
Theredred nickte. "Und wenn wir dem Dorf das Unheil mitbringen?"
Ordlin hob die Schultern. "Ein guter Einwand. Aber vielleicht sind die Bärenberger ja bewaffnet. Zumindest können wir uns dort mit Proviant eindecken." Theredred nickte. "Ja, vielleicht. Dennoch denken wir da nur an uns und nicht an die Zwerge, die wir in Gefahr bringen."
Er starrte einen Moment in den Himmel.
"Gut. Ich werde es mir überlegen. Heute Nacht sollten wir Schutz suchen. Daher nehmt ein paar der Stämme aus der Palisade und macht ein Floß daraus. Wir werden damit auf den See hinaus schwimmen und dort ruhen. Vielleicht verwischen wir so unsere Spuren. Ordlin, ich möchte mit Dir sprechen."

"Was beim Barte der Väter ist denn hier passiert?", fragte Rorek als Balins Truppe den Wald endlich hinter sich ließ und die große Lichtung betrat.
Auf der Wiese befanden sich direkt neben dem kleinen See die Überreste einer Palisade. Sie waren teilweise geschwärzt, teilweise abgebrochen. Die Wiese selbst zeigte schlammige Überbleibsel von viel Bewegung die auf einen Kampf hindeuteten.
Auf ein Zeichen Balins zogen die Zwerge ihre Schwerter, setzten ihre Helme auf und schnallten die Schilde vom Rücken. Dann trabten fünf Mann in südliche Richtung, fünf in nördliche und der Rest drang in Richtung Zentrum vor.
Rorek hielt sich hinter Alrik und und bemühte sich, keine Nervosität zu zeigen. Es war für ihn das erste Mal dass er jenseits des Trainings einen Helm tragen musste und er war überrascht, wie sehr ihm das Augenvisier das Blickfeld einengte. Der Helm den er trug stammte noch von seinem Onkel Durak, der als Schmied in Grauroth arbeitete. Er hatte Helm, Schwert und Panzer aufgegeben als er zum Schmied wurde und als Rorek von Durin selbst für dieses kleine Abenteuer ausgewählt wurde gab ihm der alte Schmied gerührt seine Ausrüstung. Er hatte zufällig seine Verwandten besucht. Allerdings hatte Rorek nur der Helm gepasst, daher war der Panzer als Aushängeschild vor der Schmiede gelandet, obwohl er gar nicht von Durak stammte.
Alrik und Balin hatten ihm viele Geschichten über die Drachenhunde erzählt und auch einige der Legenden der Menschen. Das hatte wiederum dazu geführt dass sich Rorek ein wenig mehr von den Monstern fürchtete als es vielleicht angemessen war – schließlich hatte Balin aus genau diesem Grunde nichts gegenüber den anderen Kämpfern verlauten lassen.
Sie kamen in der Mitte der ehemaligen Siedlung an. Hier hatte offenbar ein wüster Kampf getobt und es wurde auch klar ersichtlich gegen wen. Jemand hatte den Leichnam eines der Monster an ein großes hölzernes Gerüst genagelt. Jedes der sechs Gliedmaßen war an einer Querstrebe befestigt und als Rorek die Kreatur sah fand er sie noch hässlicher, als sie den Beschreibungen nach sein sollte.
Wie zur Abschreckung schien die Kreatur jeden Eindringling aufzuhalten und vor einem Betreten dieses verfluchten Ortes zu warnen. Balin blieb davor stehen und musterte die Konstruktion.
"Das waren Zwerge. Sehr Ihr den Scheiterhaufen davor? Da haben sie die anderen verbrannt. Es sollte die Drachenhunde vor den Zwergen warnen. Ich frage mich, ob es was genutzt hat."
Er hielt einen Moment inne. Dann steckte er seine Waffe in die Scheide und befahl: "Alrik, nimm Dir Rorek und Cadrix mit und sucht nach Aufzeichnungen oder Spuren. Borim und Gorm, Ihr geht nach Norden, sagt Dern und seinen Mannen Bescheid und sucht dort nach Spuren. Vielleicht findet Ihr heraus wohin die Überlebenden gegangen sind. Kazran, Mordin – Ihr macht das Gleiche, aber im Süden. Der Rest von Euch bewacht die Gegend – wer weiß wo sich die Drachenhunde gerade aufhalten. Thurgrom, Du kommst mit mir zum See – ich möchte mir das Ufer ansehen. Los jetzt."
Die Angesprochenen nickten willig und verteilten sich um ihren Aufgaben nachzukommen. Rorek folgte Alrik in das Innere der Palisadenreste. Dort fanden sie rasch die frischen Gräber der Gefallenen. Rorek stöhnte leise. "So viele!" Alrik nickte und senkte dann den Kopf. Rorek zählte die Gräber rasch durch und verglich dies mit der Zahl der hier lebenden Zwerge. Dann sagte er zu Alrik: "Wenn Balin recht hat dann müssen hier noch wenigstens zwanzig sein. Vielleicht sogar mehr. Wo können die alle nur sein?"
Alrik deutete auf einen kleinen Steinhaufen am Ende der Grabkette. Alle Gräber waren aus Holz errichtet worden denn Steine hatten die Überlebenden wohl nicht mehr zur Verfügung gehabt. Eines der Gräber aber war nur ausgehoben, nicht aber geschlossen worden. Stattdessen hatte man dort einen Steinhaufen davor gelegt.
Cadrix und Rorek näherten sich dem Haufen und selbst der sonst stets zu einen Scherz aufgelegte Cadrix schien ungewöhnlich schweigsam. Sie wussten beide was diese Anordnung zu bedeuten hatte: Das offene Grab stand für die verlorene Siedlung und all jene, deren Körper niemand mehr bestatten konnte. Auf jedem Holzgrab befanden sich Runen, die den Namen des Gefallenen enthielt sowie ein oder zwei Worte über seine Tapferkeit im Kampf oder einen anderen Vorzug. Auf dem Steinhaufen stand ein einziges Wort: "Cerberus"
Cadrix nahm den lockeren Stein unter dem Schild fort und griff in den Hohlraum dahinter. Er fand eine Pergamentrolle und nickte Rorek zu. "Das ist alles, was wir suchen.", sagte er, "lass uns zu Alrik zurückgehen".
Alrik las die Rolle relativ schnell durch und nickte dann den beiden zu. "Gut gemacht. Wir sollten Balin informieren. Ich denke, das wird alle interessieren."
Auch Balin las die Rolle schnell und seine Miene wurde dabei immer verschlossener. Er warf Thurgrom einen Seitenblick zu und sagte dann: "Ihr habt Recht, das sollten alle erfahren. Ruft sie mir zusammen. Aber lasst mich vorher eine halbe Stunde allein. Alle."

Wenig später versammelten sich die Zwerge in der ehemaligen Siedlung. Es war die zweite Mittagsstunde, schätzte Rorek, und sie hatten noch gute sechs Stunden Tageslicht. Damit ließ sich ein weiter Weg schaffen, nur stellte sich die Frage wohin er sie führen sollte.
Balin jedoch schien alle Zeit der Welt zu haben. Er blickte über seine Mannen und fragte dann: "Dern – was habt Ihr herausgefunden?" Dern trat vor und berichtete. Sie hatten Anzeichen für einen großen Kampf entdeckt, sagte er. "Das wird wohl auch kaum jemandem entgangen sein. Aus den Spuren schließe ich, dass es Drachenhunde in großer Zahl waren, die über die Zwerge hier hergefallen sind. Das Ganze ist wenigstens zwei Tage her."
Balin nickte. "Danke. Ortosch, was gibt es aus dem Süden zu berichten?"
Der Angesprochene trat vor uns rief: "Mein Herr Balin, sie sind nicht aus dem Süden gekommen und auch nicht in den Süden gegangen. Es gibt keine Spuren die aus dem Lager in den Süden oder Osten führen. Auch im Westen haben wir keine gesehen, allerdings können wir dort einiges übersehen haben denn dort ist der Boden verbrannt und seltsam trocken."
Balin nickte ihm zu und sprach dann selbst: "Wie Ihr alle inzwischen wisst wurde die Siedlung von Drachenhunden ausgelöscht. Das gilt auch für die Siedlung Waid durch die wir kamen – es muss also eine große Gruppe dieser Wesen hierher vorgedrungen sein. Sie haben die Siedlung hier ebenfalls überfallen – vor drei Tagen. Alrik hat die Nachrichten der Überlebenden gefunden und wird sie nun vortragen."
Alrik trat vor, wandte sich allen Zwergen zu und las mit tiefer und tragender Stimme:
"Dies sind die Aufzeichnungen Theredreds, dem Sohn des Snorri und letzten Führer der Schar der Verlorenen im Jahr 31 des zweiten Zeitalters, der berichtet wie die Siedlung der Zwerge Durins in ihrem eigenen Wald durch schändlichen Verrat und ein großes Unheil aus dem Norden fiel.
Alles begann als Fundin, Balins Sohn welcher als Kundschafter und Jäger im Auftrag Svens, genannt Sven Fierless, unterwegs war, zurück kam und in meinem Armen verstarb, nicht ohne uns über ein großes Unheil im Wald Zeugnis abzulegen. Sven Hasenfuß packte daraufhin das Grauen und nur mit seinem engsten Gefährten verließ er voller Angst seine Mannen. Er übergab das Lager der Führung von Gwedin, der jedoch nach einhelliger Ansicht als Anführer ebenso wenig taugte.
So nahm ich es auf mich, dass wir uns der Gefahr stellten. Wir hatten keine Waffen und nun wenn ich dies schreibe so wird mir bewusst, dass wir einen großen Fehler machten, als ich beschloss, hier zu bleiben und zu verteidigen was wir so mühsam erschaffen hatten.
Mit dem Nebel kamen die Drachen. Wir verloren in der darauffolgenden Nacht einige Zwerge, nämlich Fadmaschosch, Harbosch, und Roglosch. Auch am nächsten Tag verzog sich der Nebel nicht und im Schutz der weißen Wolke griffen uns die Drachenhunde in großer Zahl an. Sie vernichteten viele und nur neun entkamen ihnen, auch wenn wir manche von ihnen töten konnten. Für diese Nacht habe ich die Überlebenden auf ein Floß auf den See geschickt und sitze nun hier zwischen den Gräbern derer, die mir vertrauten. Doch der Feind scheint nicht zu kommen.
Die Taten meiner Zwerge verdienen das höchste Lob und doch kann ihnen niemand mehr gerecht werden. Nun wo der Tag dämmert muss ich zu einer Entscheidung gelangen. Nach Rothsee kann ich die Männer nicht führen denn der Wald und das Zwielicht sind mit dem Feind verbündet. Im Norden lauert ebenso der Tod und die Festung Roßtal ist weit. Doch nun werde ich in der Hoffnung keinen zweiten Fehler zu machen die verbliebenen Acht nach Bärenberg bringen. Dort sollten wir Hilfe und Proviant und vielleicht auch genug Verteidigung vorfinden um uns zu halten.
Sollte diese Nachricht dereinst meinen König erreichen so möge er über mich richten.
Theredred, Snorris Sohn.
"

Alrik schwieg und einen Moment lang sagte niemand etwas. Dann brauste Thurgrom auf: "Sie haben also Gwedin einfach den Wölfen zum Fraß vorgeworfen!" Balin hob die Hand doch musste Ulther Thurgrom erst die Hand auf den Brustpanzer legen um ihn ein wenig zu beruhigen. "Ich wusste, dass Dich das treffen würde, Thurgrom. Und auch ich habe nun Kunde dass mein eigener Sohn nicht mehr lebt.
Als ich sein Grab besuchte schwor ich mir die Bestien zu töten, die ihn auf dem Gewissen haben. Wir wissen nun, dass Theredred und die Überlebenden einen Vorsprung von ungefähr zwei Tagen haben und dass sie nach Nordwesten gegangen sind um das Dorf Bärenberg zu erreichen. Thurgrom – was sagen Deine scharfen Augen über den Wald im Nordwesten?"
Thurgrom und praktisch alle anderen blickten nach Nordwesten. Das Gelände stieg leicht an und der Wald erhob sich nach und nach um dann zum Gebirge hin zu ragen, dessen majestätische Spätzen sich blau im Hintergrund erhoben. Dort im Wald war allerdings ein dichter Nebel zu erkennen.
Rorek erbleichte als er begriff was das bedeutete und Balin nickte grimmig. Er zog sein Schwert und sagte: "Ja – jetzt ist es eine Jagd."

Theredred musterte den Pfad, den sie vor einer guten Stunde entdeckt hatten. Er war offensichtlich von Wildsauen gemacht worden und führte schnurgerade nach Westen. Keine zehn Augenblicke zuvor hatte Harok den Nebel hinter ihnen ausgemacht und nun waren sie auf der Flucht.
Den ersten Tag waren sie weit gewandert und hatten nach über zehn Wegstunden erst eine knappe Pause eingelegt. Aber der Wald war unheimlich geworden, schweigsam, still. Keine Vögel hatten gesungen und Theredred hatte sich kurz mit Ordlin und Harok besprochen bevor sie weiterzogen. Sie trauten der Stille nicht.
In der ersten Nacht schliefen sie – für Zwerge überaus ungewohnt – auf einer großen Eiche deren untere Äste sie abschlugen und sich dann mit einem Seil hinaufzogen. Das zumindest hatte ihnen eine weitere Nacht geschenkt. Der zweite Tag war dann voller Entbehrungen gewesen – das schmale Proviant war aufgebraucht und als sie sich an einem kleinen Bach stärken wollten schmeckte das Wasser bitter und war ungenießbar.
Die neun Zwerge wurden grimmig und wortkarg. Der nächste Bach war weitaus angenehmer gewesen aber das Dickicht wurde immer dichter und sie kamen nur sehr langsam vorwärts. Hätte er es nicht gewusst so war Theredred spätestens jetzt bewusst warum das Volk der Zwerge und jenes der Menschen – ja, selbst die Elfen deren innerstes Interesse und Streben ja dem Erhalt der Natur gewidmet war – durch selbige Straßen bauten.
Sie wichen immer wieder vom Weg ab und mussten große Umwege laufen um kleine Moore und unpassierbare Wäldchen zu umgehen. In der zweiten Nacht schließlich betteten sie sich auf einer Insel in einem Tümpel in der Hoffnung, dass das Wasser mögliche schnüffelnde Verfolger abschüttelte. Feuer machten sie keines um niemanden anzulocken.
Keine Grillen zirpten, keine Vögel pfiffen. Selbst Rehe und Hirsche schienen sich zurückzuhalten und zu lauern. Es gab keine Geräusche und die andauernde Stille begann an ihren Nerven zu zerren.
Nun am dritten Tag begann das Gelände anzusteigen und kaum hatten sie das erste Mal eine Möglichkeit gehabt hinter sich zu blicken hatten sie den Nebel entdeckt, der ihnen folgte. Seither bewegten sie sich schneller und Theredred spielte mit dem Gedanken sie alle die Nacht hindurch laufen zu lassen. Denn der Nebel konnte sie jederzeit einholen. Und mit dem Nebel, da kommen die Drachen.
Theredred gab den anderen einen Wink und sie packten ihre Speere fester und liefen los. Solange der Pfad nach Westen führte wollten sie versuchen ihm zu folgen. Was danach kam wusste niemand denn es gab keine Straße nach Bärenberg.
Sie liefen etwa eine Stunde weiter, dann endete der Pfad ziemlich abrupt in einer Dornenhecke. Theredred versuchte nicht, seinen Mannen Einhalt zu gebieten als diese sich auf die Brombeeren stürzten sondern wich ein wenig von dem Dickicht zurück und begann auf einen der Bäume zu klettern. Er hatte Hunger, natürlich, aber er hatte noch mehr ein schleichendes Gefühl von Bedrohung.
Elfen sagen ja dass Zwerge zu ungeschickt seien um auf Bäume zu klettern – das stimmt allerdings nicht. Sie machen es einfach nur selten. Theredred kam problemlos den Baum hinauf – eine alte Fichte – und betrachtete die Umgebung.
Hinter ihnen dräute der Nebel, vor ihnen lag das Gebirge. Ein wenig links auf etwa 11 Uhr konnte Theredred den großen Einschnitt erkennen, der unter den Menschen der Gegend auch unter dem Namen "Jungfernstieg" bekannt war. Dort lag ihr Ziel. Theredred schätzte die Entfernung auf ungefähr fünfzehn Wegstunden, vielleicht zwanzig.
Ein weiter Weg. Zumindest wenn sie noch einmal anhielten. Er blickte zum Nebel zurück und versuchte sie Strecke abzuschätzen. Wenn der Nebel wirklich für die Kreaturen stand, so waren diese höchstens acht Stunden hinter ihnen. Es bliebt ihnen keine Zeit.
Theredred begann den Baum hinunter zu steigen. Nun würden sie rennen müssen. Komme was da wolle.

Sechzehn Stunden später stand Theredred vor dem Jungfernstieg. Er keuchte und ließ müde seinen Speer sinken. Stunden über Stunden waren sie gelaufen, nicht immer gerannt, aber doch meistens schnell gegangen.
Dennoch war der Nebel stetig näher gekommen. Theredred schätzte dass der Feind vielleicht nur noch gute fünf Stunden entfernt war. Die anderen Zwerge waren ebenfalls am Rande des Waldes angekommen.
Harok trat vor und blickte auf den Steg. "Da wollen wir hin?", fragte er. Theredred nickte. "Ja. Wir haben noch eine Stunde, höchstens zwei vor uns. Das Dorf liegt in dem Spalt da, den die Menschen den Jungfernstieg nennen." - "Und warum nennen sie ihn so?" Theredred hob die Schultern. "Das weiß ich nicht."
Ordlin schnaufte und sagte dann: "Ich werde Euch die Geschichte heute Abend erzählen wenn wir bei einem heißen Met am Lagerfeuer sitzen. Lass' einen alten Zwerg eine kleine Pause machen, Theredred. Ich bin erschöpft. Wir rennen seit fast zwanzig Stunden durch die Landschaft und wenn es noch länger so geht werde ich einfach tot umfallen."
Lächelnd hob Theredred die Schultern. "Zwanzig? Ich komme auf sechzehn, alter Mann. Wir haben noch einen Vorsprung von ungefähr fünf Stunden. Ich glaube, eine halbe Stunde können wir Dir geben, Ordlin. Aber nicht mehr."
Sie lagerten am Waldrand und Theredred legte sich an einen Baum und starrte auf das vor ihm liegende Gebirge. Es versinnbildlichte für ihn die Hoffnung. Heimat. Zwerge waren Geschöpfe der Berge, die fühlten sich von Fels umgeben einfach am wohlsten und das galt auch für ihn. Sein Talent, Holz in Balken und Bretter zu spleißen war natürlich für Holzarbeiten praktisch aber sein Herz gehörte dem Fels. Bald würden sie dort sein und Theredred schloss für ein paar Augenblicke die Augen.
"Theredred? Da kommt jemand!", zischte es nur Sekunden später neben seinem Ohr. Theredred brauchte einige Augenblicke um wieder zu Bewusstsein zu kommen. Es hatte nur Sekunden gedauert aber er war fest eingeschlafen. Er rappelte sich auf und spähte auf die sich nähernde Gestalt.
Es war ein Zwerg, so viel stand fest. Und er war nicht sonderlich aufmerksam, auch das stand fest, denn er hatte sie noch nicht gesehen. Theredred kniff die Augen zusammen und fragte dann leise: "Harok, erkennst Du ihn?" Harok nickte.
Theredred gab den anderen einen Wink und sie liefen los – Ordlin fiel ein wenig zurück. Der Zwerg vor ihnen blieb plötzlich stehen und schien sich schon zur Flucht wenden zu wollen aber Theredred winkte und rief laut: "Hey, warte!" und so blieb er stehen. Mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck wandte sich der Zwerg zu den auf ihn zu laufenden Kameraden um und fragte erstaunt: "Was in Friggs Namen macht Ihr denn hier?"

"Wir hätten nicht einfach gehen sollen.", maulte Furlan und Sven verdrehte sie Augen. Seit zwei Tagen waren sie nun unterwegs und langsam begann Sven sich zu fragen was er sich dabei gedacht hatte ausgerechnet Furlan mitzunehmen. Gwedin war auch eine Nervensäge aber wenigstens war er eher ein typischer Ja-Sager. Kaum war das Lager in der Nacht hinter ihnen zurückgeblieben hatte Furlan angefangen an der Entscheidung Svens herumzumäkeln.
Sven hingegen war der festen Überzeugung, richtig gehandelt zu haben. Er hatte gleich begriffen dass das Lager so keine Chance haben würde, nicht ohne militärische Unterstützung. Sven sah keinen Sinn darin, sein Leben völlig sinnlos zu opfern. Stattdessen wollte er auf dem schnellsten Weg militärische Unterstützung organisieren und wenigstens die bisherigen Leistungen seinerseits gewürdigt wissen. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn er versucht hätte die ganze Gruppe umzuziehen.
Also hatte er beschlossen alleine zu gehen. Nun ja, und mit einem Vertrauten. Auch wenn er langsam sicher war, dass der Vertraute eine unglückliche Wahl gewesen ist.
Sie erreichten einen kleinen Hügel und stiegen hinauf. Als sie oben standen erblickten sie nur weiterhin Wald. Wald und immer mehr Wald. Sven hasste den Wald.
"Sven, wir sollten doch langsam mal auf die Straße kommen, oder?"
Sven gelang es diesmal, nicht die Augen zu verdrehen. "Natürlich nicht, Furlan. Warum sollten wir auf eine Straße treffen?" Sie waren seit zwei Tagen unterwegs – und schnurgerade nach Westen gegangen. Das hätte nun wirklich auch der dämlichste Zwerg bemerken sollen.
"Aber, Sven Du hast doch gesagt, Du willst Hilfe holen!", nörgelte Furlan und Sven versuchte erfolgreich sich erneut zu beherrschen. "Natürlich, Furlan. Darum gehen wir ja nicht nach Moria." Furlan legte die Stirn in Falten und schien angestrengt nachzudenken. Dieses Verhalten verwirrte Sven nicht wenig – Furlan war eigentlich alles andere als dumm. Schließlich fragte er: "Und wohin gehen wir, Sven?"
Sven deutete nach Westen. "Wir gehen ins Gebirge, nach Roßtal. Das ist der nächste Stützpunkt. Und schicken so schnell wie möglich Soldaten zu den anderen." Furlan nickte wieder. "Aber wird der Kommandant der Festung denn nicht fragen warum wir die anderen zurückgelassen haben?"
Sven hob die Schultern als wäre ihm das egal. Dabei brachte er jede Minute mit der Frage, wie er sein Verhalten erklären sollte, zu. Letztendlich würden ihm einige sein Verhalten durchaus als Feigheit auslegen aber dem konnte er noch begegnen – wenn sonst niemand überlebt hatte. Dann konnte er eben entkommen sein. Das setzte aber voraus, dass sie erst eintrafen wenn es zu spät war um den anderen noch zu helfen.
Er musste also Zeit schinden. Sven überlegte und meinte dann: "Lass uns doch hier eine Rast machen. Haben wir eigentlich noch Proviant?"
Furlan setzte sich an einen Baum und kramte in seinem Rucksack. Er brachte ein wenig Trockenfleisch hervor und reichte Sven eine Hälfte. Dann meinte er: "Ich glaube, wir werden eine Menge erklären müssen. Wir hätten nicht einfach gehen sollen." Sven verdrehte die Augen.
"Hör' mal, Furlan: Ich habe uns beide erst einmal gerettet. Die anderen werden sterben und das auch noch völlig sinnlos. Deswegen war es nötig, wegzugehen. Ich bin mir sicher, dass man das verstehen wird." Furlan schüttelte den Kopf. "Das glaube ich nicht. Wir werden wie Feiglinge dastehen. Mein Vater wird das als Schande für sein Haus begreifen." Sven nickte. "Kann sein. Aber wenn wir beide sagen, dass wir gerade so entkommen sind – als einzige Überlebende, sozusagen – dann kehren wir vielleicht sogar als Helden zurück."
Furlan spuckte ein Stück Fleisch auf den Boden. "Wir sollen lügen? Und was machen wir wenn welche überleben? Gwedin zum Beispiel? Wenn die eine andere Geschichte erzählen?"
Dieser Gedanke beschäftigte Sven. Es durfte in der Tat keine Zeugen geben. Sie sollten sicherstellen, dass keiner mehr übrig war wenn sie in Roßtal eintrafen. Zunächst mussten sie dafür aber Zeit schinden.
Als der Abend dämmerte befahl Sven ein kleines Lagerfeuer zu machen. Während Furlan im Wald ein wenig trockenes Holz sammelte suchte Sven Steine zusammen um die Feuerstelle abzusichern und dachte weiter nach. Ein Plan begann in ihm zu reifen. Er brauchte schlicht gar keinen Zeugen – wenn er dann in ein paar Tagen aus dem Wald gestolpert kam würde ihm jeder glauben, dass er alleine entkommen war während leider alle anderen ums Leben gekommen waren.
Als Furlan mit etwas Holznachschub zurückkehrte und begann ein Feuer zu entzünden war Svens Plan zur Gewissheit geworden und so packte er einen der großen Steine und schlug damit so fest er konnte auf Furlans Schädel. Furlan sackte zur Seite und blieb reglos liegen. Sven atmete schwer und warf den blutbesudelten Stein auf den Boden.
"Es tut mir leid, Furlan. Aber ich darf keinen Zeugen haben. Du erweist mir damit einen guten Dienst, vielleicht tröstet Dich das ja."
Sven entfachte selbst das Feuer, setzte sich daneben und starrte in die Flammen.

Am nächsten Morgen erwachte Sven erfrischt und gähnte herzhaft. Jetzt, wo er endlich alleine war und niemand mehr nörgelte konnte er es sich sogar leisten, ein wenig länger liegen zu bleiben. Belustigt dachte er daran, dass auch Furlan länger liegenbleiben würde – für immer sogar.
Vielleicht sollte er Furlan begraben. Es wäre sicher nicht gut wenn jemand hier die Leiche fand.
Sven wandte sich um und erschrak. Furlan war weg. Irgend etwas war in der Nacht zu ihrem Lager geschlichen und hatte die Leiche weggezerrt. Sven sprang auf und sah sich um. Niemand war zu sehen oder zu hören. Dann blickte er zu der Stelle, an der Furlans Leiche gelegen hatte – deutlich waren da Schleifspuren zu erkennen.
Ob das ein Raubtier gewesen war? Wölfe vielleicht – oder Bären? Sven wusste es nicht und mochte sich auch kaum vorstellen, warum die Tiere ihn verschont haben sollten. Dann aber fand er des Rätsels Lösung: Es waren vielleicht nur Aasfresser und er war nicht tot genug gewesen.
Er beruhigte sich wieder ein wenig und besah sich seinen eigenen Proviant. Wenigstens musste er Furlan nun nicht begraben – allerdings hatte Furlan auch einen großen Teil des Proviants... ach nein, da stand ja der Rucksack.
Sven schwang den Rucksack auf seinen Rücken und beschloss noch ein paar Meilen zu gehen. Auch wenn er Furlan nicht wirklich nachtrauerte so wollte er doch nicht da sein wo die großen Tiere ihr Revier hatten. Er wandte sich nach Westen und marschierte los.
Einige Stunden später hatte Sven einen kleinen Tümpel gefunden wie sie in diesem verfluchten Wald häufiger zu sehen waren. Das Wasser war schlammig aber er hatte kaum mehr Vorräte, also trank er sich satt und füllte seine Feldflasche wieder auf. Das Wasser darin würde ihn zwei oder drei Tage weiterbringen und bis dahin konnte er vielleicht einen Bach oder so finden der besseres Wasser hatte.
Aber andererseits – er hatte es ja ohnehin nicht eilig. Vielleicht sollte er hier bleiben. Wenigstens einen oder zwei Tage. Zeit schinden, das war der Plan, Zeit bis alle tot waren und er als Held zurückkehren konnte. Grims Mannen würden Fragen stellen aber Sven war sich sicher, sie alle beantworten zu können. Er schnallte seinen Rucksack ab und lehnte ihn an einen Baum bevor er sich daneben hinlegte. Er würde ein paar heldengeschichten einfließen lassen. Ja, vielleicht wie Ordlin, der alte Narr, viele Zwerge gerettet hatte indem er sich opferte. Vielleicht konnte sogar Theredred eine kleine Rolle spielen. Auf der Flucht erschlagen? Ja, das klang gut...
Als Sven dieses Mal erwachte war der Wald still und dunkel. Er hatte den halben Tag an diesem Tümpel verschlafen. Mühsam rappelte er sich auf und sah sich um. Nichts war zu sehen, aber der Tümpel gluckerte ein wenig. Das Mondlicht strich fahl durch die Bäume, kam und verschwand wieder – Sven blickte nach oben und erkannte, dass Wolken über den Himmel zogen.
Im schwindenden Licht blickte er auf den Tümpel. Die schwarze Wasserfläche sah unheimlich aus. Und plötzlich sah er das Gespenst. Eine schattenhafte Gestalt, die auf der Oberfläche erschien und wieder verschwand. Svens Augen wurden größer als er den Geist erkannte.
Bevor er jedoch Schreien konnte spürte er einen scharfen Schmerz in seinem Rücken und dann im ganzen Leib. Entsetzt blickte er an sich herunter und betrachtete fast schon verwundert die blutverschmierte Klinge die aus seinem Leib ragte. Dann verschwand die Klinge und der reißende Schmerz nahm kurz zu und dann ab. Alle Kraft verließ seine Beine und Sven fiel um.
Diesmal erwachte er auf dem Rücken liegend und mit Schmerzen. Er bekam kaum Luft, das Atmen war entsetzlich mühsam. Feuerschein flackerte durch seine Augenlider. Er öffnete die Augen blinzelnd und versuchte zu sehen war da vor ihm stand.
Als er das Gesicht des Geistes sah lächelte er. "Ich kenne Dich! Ich kenne Dich, ich wusste, dass ich Dich kenne!" flüsterte er. Das Wesen zeigte keine Regung. Grausam sah es aus, Blut im Gesicht und Bart und die Augen funkelten gefährlich. Es war Furlans Geist und Furlan war tot – oder? Svens Gesicht verzog sich vor Schmerzen als er versehentlich zu scharf einatmete. "Aber Du kannst es doch nicht sein..... Ich habe Dich getötet und Tote kommen nicht zurück!" Das Wesen lächelte. Dann drehte es sich um und hob etwas vom Boden auf.
Svens Augen weiteten sich erschrocken als er erkannte, was es tat. Es hatte einen großen Felsbrocken aufgehoben. "Tote kommen nicht wieder!", flüsterte er. Das Wesen hob den Felsbrocken über den Kopf und starrte Sven ins Gesicht. "Das hier ist die richtige Welt und Tote kommen nicht zurück!" sagte Sven. Dann ließ das Wesen den Felsbrocken auf seinen Schädel hinabsausen.
Svens Kopf zerbarst und der Felsbrocken kullerte in den Tümpel. Furlan, durchaus noch lebendig aber vielleicht nicht mehr sehr lange ließ sich auf den Boden fallen. "Doch, Sven. Manchmal kommen sie wieder..."
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Ein Zwerg, der trinkt und fällt dann um.
Beim Elfen ist es anders 'rum.

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Man muss als Zwerg das tun,
was die Riesen nicht können.

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Durin
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Die Jagd - Kapitel 5/1

Beitrag von Durin » So 16. Okt 2016, 15:24

Kapitel 5
Theredred muss sich rechtfertigen – Nebel im Tal – Die Höllenhunde greifen an – Rorek tanzt – Heldendasein – Durins Urteil.


Mit grimmiger Miene saß Theredred am Eingang der Mine und starrte gedankenvorloren in den Eingang, nachdem Kazgrim, der Dorfälteste, darin verschwunden war um zu beraten was die Ankunft der fremden Zwerge zu bedeuten habe.
Nachdem die Verlorenen auf Furlan gestoßen waren hatten sie schnell erfahren, dass Sven offenbar im Wald verunglückt war. Furlan, der mit Sven ursprünglich mitgegangen war hatte sich daraufhin entschieden, möglichst rasch ins Gebirge zu gehen und so war er im Dorf Bärenberg gelandet – und ebenso offensichtlich wollte er nur ungern darüber reden. Theredred hatte versucht, die ganze Geschichte aus Furlan herauszuholen aber da er nicht unbedingt zur Gewalt greifen wollte blieb es bei der Androhung derselben.
Nach einigem hin und her gelang es Harok schließlich Furlan zu überreden, sie alle nach Bärenberg zu bringen. Dort hatten sie einen der Dorfältesten aufgesucht und ihnen von ihren Verfolgern sowie dem Schicksal der Enklave im Wald berichtet. Dieser hieß sie zu warten und verschwand in der Mine um die anderen Ältesten zu suchen und sich mit ihnen zu beratschlagen. Furlan, der ihm folgen wollte, war barsch angewiesen worden zu warten.
So saßen sie jetzt seit bald einer Stunde hier und Theredred war sich nicht sicher ob das eine gute Sache war. Zuletzt waren die Drachenhunde nicht weit weg gewesen – mit jeder Minute, die verstrich, verringerte sich auch ihre Vorbereitungszeit. "Warum dauert das so lange, bei Friggs Dunkelheit?", murmelte er halblaut und sprang auf, weil er es einfach nicht mehr aushalten konnte, ruhig dazusitzen.
"Es dauert so lange es dauert.", antwortete Harok wenig hilfreich. Ordlin grinste dem Speerkämpfer zu und meinte dann: "Theredred, setz' Dich. Das Dorf gehört bereits zu Grims Fürstentum und die Bewohner sind aus seiner Sippe. Und die Norgrim sind ein bisschen anders als wir. Sie glauben fest daran dass es für fast alles ein vernünftiges Verfahren gibt. Sie müssen sich nur an das richtige erinnern. Also dauert es halt."
Theredred nickte und drehte sich dann zu Furlan um: "Na gut, dann nutzen wir die Zeit doch dafür. Furlan, erklär' uns doch mal, wie Du hierher gekommen bist und warum Du uns keine Truppen geschickt hast, was doch eigentlich Svens Plan gewesen ist, oder?"
Furlan sah zu Boden. Dann sagte er: "Ich habe doch überhaupt nichts zu sagen. Und außerdem kenne ich mich nicht aus. Sven wollte nach Roßtal gehen zur Festung. Das liegt näher als die Festung in Moria sagt er. Ich weiß aber nicht genau, wo. Daher habe ich beschlossen hierher zu gehen, weil ich bestimmt auch nicht zurückgefunden hätte."
Der letzte Nachsatz kam schon fast ein wenig trotzig. Theredred warf Ordlin einen Blick zu und dieser hob die Schultern. Furlan log, da waren sie sich sicher. Die Frage war nur was er ihnen verschwieg.
Ehe Theredred allerdings die nächste Frage stellen konnte erschienen die Dorfältesten. Kazgrim gab Theredred einen Wink und sagte: "Ich habe Euren Fall vorgebracht und wir sind nicht zufrieden mit Euren Schilderungen. Daher möchte ich Euch bitten, Eure Handlungsweise ausführlicher zu erklären, damit wir entscheiden können, was nun geschehen soll."
Theredred riss ungläubig die Augen auf und sagte: "Was geschehen soll? Ich werde es Euch gerne erklären: Wir werden verfolgt. Ein Feind aus den alten Tagen ist hinter uns her und wir müssen uns hier gegen ihn verteidigen."
Kazgrim hob erneut die Hand und unterbrach damit Theredred. "Ihr sagt, ein Feind verfolgt Euch. Ihr habt bislang aber nicht schlüssig bewiesen, dass es diesen Feind überhaupt gibt."
Theredred drohten fast die Augen aus den Höhlen zu quellen. Ordlin packte ihn bei der Schulter und sagte: "Ehrwürdiger Kazgrim, darf ich bitte sprechen?"
Kazgrim strich sich über den langen weißen Bart und fragte: "Wer seid Ihr?"
Ordlin verbeugte sich leicht. "Ordlin von den Verlorenen, zu Euren Diensten."
Mit einer Handbewegung forderte Kazgrim Ordlin auf, weiterzusprechen. "Wir sind von unserem König – Durin – in den Zwergenwald geschickt worden um dort eine Kolonie zu errichten und einen Stützpunkt für eine Straße, die möglicherweise auch Euer schönes Dorf eines Tages mit den Hallen unser aller Väter in Moria verbinden sollte. Wir wanderten also in den Zwergenwald und an einem See beschloss unser Anführer Sven, dass es Zeit sei, den Wald zu roden und an dieser Stelle ein neues Dorf zu errichten.
Doch einige Monate nach unserer Ankunft kehrte ein Kundschafter verletzt heim und starb in meinen Armen. Es war Fundin, Balins Sohn. Vor seinem Tod berichtete er von Bösem, das im Wald umginge. Unser Anführer Sven ergriff darauf die Flucht..."
"Das ist nicht wahr! Er wollte Hilfe holen!", rief Furlan und Ordlin machte eine kleine Verbeugung in Furlans Richtung. "Mag sein. Jedenfalls traf diese bisher nicht ein. Theredred hier nun hielt die übrigen Zwerge zusammen und wir errichteten eine Palisade um uns gegen den Feind zu schützen, der in den ersten Nächten nur zaghafte Vorstöße wagte und sich nicht zeigte. Dennoch brachte er manchen unvorsichtigen Zwerg um. Im Morgengrauen des dritten Tages schließlich griff uns der Feind in großer Zahl an und vernichtete das Dorf – und viel zu viele Zwerge mussten ihr Leben lassen. Nur wir neun überlebten. Seither befinden wir uns auf der Flucht, denn obwohl es uns in der Schlacht gelang einige der Feinde zu erschlagen so sind wir doch hoffnungslos in der Unterzahl – und wir haben keine Waffen. Theredred entschied schließlich hierher zu fliehen, weil wir keine Vorräte mehr haben und wir ersuchen Euch nun um Beistand und um Waffen."
Kazgrim dachte kurz nach, dann flüsterte einer der anderen Ältesten ihm etwas zu. Kazgrim nickte und fragte: "Junger Theredred, Ihr sagt also Ihr werdet von einem Feind verfolgt und wir wollen Euch das einmal glauben. Aber Ihr seid nun in Grims Land und kein Feind wird einfach so unsere Grenze überschreiten können. Also warum ersucht Ihr um Waffen und Beistand?"
Theredred räusperte sich und versuchte, seine Nerven zu beruhigen. Mit einem Verhör und vor allem diesen verschrobenen Zwergen hatte er nicht gerechnet. "Ich vermag Euren Glauben an die Sicherheit der Grenzen nicht zu teilen, ehrenwerter Kazgrim.", sagte er, "Schließlich sind wir ja auch ungesehen über die Grenze gekommen. Der Feind war zuletzt noch etwa acht Stunden hinter uns und wenn kein Wunder geschieht wird er auf unseren Spuren bleiben und in weniger als sechs Stunden hier sein. Dafür wollen wir gerüstet sein."
Der zweite Älteste hob die Hand und sagte: "Was genau gab Euch eigentlich das Recht uns hier in Gefahr zu bringen, wenn diese Gefahr so groß ist, wie Ihr beschreibt?" Theredred, der nicht gewillt war, sich hier ständig unterbrechen zu lassen starrte den alten Zwerg kalt an. Ein roter Bart bildete einen seltsamen Kontrast zu dessen bleicher Haut und Theredred verbeugte sich nur andeutungsweise als er antwortete: "Wir ersuchen um Hilfe, Meister. Ganz", fügte er hinzu, "wie es den Gesetzen des Königs nach jeder Reichsbürger einem anderen in Not angedeihen lassen muss."
Der Alte wurde rot und hob einen Zeigefinger. "Es steht aber auch in den Gesetzen geschrieben, dass kein Zwerg einen anderen wissentlich in Gefahr bringen darf, junger Theredred. Ihr Jungen solltet die Gesetze erst studieren und..." - "Lass gut sein, Fulgrim.", unterbracht Kazgrim seinen Kollegen, "Wir alle kennen die Gesetze und es bleibt die Tatsache, dass sie zuerst um Nahrung und Wasser baten."
Theredred verstummte auch und gab das Funkeln in den Augen von Fulgrim stumm zurück. Kazgrim seufzte und sagte: "Welcher Art ist der Feind, der Euch verfolgt?" Ordlin legte Theredred wieder die Hand auf die Schulter und mit einem inneren Schulterzucken gab er nach. Ordlin war ein alter Zwerg mit einem würdevollen Gesicht und einem langen, weißen Bart, der nun ein wenig zerzaust aussah, und zweifelsohne war er den Dorfältesten sympathischer als er selbst. Theredred trug sein rotes Haupthaar lang aber den Bart scherte er sich nach der aktuellen Mode eher kurz.
Ordlin nickte Kazgrim zu und sagte: "Es sind Drachenhunde, Kazgrim. Sie sind groß und hässlich, aber sie sind sehr stark und von durchtriebener Schläue wie der Fuchs. Unseren Holzwall überwanden sie mühelos. Wenn ihr Euer Dorf verteidigen wollt, dann müsst Ihr etwas Stabileres bauen und vor allem etwas, was höher ist."
Fulgrim schnaubte und Furlan ergriff das Wort: "Sie haben recht, ehrwürdige Älteste. Es sind Drachenhunde und sie haben schon fast hundert von unserem Volk abgeschlachtet." Ehe Theredred seiner Verwunderung Ausdruck verleihen konnte, dass ausgerechnet Furlan für sie Partei ergriff, fuhr dieser jedoch fort: "Aber sie sind nur hinter diesen Zwergen her. Vielleicht war die Siedlung in ihrem Territorium errichtet worden, das müssen erst die anstehenden Ermittlungen des Königs zeigen. Daher sollten diese Zwerge ein wenig Proviant bekommen und so schnell wie möglich weiterziehen, damit keine Bedrohung mehr für das Dorf und Euch selbst vorliegt. Sie sollten verschwinden und wir uns in die Mine zurückziehen bis der Sturm vorüber ist und..."
"Du bist doch der größte Feigling unter der ewigen Sonne!", schrie Theredred. "Was meinst Du denn, wird hier passieren, hm? Genau das Gleiche was im Wald geschehen ist. Sie werden kommen und sie werden töten. Alles und jeden! Wir müssen uns verteidigen oder wir gehen unter, kapierst Du das nicht?" Er trat einen halben Schritt auf Furlan zu der sofort einen ganzen zurückwich. Ordlin legte Theredred wieder die Hand auf die Schulter. Und schüttelte den Kopf.
Dann wandte er sich wieder an die Ältesten. "Theredred hat recht. Entweder wir kämpfen hier und heute oder wir sterben alle. Die Drachenhunde werden das Dorf nicht verschonen und wenn sie die Eingänge in Eure Mine finden, werden sie dort eindringen und jeden Mann, jede Frau und jedes Kind abschlachten, dessen sie habhaft werden können. Sie müssen uns nicht einmal sehen, sie können uns riechen. Sie speien Feuer. Sie führen Waffen. Dagegen können wir nur gemeinsam etwas ausrichten."
Kazgrim lehnte sich zurück und sah Fulgrim an, der vehement den Kopf schüttelte. Dann wandte er sich an den dritten Ältesten, der bislang nichts gesagt hatte. Es war ein reifer Zwerg, der aber deutlich jünger als seine Kollegen wirkte. Er hatte einen schwarzen Bart der ebenso wie sein Haupthaar von einigen Silberstreifen durchzogen war. Er musterte Theredred, Ordlin und Furlan kurz, aber sein Blick war scharfsichtig und Theredred spürte, dass er sich zu ihren Gunsten aussprechen würde.
"Nein, Kazgrim. Ich bin mir nicht sicher, wie wir das bewerten sollen, was diese Zwerge getan haben. Sie handelten aus Verzweiflung, aber sie handelten auch mutig. Sie gaben nicht auf. Vielleicht brachten Sie das Böse zu uns, aber vielleicht wären die Drachenhunde auch so gekommen. Jetzt sind wir gewarnt. Und ich rate dringend in den Schmieden zu prüfen, was wir zu unserer Bewaffnung unternehmen können. Die nächste Patrouille ist erst in drei Tagen vorgesehen und das dürfte zu spät sein. Wir haben kundige Bauleute unter uns, die sollten helfen eine Mauer zu bauen und wir sollten das Gelände zu unserem Vorteil nutzen."
Kazgrim nickte ihm zu und sagte: "Wohl gesprochen, Klugrim. Wie Ihr seht, Fremde, sind wir uneins und so muss ich wohl die Entscheidung treffen. Eine Flucht kommt nicht infrage – wir haben nicht die Genehmigung uns in eine andere Lage zurückzuziehen. Wir könnten uns in der Mine verstecken aber wenn wir Pech haben, dann werden wir alle alleine dort sterben. Also wählen wir den Kampf. Und wenn dies alles vorbei ist sollen Theredred und seine Kameraden gebunden und der Patrouille übergeben werden, auf dass Fürst Grim sein Urteil sprechen möge über ihre Taten."
Bei den letzten Worten sah er Theredred grimmig an, der sein Urteil mit einem Nicken akzeptierte.
Kazgrim fuhr fort: "Wir haben nicht viele Zwerge hier, aber erst gestern ist eine Karawane mit Proviant angekommen und so können wir unsere Zahl um weitere Dreizehn verstärken. Zehn arbeiten in der Mine, zwei sind für das Essen zuständig und acht helfen, Häuser zu bauen. Einer ist im Lager, wir drei – und Furlan. Das sind Achtunddreißig Zwerge und Ihr Neun. Wird das genügen?"
Theredred rechnete und antwortete: "Wir wissen nicht, wie viele uns folgen. Aber es muss genügen, Meister. Wenn wir uns mit einer Mauer verteidigen können, dann ist jeder Zwerg dreimal so viel wert. Je nach dem, welche Waffen wir vorfinden oder auf die Schnelle herstellen können."
Kazgrim stand auf und deutete auf ein Haus im hinteren Teil des Dorfes. "Dann sehen wir mal nach."

Sieben Stunden waren vergangen. Unter der fachkundigen Anleitung der Bauleute hatten die Zwerge eine Mauer aus Granitplatten errichtet und von innen Leitern aus der Mine dagegen gelehnt. Der Führer des Bautrupps, Seegrim, hatte das Werk grinsend angesehen und gemeint: "Das ist die schlechteste Mauer, die ich je errichtet habe. Wahrscheinlich die schlampigste Mauer des Reiches. Nicht glatt sondern mit vielen Griffen zum Klettern und wenn die in drei Tagen nicht einstürzt fresse ich meinen Hut. Aber sie wird erst einmal genügen, besonders wenn wir von oben Steine werfen."
Theredred hatte zustimmend genickt. Die Mauer durchspannte den gesamten Felseneinschnitt, etwa hundertfünfzig Schritt. Mittlerweile war sie acht Schritt hoch und einige besonders eifrige Zwerge begannen damit, oben eine kleine Brüstung zu errichten.
Beeindruckt von dem Bautempo hatte Seegrim nur mit den Schultern gezuckt. "Mit den Kamelen war das ein Kinderspiel. Mehr Sorgen mache ich mir um die Waffen. Deswegen werden wir jede Menge Munition nach oben schaffen. Niemandem sollen die Steine ausgehen."
Kazgrim hatte Seegrim auf die Schulter geklopft und war dann zu den Eisenbergleuten gegangen um zu sehen wie schnell diese vorankamen. Theredred hingegen hatte sich einen Korb für den Rücken geschnappt, ihn mit Steinen füllen lassen und war ebenfalls auf die Mauer gestiegen, aber eher um zu sehen wo der Nebel inzwischen war.
Der Nebel hatte sich im Tal gesammelt, verharrte allerdings dort und Theredred beschloss, einen der oben arbeitenden Zwerge zu bitten, den Nebel im Auge zu behalten. Dann ging er wieder hinunter um ebenfalls nach den Schmieden zu sehen.
Normalerweise dauerte es drei Tage, ein einfaches Schwert zu schmieden und eine Axt brauchte sogar noch länger, aber unter diesen Umständen waren die Schmiede bereit, weniger Sorgfalt walten zu lassen. "Ich übernehme aber keine Garantie, dass diese Spielzeuge lange halten. Es sind mehr Eisenknüppel. Das Metall ist schlecht verarbeitet und eher weich. Aber um einen unbehelmten Schädel einzuschlagen reicht das allemal.", warnte sie der Schmied und Theredred hob unbehaglich die Schultern. Lauter Provisorien. Aber vielleicht genügten sie ja.
Das alles war nun schon eine Weile her. Inzwischen war es dunkel geworden und im fahlen Mondlicht beobachtete Theredred auf der Mauer mit zunehmender Nervosität den Nebel, der noch immer im Tal unterhalb des Dorfes festhing und keine Anstalten machte zu ihnen hinauf zu ziehen.
Klugrim kletterte die Leiter hinauf und stellte sich dann neben Theredred. Er spähte ins Tal hinunter und sagte: "Noch immer keine Veränderung?" Theredred hob die Schultern. "Nein, keine." - "Was mag sie aufhalten? Vielleicht kommt doch Verstärkung?" Theredred lächelte. Der Gedanke war ihm auch schon gekommen. "Ich glaube nicht, Meister. Als sie uns überfielen haben sie auch die Nacht abgewartet und dann im Morgengrauen angegriffen." Klugrim nickte. "Das ist gar nicht dumm. Der Gegner hält die ganze Zeit Ausschau und verbringt die Nacht damit, Angst zu haben. Und am frühen Morgen sind dann alle müde und kämpfen schlecht. Vielleicht sollten wir die Wachen neu einteilen und nur zu zweit hier Wache halten, damit alle anderen schlafen können."
Theredred fröstelte. "Ja. Aber die Zwerge sollten bei der Mauer schlafen denn wenn Alarm gegeben wird brauchen wir sie sofort." Klugrim zwinkerte ihm zu und sagte: "Du denkst in den richtigen Bahnen, Junge. Auf Dich kommt sicher noch eine große Zukunft zu. Wenn wir überleben, natürlich. Ich kümmere mich darum. Bleib bitte hier bis ich Dich ablöse, ja?"
Damit stieg er die Leiter wieder hinunter und Theredred, dessen Gedanken in seinem Kopf hin und her wanderten, fiel keine klügere Entgegnung als "Ja, natürlich" ein.
Es wurde eine lange Nacht. Theredred wanderte vorsichtig auf der Mauer hin und her und sprach gelegentlich mit Harok, der die zweite Wache schob. Schließlich kam Ordlin mit Klugrim herauf und löste sie ab. Bevor er allerdings von der Mauer steigen konnte nahm Ordlin ihn zur Seite, gab ihm eine Wolldecke und sagte: "Furlan ist weg." Theredred hob eine Augenbraue. Nicht, dass er wirklich überrascht war aber trotzdem. "Tatsächlich? Schon wieder geflohen?"
Ordlin hob die Schultern. "Niemand weiß es. Er war beim Abendessen da und dann hat ihn niemand mehr gesehen. Vermutlich ist er in die Berge gegangen." - "Elender Feigling!", knurrte Theredred und stieg die Leiter hinunter. Ein paar Stunden Schlaf und sei es auch nur in eine Decke gewickelt in einem Winkel der Mauer schienen ein Segen zu sein. Mit Furlan konnte er sich später auseinandersetzen. Irgendwann.
Er suchte sich eine halbwegs windgeschützte Ecke und rollte sich in seine Decke. Dann schlief er ein.
Ein gellender Schrei weckte ihn. Theredred hatte die Augen kaum geöffnet als er schon ein widerliches Knacksen und einen dumpfen Schlag hörte. Er sprang auf und sah sich erschrocken und verwirrt um.
Der Nebel war da. So laut er konnte brüllte er: "ALARM!" und packte dann das Langmesser, das er gestern bekommen hatte und schob es sich in den Gürtel. Dann griff er nach dm Speer, der an der Mauer lehnte und ging in die Richtung aus der er den Schrei vermutet hatte.
Es war Ordlin. Sein Kopf lag in einem unnatürlichen Winkel und sein Körper war auf eine Weise verdreht von der Theredred übel wurde. Klugrim trat neben ihn und starrte auf die Leiche. "Er ist eingeschlafen. Ich auch. Ich verstehe das auch nicht... wir haben oben gestanden und der Nebel hat sich kaum bewegt und dann machte ich kurz die Augen zu und im nächsten Moment war der Nebel hier und ich sah gerade noch, wie Ordlin, der sich anscheinend zum Schlafen hingelegt hatte, von der Mauer gerollt war."
Theredred legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. "Wir waren auch müde als sie uns angriffen. Vielleicht ist das finstere Hexerei... Aber wir haben jetzt keine Zeit zu trauern. Sie sind sicher schon da. Los, auf die Mauer!", brüllte er die Zwerge an, die schlaftrunken angelaufen kamen.
Theredred stieg die Leiter hinauf und fragte sich, wie sie in dieser Suppe etwas sehen sollten. Ordlin hätte vielleicht einen Rat gehabt, aber jetzt... Seine Augen brannten aber er bemühte sich mannhaft die Tränen herunterzuschlucken – sie konnten jetzt keine Ablenkung mehr gebrauchen.
Von der Mauer aus schien es, als sei die ganze Welt verschwunden. Theredred hielt die Hand am ausgestreckten Arm vor sich und konnte sie noch gut erkennen. Aber als er nach unten sah konnte er den Boden bereits nicht mehr sehen. Das bedeutete, sie konnten höchstens sieben Schritt weit blicken – viel zu kurz um sich wirksam gegen einen Angriff zu schützen.
Er spähte in das unendliche Weiß vor sich und glaubte, Schatten zu erkennen. Sicher war er sich nicht – seine Augen mochten ihn narren und seine Angst gab seinen Sinnen schlechten Rat. Wenn diese Schatten wirklich waren so waren sie viele. Aber vielleicht waren es gar nicht so viele... Theredred schüttelte sich und klopfte mit seiner Faust gegen seinen Kopf. Er musste klar denken, verdammt!
Da sah er ein rötliches Glühen unter sich und ohne nachzudenken ergriff er einen Stein und warf ihn. Es gab einen dumpfen Aufprall und dann fauchte etwas dort unter ihm. Kurz darauf flog ein Stein nur knapp an seinem Kopf vorbei.
"Duckt Euch!", rief er und die Zwerge duckten sich hinter die schmale Brüstung währen ein wahrer Hagel von Steinen auf sie niederprasselte. Einer der Schmiede späte über die behelfsmäßige Brüstung nach unten und wandte sich Theredred zu, wollte etwas rufen aber bevor er auch nur einen Ton sagen konnte prallte ein großer Stein, sicher halb so groß wie Theredreds Kopf gegen den seinen und er flog ohne einen Laut nach innen von der Mauer.
Theredred riskierte selbst einen kurzen Blick und erschrak: Dort unten schien es zu wimmeln und vier der Gestalten begannen gerade, die Mauer hochzuklettern. Er packte seinen Speer und rief: "Sie klettern hoch! Erstecht sie, macht sie fertig!"
Er ließ seinen Worten Taten folgen und stach mit dem Speer nach unten, wohl wissend, dass die Kreatur noch nicht in seiner Reichweite war. Er wollte sie auch nicht unbedingt treffen, ihm genügte es schon, wenn sie ein wenig zurückwich und dabei vielleicht den Halt verlor. Stattdessen zuckte der mittlere Kopf zu ihm und Theredred sah das Glühen und warf sich rechtzeitig wieder in Sicherheit, als eine Stichflamme nach oben zuckte.
Er ließ den Speer fallen und griff stattdessen nach einem schweren Stein, den er über die Brüstung rollte. Ein weiterer dumpfer Aufschlag und ein schmerzhaftes Heulen waren ihm Belohnung genug. Er kroch ein wenig seitwärts als genau auf seine Position Unmengen von Steinen geworfen worden. Und als er außer Gefahr war warf er einen weiteren Blick über die Brüstung. Die Kreaturen griffen ziemlich mittig an, schien es. Sie ignorierten die Mauer an den Rändern sondern schienen sich darauf zu konzentrieren die Mauer zu überwinden und das wiederum war keine sonderlich kluge Taktik. Es sei denn... Theredred kroch zu Klugrim und sagte: "Viellicht versuchen sie an den Rändern durchzubrechen. Sieh Du links nach, ich gehe nach rechts." Er wandte sich um und blickte nochmal kurz hinter sich. "Meister."
Klugrim grinste, hob eine Hand und schlich dann geduckt die Mauer entlang. Theredred tat es ihm gleich und hoffte, dass ihn nichts treffen und von dem wackligen Konstrukt werfen würde. Er hatte vielleicht zwanzig Schritt getan als ein unbeschreibliches Poltern hinter ihm ertönte. Durch den Nebel vermochte er es nicht zu sehen aber er wusste auch so was passiert war: Ein Teil der Mauer war zusammengebrochen.
Theredred drehte um und lief wieder zurück. Sie mussten jetzt zusammenstehen und versuchen die Bresche zu verteidigen, komme was da wolle. Als wäre der Sturz der Mauer das Zeichen gewesen ertönte von unten plötzlich ein Signalhorn. Die Kreaturen bliesen zum Angriff!

Rorek schnaufte und fluchte als er zum dritten mal in dieser Nacht über eine Wurzel stolperte. Sie jagten Theredred und den Drachenhunden nach und Balin duldete kaum Ruhepausen. Für ihn als jungen Zwerg war es schon schwer genug aber einige der älteren – insbesondere Alrik – schienen langsam aber sicher an ihre Grenzen zu geraten.
Doch Balin kannte keine Gnade. Selbst schien er trotz seines Alters den Lauf kaum zu spüren, ja er spurtete wie ein junger Hirsch über Hindernisse und Wurzelwerk, ließ sich von Unterholz und Gebüsch nicht aufhalten. Notfalls griff er zum Schwert aber er walzte durch den Wald wie eine Naturgewalt.
Die anderen folgten seinem Kurs und das nun schon seit mehr als einem Tag. Das Jagdfieber, das sie zunächst angetrieben hatte und das einem Zwerg vielleicht die Kraft schenken mochte ungerührt stundenlang zu laufen, war mittlerweile vergangen. Sie schwitzten und waren müde und sie begannen zu stolpern und Fehltritte zu machen.
Schließlich erreichten sie eine kleine Anhöhe und Balin blieb stehen. Der Rest der Gruppe hielt ebenfalls an, die meisten keuchten und Alrik setzte sich ganz unverhohlen hin, dankbar für die Rast. Rorek schnaufte und trank einen Schluck Wasser. Dann reichte er seine Flasche Alrik der sie dankbar nahm und gierig austrank. Rorek zog eine Grimasse und warf die Flasche hinter sich ins Gebüsch. Wenigstens war er so wieder ein Gepäckstück los.
Balin wandte sich seiner Gruppe zu und musterte sie kritisch. Rorek hatte das Gefühl der alte Zwerg würde nicht einmal schneller atmen. Wie konnte ein solches Bierfass eine solche Konstitution haben? Hinter Balin steckte mehr als er anfangs gedachte hatte, das war Rorek inzwischen klar und Rorek begriff auch welche Weisheit Balin zeigen konnte ohne sie wirklich zu zeigen, aber dieser Beweis von körperlicher Unverwüstlichkeit machte ihn dann doch betroffen. Balin zeigte auf Thurgrom und fragte: "Fühlst Du Dich kräftig genug um auf einen Baum zu steigen?"
Thurgrom nickte. "Dann verrate uns, wie weit der Feind noch entfernt ist." Thurgrom legte seinen Schild und seinen Gürtel ab und begann den nächsten Baum zu ersteigen. Kurz darauf kam er wieder herunter und sagte: "Der Nebel scheint sich vor dem Gebirge zu sammeln und dort zu bleiben, Herr." Seine Stimme klang tonlos und das wunderte Rorek nicht. Thurgrom war überhaupt sehr einsilbig geworden und schien Balin den Tod von Gwedin irgendwie vorzuwerfen. Balin nickte und fragte: "Und wie weit sind wir entfernt?" - "Ich würde schätzen zehn Wegstunden, sieben wenn wir weiter so schnell unterwegs sind.", sagte Thurgrom und wies mit dem Kinn unauffällig auf Oldor, der an einen Baum gelehnt schlief.
Rorek lächelte. Einige der Gruppe hatte er mittlerweile kennengelernt und wenn Oldor eines konnte, dann war es schlafen. Er schlief gern und viel aber wenn er wach war war er ein äußerst amüsanter Zeitgenosse. Überhaupt waren einige der Zwerge ihm regelrecht ans Herz gewachsen, so wie Ortosch, der Lautenspieler und selbst Thurgrom, der mit der Flöte regelrecht zu verzaubern wusste, auch wenn er sonst den Finsterling gab. Oder Cadrix der Lebemann – ein Glücksspieler der durch sein Leben zu gehen schien als wäre das alles ein Kartenspiel und er habe grundsätzlich die besten Karten.
Aber vor allem Alrik, der Rorek, so schien es ihm jedenfalls, erst in den vergangenen Wochen beigebracht hatte was er eigentlich schon alles hätte wissen müssen um als Zwerg seinem König zu dienen. Der ihn die Sehnsucht nach fernen Ländern gelehrt hatte und weit mehr als er jemals sagen könnte. Und nun zogen sie in den Krieg und niemand wusste, ob sie überleben würden.
Dern hob die Hand und sagte: "Balin, bei allem Respekt, aber wir können kaum noch einmal zehn Stunden hinter dem Feind herlaufen. Wir müssen uns ausruhen. Selbst wenn wir den Feind einholen, werden wir nicht genug Kraft haben um ihn zu bezwingen. Wenigstens drei Stunden würde ich sagen."
Balin schüttelte den Kopf. "Das kommt überhaupt nicht in Frage. Wir müssen den Feind stellen bevor er das Dorf erreichen kann. Bärenberg ist nur eine kleine Enklave und ich hatte schon das zweifelhafte Vergnügen die Dorfältesten kennenzulernen. Wenn die mit solchen Wesen konfrontiert werden sind alle des Todes."
Dern wies in einer großen Handbewegung auf die gesamte Gruppe und sagte: "Balin, sei vernünftig. Du bist zwar mit Wachen, aber nicht mit schlachterprobten Zwergen ausgeschickt worden. Wir schaffen es nicht hinter diesen Kreaturen herzulaufen und ihnen am Ende noch eine Schlacht zu liefern. Außerdem sind sie bereits kurz vor dem Gebirge. In zwei oder drei Stunden werden sie das Dorf ohnehin angreifen und wenn die Dorfbewohner und die Überlebenden nichts für ihre Verteidigung getan haben, werden sie so oder so tot sein bis wir dort ankommen."
Kopfschüttelnd trat Balin auf ihn zu. "Das werden sie nicht. Sie warten bis zum Morgen und greifen dann an. Das haben sie schon im Wald getan oder hast Du Theredreds Brief vergessen? Auch am nächsten Tag verzog sich der Nebel nicht und im Schutz der weißen Wolke griffen uns die Drachenhunde in großer Zahl an. So schrieb es Theredred. Sie warten bis zum Morgen und dann schlagen sie zu. Bis zum nächsten Morgen sind es noch elf Stunden. Wir schaffen es vorher."
Dern schnaubte und fragte: und wie, Balin? Du bist unser Führer und unser General. Du kannst unser Leben fordern, das mache ich Dir nicht streitig. Aber wir kommen da niemals hin weil wir zu langsam sind. Wir haben kaum mehr Kraft!"
Balin nickte. "Ja, das sehe ich. Nun gut." Er löste einen Trinkschlauch von seinem Gürtel und warf ihn Dern zu. "Jeder Mann soll davon trinken. Aber nur einen Schluck, hörst Du? Nur ein Schluck – und dann marschieren wir weiter. Den Rest bringst Du mir wieder."
Dern sah Balin zweifelnd an warf dann den Männern einen Blick zu. Er schraubte den Metalldeckel von dem Schlauch, nahm einen Schluck und setzte wieder ab. Dann straffte er die Schultern, schüttelte sich und strich sich den Bart. Balin grinste und winkte ab als Dern etwas sagen wollte und Dern begann stattdessen den Trank zu verteilen.
Rorek war von der Wirkung verblüfft. Er spürte regelrecht wie ihn neue Kraft durchflutete, sein Bart schien sich zu kräuseln und seine Schultern strafften sich. "Ein Zaubertrank!", sagte er verwundert und Balin lachte. "Wohl kaum, mein Junge. Nur ein wenig elfische Arznei. Durin gab mir einen Schlauch davon mit. Er hat das von irgendeinem Gesandten bekommen und meinte es wäre nicht dumm, wenn ich ein wenig Kraft in Reserve hätte. Nun scheint es mir eher, als bräuchtet Ihr Kraft."
Rorek lächelte. Deswegen also war Balin so unverwüstlich. "Seid sparsam damit.", sagte Balin und wurde wieder ernst. "Das ist der einzige Vorrat den ich habe und bislang wurde nichts verbraucht. Es sollte aber für einen Schluck für jeden reichen bevor wir in den Kampf ziehen."
Also zogen sie weiter. Rorek fühlte sich frisch wie an einem jungen Morgen nach einem erholsamen Schlaf in den Armen einer kräftigen Maid und ihm machte auch das Gelände nicht mehr zu schaffen. Er lief neben Gottri her und konzentrierte sich hauptsächlich auf das Atmen. Was auch immer sie erwarten mochte, sie waren dem Feind auf der Spur. Und sie würden ihn zur Strecke bringen. Theredred hatte bewiesen, dass man sie erschlagen konnte und Rorek freute sich regelrecht darauf, den Gegner endlich zu stellen. Er hatte zwar keinerlei Kampferfahrung, aber natürlich trotzdem das Training mit Axt, Schild und Schwert gemacht.
Man sagt den Zwergen ja nach, dass sie nur mit der Axt zu kämpfen verstünden aber viele Zwerge nutzten Schwerter, wenn auch ungern. Das Schwert war einfacher zu handhaben, aber es war viel weniger vernichtend, wenn es traf. Dennoch hatten die langen Kriege gegen die Menschen sie gelehrt, dass auch das Schwert in der Hand eines erfahrenen Kämpfers eine gefährliche Waffe sein konnte.
Durin ließ seine Schmiede beides herstellen und zudem Kriegshämmer. Diese waren grobschlächtig, aber sie entfalteten selbst auf einem Plattenpanzer eine unangenehme Wirkung – jedenfalls für den Getroffenen.
So hing Rorek seinen Gedanken nach und folgte Kettri während sie in einer Zweierreihe weitermarschierten und das Stunde um Stunde. Sieben Stunden nach ihrer Rast hob Balin die Hand und mit ein wenig Verzögerung blieben sie wieder stehen.
Vor ihnen endete der Wald und wenig weiter war der Nebel zu erkennen – eine undurchdringliche Wolke, die auf Abwege geraten war. Die Zwerge verteilten sich und blickten in die weiße Wand. Die Sonne begann gerade aufzugehen. Balin blickte in die Dämmerung und sagte: "Wir ruhen uns nicht aus. Macht Euch nichts vor – wir sind noch zwei oder drei Stunden entfernt. Aber wenn wir den Nebel erreichen machen wir wahrscheinlich eine Pause."
Sie liefen weiter. Kaum eine Stunde war vergangen, als sie Schreie hörten. Sie kamen zu spät. Balin ließ sie anhalten und zog den Schlauch aus dem Gürtel. "Jeder nur einen kleinen Schluck, verstanden? Es wird so kaum reichen." Sie tranken und Balin leerte den Rest – es war wirklich kaum mehr als ein Schluck.
Rorek spürte erneut die seltsame Wirkung des Trankes und alle Müdigkeit fiel wieder von ihm ab. Balin setzte seinen Helm auf und alle folgten seinem Beispiel. Dann rief er: "Nun aber vorwärts, Ihr Höllenhunde! Wollt Ihr ewig leben?"
Sie rannten los.
Rorek war erstaunt wie schnell eine Gruppe von Zwergen werden konnte wenn es hart auf hart kam. Sie rannten und Rorek selbst fühlte sich als ob er in einer schnellen Kutsche saß. Seine Füße berührten kaum den Boden und dieser zog mit einer aberwitzigen Geschwindigkeit dahin ; Kurzum: Rorek fühlte sich gut.
Sie rannten und rannten und nach einiger Zeit sah Rorek wie Gorm sein großes Trinkhorn ergriff und im Laufen mit dem Schwert die Spitze schräg abhaute. Dann blies er laut darauf und in dem Lärm den er damit verursachte schrie Balin: "AUF SIE! AUF SIE, DURINS HÖLLENHUNDE KOMMEN!" und dann sah Rorek eine schattenhafte Gestalt, schlug zu und die Hölle brach los.

Durins Höllenhunde brachen wie finstere Dämonen über die Schlacht herein. Die Dorfbewohner hatten schwere Verluste zu verzeichnen, nicht nur weil manche Waffen nach dem ersten Einsatz zerbrachen sondern auch weil viele entsetzt zurückwichen als sie das erste mal mit einer Kreatur wie den Drachenhunden konfrontiert wurden.
Theredred gelang es kaum, die Truppen zusammenzuhalten. Als das Signal ertönte war den meisten Zwergen klar, dass sie sterben würden. So brüllten die meisten Verwünschungen und Ihre Angst heraus und stürzten sich auf den Feind. Theredred, der noch oben auf der Mauer stand war sich darüber klar, dass er nicht rechtzeitig herunter kam, also griff er nach Steinen und warf diese. Als ihm die Steine ausgingen schleuderte er seinen Speer.
Es waren gar nicht so viele. Theredred schätzte zwölf. Aber sie waren größer, stärker und schneller als die Zwerge. Harok wurde herumgewirbelt und flog in Theredreds Sichtkreis und gleich wieder hinaus. Theredred schlitterte die Leiter hinunter, zog das Langmesser und stürzte sich in dem Kampf.
Rorek atmete schwer. Sie rannten in die Schlacht! Er konnte nichts sehen und lief weiter und plötzlich schälte sich vor ihm ein riesiger Schatten heraus, der mit einem einzigen Schwung seines Hammers anscheinend mehrere Gegner vernichtete. Theredred brüllte und rannte los.
Rorek erreichte mit den andern den Nebel. Plötzlich hörte er Balin irgendwo rechts schreien: "Durin! Baruk durinad ai-mênu!" und nahm selbst den Ruf auf: "Durin! Die Äxte Durins sind über Euch!" Zwanzig Kehlen brüllten den Schlachtruf und sie überrollten das Schreien der Verwundeten und das Knurren der Angreifer.
Rorek sah Alrik vor sich aufragen in der für ihn charakteristischen Panzerung aber ehe er ihn erreichen konnte traf Alrik ein Hammerschlag und er wurde von seinen Füßen gefegt. Schreiend flog Rorek geradezu zu Alriks Körper und sah ihn blutüberströmt im Gras liegen.
"Alrik!", rief Rorek und nahm seinen Helm ab. Alriks Panzer war von dem Treffer regelrecht zerbröselt worden. An den Rändern der Rüstung sickerte Blut heraus. Rorek warf den Helm weg und kniete neben Alrik. Alrik hob die Hand und versuchte ihn wegzuschieben aber Rorek ignorierte seine Bemühungen und hob Alriks Kopf vorsichtig an, um ihm den Helm auszuziehen.
Alrik hustete und spuckte ein wenig Blut. Dann sah er Rorek an und sagte fest: "Der Kampf ist noch nicht vorbei. Lass mich hier liegen und diene Deinem König. Los, verschwinde!" Er machte eine abwehrende Geste und Rorek stand auf. Mit einem letzten Blick auf Alrik hob Rorek das Schwert auf und wandte sich dem im Nebel tobenden Kampf zu.
Er machte ein paar Schritte und ließ die Klinge langsam durch die Luft pfeifen. Und als der erste Schatten sich aus dem Nebel zu schälen begann fletschte er die Zähne. Er begann zu tanzen.
Die Klinge wirbelte durch den Nebel und Rorek schritt voran. Ohne den Helm sah er wesentlich mehr und ihm entging der Schlag des Kriegshammers keineswegs. Er duckte sich im letztmöglichen Moment ein wenig auf die Seite und als der Hammer vorbeizischte machte er einen halben Schritt nach vorne und führte einen geschwinden Hieb auf die Gestalt aus. Er drehte sich um die eigene Achse, tänzelte hinter die Kreatur und schlug erneut zu.
Der Drachenhund brüllte und drehte sich um aber Rorek war bereits einen Schritt zurückgewichen und so verfehlte ihn der ungezielte Schlag mit dem Arm. Er warf sich nach vorne, die Klinge ein verlängerter Teil seines Armes und stach mit der Spitze in den weichen Bauch der Kreatur, die schmerzvoll aufjaulte und sich versteifte. Rorek konnte den Feuerschein in ihrem mittleren Maul sehen und statt zurückzuweichen machte er noch einen Schritt auf sie zu und schob das Schwert ganz ihn ihren Körper.
Das Feuer erlosch bevor es richtig entstanden war und er zog sich zurück und das Schwert aus dem Körper des Drachenhundes, als dieser umfiel. Dann wandte er sich um und suchte sich den nächsten Feind.
Lange musste er nicht suchen. Ein paar Schritte weiter schrie ein Zwerg und Rorek erkannte im Nebel die schemenhafte Gestalt eines Zwerges, der einen langen Spieß oder Speer in den Händen hielt und diesen einem Drachenhund in den Leib rammte. Er lief auf die beiden zu und hielt auch nicht inne als die Gestalt von einem fürchterlichen Hammerschlag getroffen wegflog sondern stürzte sich regelrecht auf den Drachenhund, schwang das Schwert und hieb der Bestie mit einem gewaltigen Schlag eines ihrer Gliedmaße ab. Sie brüllte, aber Rorek gab ihr keine Zeit zurückzuschlagen, drehte sich erneut um die eigene Achse und stieß ihr das Schwert in den Rücken. Er zog es heraus und als sich das Biest umdrehte, verletzt und möglicherweise schon fast tot, da tanzte er einen federnden Schritt nach vorne, ließ sich auf die Knie fallen und stieß das Schwert mit aller Macht nach oben.
Mit einem klagenden Schrei brach die Kreatur zusammen und Rorek rollte sich auf die Seite um nicht unter ihr begraben zu werden. Dann stand er auf, machte einen halben Schritt und verneigte sich spöttisch. Er suchte sich den nächsten Gegner...

Als Balin dem letzten Drachenhund sein Schwert in den Kopf rammte und die Kreatur röchelnd zusammenbrach verschwand der Nebel schlagartig. Balin schlug ihr die beiden anderen Köpfe ab um sicherzugehen, dass dieser Drachenhunde nie mehr aufstehen würde und sah sich dann um.
Was er erblickte erschütterte ihn. Auf dem Feld lagen Dutzende Leiber von Zwergen und Drachenhunden durcheinander. Sie hatten sie besiegt, ja, aber die Verluste waren hoch gewesen. Wenigstens sah er auf Anhieb keine gerüsteten Zwerge auf dem Boden liegen. Allerdings jede Menge Bärenberger.
Dern kam auf ihn zugestapft. Er würdigte die Toten keines Blickes sondern sah Balin fest und grimmig an. "Wie schlimm ist es?", fragte Balin und wappnete sich. Dern wies auf das Schlachtfeld. "Was meint Ihr wohl, Meister? Von den Bärenberger Zwergen leben nicht mehr sehr viele und diejenigen, die noch leben werden auch bald tot sein. Niemand ist unverletzt geblieben. Bislang habe ich nur einen von uns gefunden – Alrik. Rorek ist bei ihm aber Du solltest auch rasch hingehen. Es wird nicht mehr lange dauern. Ich werde die anderen suchen und zu Euch schicken."
Balin nickte und sagte: "Ich gehe sofort. Such Theredred oder die Dorfältesten, wenn Du sie finden kannst." Dern nickte und sie machten sich auf den Weg. Balin begegnete vielen Toten aber keinem einzigen Verwundeten. Er stieg über die Leichen hinweg und bemühte sich, nicht allzu genau hinzusehen wenn er über abgeschlagene Gliedmaße oder zerschmetterte Köpfe steigen musste.
Schließlich erreichte er den knienden Rorek und trat zu Alrik. Alrik war tödlich verletzt, das sah er gleich. Und doch klammerte sich der alte Zwerg an sein Leben und redete beschwörend auf Rorek ein. Rorek hatte ganze Arbeit geleistet. Vier tote Drachenhunde lagen hier verstreut aber kein einziger Zwerg außer Alrik. Roreks Rüstung war völlig von Blut besudelt und sein unbehelmter Kopf war ebenfalls rot vom Blut seiner Feinde.
Schließlich ließ sich Alrik zurücksinken und Rorek drückte dem Alten kurz die Hand. Dann ging er zu Balin. "Wenn Ihr Euch verabschieden wollt, dann tut es, Meister. Er liegt im Sterben aber noch ist er nicht tot."
Balin nickte und wies auf Rorek. "Und was ist mit Dir?" - "Mir fehlt nichts. Nicht einmal ein Kratzer. Bevor wir richtigen Feindkontakt hatten ist Alrik gleich... Aber mich hat das Schicksal verschont. Warum auch immer." Balin legte Rorek die Hand auf die Schulter und sagte: "Das wissen wir nicht. Vielleicht ist Alriks Zeit einfach gekommen. Ich werde jetzt mit ihm sprechen. Ruhe Dich ein bisschen aus."
Rorek setzte sich auf einen Findling in Alriks Nähe während Balin mit Alrik sprach. Nach ihrem Gespräch wirkte Alrik wesentlich friedlicher. Er atmete nach wie vor mühsam aber er schien ruhiger zu werden. Balin blieb bei Alrik stehen und nach und nach kamen Durins Höllenhunde vom Schlachtfeld. Rorek gesellte sich zu ihnen.
".. und Thurgrom. Wir haben noch nicht alles gefunden aber es ist sein Körper und seine Rüstung.", schloss Gorim untypisch wortreich und Rorek schloss kurz die Augen. Balin nickte grimmig und sagte: "Mit Alrik sind das drei von denen wir nun wissen. Bitte seht nach ob ihr im Dorf oder in der Mine etwas findet, was wir als Trage benutzen können. Wir sollten Alrik ins Dorf bringen, damit er alles hat, was er braucht."
Gorim nickte und gab den anderen einen Wink. Balin winkte Rorek zu sich und fragte: "Was hat Alrik zu Dir gesagt?" Rorek sah auf den alten Zwerg hinab. Er schien zu schlafen. "Dass er sich einen Heldentod gewünscht habe und nun sei sein Wunsch eben in Erfüllung gegangen." Balin folgte Roreks Blick. "Da hat er recht." Rorek schüttelte den Kopf. "Nein, das denke ich nicht. Er liegt da und muss grässliche Schmerzen haben. Seine Brust ist zerschmettert und ich habe Bruchstücke seines Panzers in seinem Körper gesehen. Er wollte aber nicht, dass ich sie herausziehe. Sein Tod war plötzlich und dauert nun noch an. Nichts von der Schönheit des Heldentodes aus den alten Geschichten, nur Kummer. Und Leid."
Balin lächelte traurig. "Ja, Rorek. Der Heldentod ist nichts weiter als ein jämmerliches Verrecken auf einem blutigen Feld, einsam und fernab von Familie und Heim. Aber wir werden ihm ein gutes Ende bereiten. Vielleicht werden die Sänger einst über ihn etwas dichten." - "Aber es wird nicht die Wahrheit sein." - "Doch, Rorek. Du erkennst das jetzt noch nicht aber er hat es erkannt. Die Wahrheit ist nicht das, was Du siehst oder das, was er spürt. Die Wahrheit ist, dass er sein Leben gab um das Reich und unsere Höhlen zu schützen. Darum wird er mit einem Lächeln auf den Lippen zu den Hallen seiner Sippe aufbrechen und Geschichten über seine Taten erzählen können."
Rorek hob seine Schultern. "Wenn es ihm ein Trost ist, dann ist das gut. Mir ist es keiner." Balin legte ihm die Hand auf die Schulter. "Wir, die wir zum weiterleben verdammt sind, müssen uns erinnern und dafür sorgen, dass niemand je vergessen wird, was jene, die für uns starben, taten und wer sie waren."
Vier der Zwerge kehrten mit einigen Brettern zurück und sie hoben vorsichtig und sanft den alten Alrik darauf, um ihn ins Dorf zu tragen. Dort standen die meisten Häuser noch. Balin ließ Alrik in eines der Häuser tragen und sie bahrten ihn dort auf. Während Balin die anderen Zwerge bat, die Körper der Gefallenen für die Bestattungen vorzubereiten blieb Rorek bei Alrik. Dern erstattete Bericht.
"Es bleibt bei drei Verlusten, sofern Alrik nicht doch noch überlebt. Thurgrom und Kazran sind beide tot. Alle sechsundvierzig Dorfbewohner sind erschlagen, wir konnten für die Verwundeten nichts mehr tun. Wir haben Theredred gefunden – einer der Ältesten hat lange genug gelebt um auf ihn zu zeigen. Er starb mit einem Messer in der Hand bei dem Versuch, die Ältesten zu verteidigen. Seinen anderen Arm haben diese Bestien wohl gefressen. Er muss verblutend noch auf seinen Feind zugekrochen sein und starb dabei. Gottri hat den Drachenhund erschlagen.
Wenigstens zehn der Dorfbewohner sind nach dem Zusammenbruch der Mauer bei dem Versuch gestorben, die Bresche zu halten. Wir haben leider keine Hinweise gefunden wer sie genau waren. Niemand von uns ist mit ihnen verwandt gewesen. Die neun Verlorenen können wir aber zweifelsfrei erkennen.
Weitere drei..."
Balin hob die Hand und unterbrach Dern. "Sei so gut und erspar' mir das, ja? Wir sind zu spät gekommen um sie zu retten. Nun wollen wir sie wenigstens anständig bestatten. Außerdem müssen wir Grim wohl einen Boten schicken um ihm das Schicksal des Dorfes mitzuteilen. Lass mich darüber nachdenken, ja?"
Sie sammelten die Körper der Toten und brachten sie in einer langen Reihe an der gefallenen Mauer unter. Am frühen Nachmittag kam Rorek aus dem Gebäude und trat zu Balin. Balin sah in Roreks Gesicht. "Ist er tot?" Rorek nickte und sah zu Boden. Balin überlegte kurz und sagte dann: "Rorek, kannst Du Stein behauen?" Rorek sah überrascht auf und meinte dann: "Nicht besonders gut, wenn Ihr versteht." Balin nickte und sagte dann: "Es wird genügen. Wir werden ein Totenhaus errichten und werden dafür eine Inschrift brauchen. Damit beauftrage ich Dich. Du hast ein bisschen Zeit, also suche Dir einen geeigneten Stein und Werkzeug aus der Mine."
Rorek nickte. Balin wandte sich an Dern: "Dern, wir brauchen einen Boten, der nach Hohenstadt geht um Grim zu unterrichten. Wir bleiben hier bis er zurückkehrt." Dern nickte und Rorek warf schüchtern ein: "Meister, wenn ich einen Vorschlag machen darf..." - "Bitte." - "Schickt den Boten nur zur Festung Roßtal. Dort haben sie sicherlich Boten und können auch rasch Entsatz schicken, sollte das sinnvoll sein. Vielleicht können sie uns sogar helfen, alle Toten zu erkennen. Dann liegen sie nicht in namenlosen Gräbern."
Balin lächelte. "Ein guter Vorschlag, Rorek. Dann eben so. Dern, wen sollen wir schicken?" Dern dachte kurz nach. "Ich würde Ulther und Borim schicken." - "Gut, richte ihnen meine Wünsche aus. Sie sollen morgen früh aufbrechen. Der Rest von uns wird damit beginnen das Totenhaus zu errichten. Es muss kein Prachtbau werden, es genügt erst einmal seine Funktion. Vor allem die steinernen Särge müssen ordentlich gemacht werden. Für die gefallenen Höllenhunde errichten wir ein kleines, separates Haus."
Dern sagte: "Natürlich. Und was ist mit den Verlorenen?"
Balin hob die Schultern. "Eigentlich sollten wir sie ja bei ihren Kameraden im Wald bestatten. Können wir sie schnell genug dorthin schaffen?" Dern deutet auf die Kamele die angebunden etwas abseits standen. "Die stammen von einer Karawane, nehmen wir jedenfalls an. Die Karawanenführer dürften hier auch unter den Toten liegen – wir wissen aber nicht wer das sein könnte. Jedenfalls können wir recht schnell einen Wagen bauen und die Verlorenen damit zurück in den Wald schaffen. Zwei Mann sollten eigentlich genügen um das zu tun, aber anstandshalber sollten wir vier schicken."
"Gut.", sagte Balin. "Dann haben wir ja erst einmal jede Menge zu tun. Vorwärts."

Die Zwerge machten sich an die Arbeit und am nächsten Morgen begruben sie ihre Toten. Ebenso wie die meisten der anderen war Rorek vollends mit seiner Aufgabe beschäftigt so dass ihm nur wenig Zeit blieb um zu grübeln, was wohl auch in Balins Absicht gelegen hatte. Bereits drei Tage später kam eine große Abordnung aus der Festung Roßtal. Hauptmann Ramesh von der 2. Kompanie begrüßte Balin und versicherte ihm, dass bereits ein Bote unterwegs zu Grim sei. Balin bat den Hauptmann mit seinen Mannen die Arbeit hier zu beenden und seine Leute freizustellen, damit sie ihren Kameraden zum Wald folgen konnten.
Ramesh tat weit mehr als das – er stellte sechs Fuhrwerke bereit welche die Zwerge mit gutem Granit beluden um die Toten am See ordentlich bestatten zu können. Durins verbliebene Höllenhunde – der Name war an ihnen hängen geblieben und Balin tat es mit einem Schulterzucken ab – reisten zurück in den Wald zur ehemaligen Holzfällerkolonie, die sie Cerberus tauften.
Sie begruben die Verlorenen ein einem steinernen Haus und errichteten Theredred eine eigene Grabstätte. Eine Woche verwandten Ketil, Mordin und Gorm darauf für das Grab eine Statue zu hauen. Sie zeigte Theredreds Gesicht und wies mit einer Hand nach Bärenberg, während die andere Hand warnend in die andere Richtung erhoben war.
Als Rorek die Statue das erste mal erblickte verstand er, was Balin gemeint hatte. Theredred würde immer in Erinnerung bleiben, vielleicht nicht unbedingt als der Zwerg der er war, aber als Vorbild und Held, ein ewiger Wächter dieses Waldes. Eine Inschrift am Sockel der Statue erzählte seine Geschichte.
Als ihre Arbeit beendet war zogen Durins Höllenhunde unter Balins Führung weiter – nach Moria.
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Die Jagd - Kapitel 5/2

Beitrag von Durin » So 16. Okt 2016, 15:25

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 Sorry, hatte 62.000 Zeichen, sind aber nur 60.000 erlaubt....

Balin begrüßte Brodomurr, der am Haupttor Wache hielt mit einem formlosen Nicken. Brodomurr ließ seinen Blick über die achtzehn Zwerge schweifen. Sie alle sahen nach einer langen Reise aus aber sie hatten im Wald ausreichend Zeit gehabt sich und ihre Rüstungen zu waschen und so sah man ihnen die Gefahren kaum an, die sie hinter sich hatten.
"Ihr wart lange unterwegs, Balin.", sagte er und blickte schließlich Balin ins Gesicht. "Fast drei Monate, oder?" Balin nickte. "Deswegen würden wir jetzt auch gerne eintreten, wenn Du gestattest. Ich bin sicher, der König erwartet meinen Bericht."
Brodomurr grinste. "Das kann sein. Vielleicht hat er Euch aber auch vergessen. Hier gab es eine königliche Hochzeit, während Ihr weg wart, weißt Du?" Balin sah ihn überrascht an. "Der König hat sich vermählt?" Brodomurr schüttelte den Kopf. "Nein, seine Schwester, Asta. Sie hat Durak erwählt." Rorek sah überrascht auf. "Durak? Aus Grauroth?"
Brodomurr sah ihn mitleidig an. Balin drehte sich kurz zu Rorek um und sagte: "Nicht Dein Onkel. Ich erzähle es Dir später." Dann wandte er sich wieder an Brodomurr: "Also, dürfen wir jetzt passieren oder gibt es vielleicht ein Problem?" Der Wächter warf einen scharfen Blick auf die Waffen, die alle trugen, dann zuckte er mit den Schultern und machte den Weg frei.
Sie betraten die große Halle und wie immer warf Rorek einen Blick nach oben an die Decke, die sich erst siebzig Fuß über ihnen spannte. Die große Halle war mit schwarzem Marmor verziert und dennoch wirkte der Raum keinesfalls dunkel denn durch Spalten im Fels lenkten die Zwerge Sonnenlicht auf große, aber gut verborgene metallene Spiegel, die das Licht über die gesamte Decke erstrahlen ließen.
Sie durchquerten die Halle und gingen durch den Gang Richtung Ratssaal. Balin öffnete die Tür mit Schwung und ignorierte die Wachen daneben, die ihn aber erkannten und lediglich Haltung annahmen.
"Balin!", rief der König und stand auf und unterbrach damit die laufende Ratssitzung. "Wir haben Euch vermisst." Balin blieb vor dem Rat stehen und verneigte sich vor seinem König. Die anderen taten es ihm gleich.
Durin ließ seinen Blick über die Gruppe schweifen und legte seine königliche Stirn in Falten. "Ich habe einundzwanzig geschickt und nur achtzehn kehren zurück. Ich befürchte, Ihr bringt nicht nur gute Kunde?"
Balin straffte sichtlich seine Schultern und sagte: "Nein, mein König. Ich bringe keine gute Zeitung. Die Waldkolonie ist nicht mehr. Alle Zwerge, die dort lebten, sind tot. Ebenso Waid, eine Menschensiedlung am Waldrand." Im Rat keuchten einige und Skag war aufgesprungen, hielt aber noch den Mund. Balin warf ihm einen Blick zu und sagte: "Außerdem Bärenberg in Grims Landen. Das sind alle Verluste, von denen wir bislang wissen. Aber Eure Höllenhunde", er deutete auf die Zwerge, die hinter ihm standen, "haben den Feind verfolgt, angegriffen und vernichtet. Ein Sieg."
Der Rat tuschelte und Durin zog seine Augenbrauen zusammen.
"Ich sehe, es gibt viel zu berichten." Er winkte einem Diener und in Windeseile brachte man den Höllenhunden Wein und sogar Stühle. Balin aber blieb stehen während er über ihre Taten so umfassend berichtete, wie er konnte. Als sie zu der Kolonie kamen bat er Dern die Nachricht von Theredred vorzulesen. Dann fuhr er mit dem Bericht über ihre Jagd und letztendlich die Schlacht fort.
Als er geendet hatte blieb es einen Moment still. Dann stand Skag auf und sagte: "Ihr, Balin, gebt also meinem Neffen Sven die alleinige Schuld." Balin hob die Schultern. "Ich gebe niemandem die Schuld, Skag. Ich berichte nur, was wir vorgefunden haben und wie wir uns anschießend verhielten."
Skag deutete mit einem Finger auf ihn und rief: "Es ist doch überaus praktisch, dass niemand Sven oder einen anderen aus der Kolonie befragen kann, nicht wahr? Ihr kamt just zu spät um jeden möglichen Zeugen zu retten, der Eure Geschichte – oder die Geschichte Theredreds, natürlich – widerlegen könnte."
Balin hob die Schultern. "Unter den Verlorenen waren weder Furlan noch Sven zu finden. Diese beiden müssen noch leben. Sollten sie je auftauchen werden sie sicherlich alle Fragen zu Eurer Zufriedenheit beantworten können, Skag."
"Dafür haben wir aber nur Euer Wort.", schoss Skag zurück und Balin lächelte, wenn auch eisig. "Nein, denn Ihr könnt gerne und jederzeit einen Ermittler ernennen und diesen nach Bärenberg schicken oder einen anderen nach Cerberus und die Leichen ausgraben und zählen lassen." Skag hob die Hände zur Decke und sagte: "Natürlich. Aber vielleicht liegen die Toten nicht bei den anderen sondern sind in einem namenlosen Grab verscharrt auf dass wir sie nie finden werden."
Empörtes Geraune entstand unter der Ratsmitgliedern und Balins Lächeln gefror. Zwerge bestatteten einander grundsätzlich niemals in Namenlosen Gräbern, nicht einmal verurteilten Mördern und Verrätern wurde dies angetan denn sie waren fest davon überzeugt dass Frigg jeden Zwerg, den sie nicht kannte, nicht annehmen würde und dieser dazu verdammt wäre auf ewig ruhelos zwischen den Welten zu wandeln. Alleine deswegen hatten die Verlorenen wahrscheinlich die Zeit aufgewendet, um für jeden Verlust ein einfaches Grab zu bauen. Skag unterstellte Balin hier also nichts weniger als die Störung der Totenruhe.
Durak, das neueste Mitglied des Rates und ein gutaussehender Zwerg der gerade in die mittleren Jahre zu kommen schien, stand auf und fragte: "Ratsherr Skag, welchen Vorteil sollten sich Balin und seine – wie nanntet Ihr Euch? Durins Höllenhunde?" Balin nickte und Durak wandte sich wieder an Skag: "Welche Vorteile also sollten sich Durins Höllenhunde von solch einer beschämenden Handlungsweise erhoffen? Die Siedlung und die Zwerge sind bereits verloren, das ist schmerzvoll aber wir können daran nichts mehr ändern. Balin selbst hatte damit nichts zu tun – wir hätten ihn vielleicht früher losschicken können aber niemand wusste, was geschehen war."
Skag wandte sich Durak zu und sagte mit vor Verachtung triefender Stimme: "Ihr seid noch jung und nicht lange im Rat, darum seht Ihr vieles nicht. Natürlich ist die Siedlung verloren aber meinem Neffen und meiner Sippe wird hierbei die schändlichste Haltung unterstellt. Seid gewiss: Niemand tut etwas ohne eine Absicht und so versucht Balin hier indem er Theredred zum Helden macht seiner Sippe zu helfen indem er die Streitigkeiten, die es zuvor wohl gegeben haben muss, unter den Tisch fallen lässt und die Alleinschuld Sven Fierless zuweist. Wenn Ihr älter und reifer seid, dann werdet Ihr ein solches Manöver vielleicht erkennen."
Ratsherr Skaldor sprang auf als sich Durak verdattert wieder setzte und sagte: "Ich gebe Durak recht, Skag. Das klingt mir mehr als nur ein wenig verschroben. Ihr seid ein geschätztes Mitglied des Rates und auch wenn Ihr und Eure Sippe sich nicht immer mit allem einverstanden erklärt, so ist es doch weit hergeholt gleich eine politische Verschwörung zu vermuten, wo doch die Wahrheit so offensichtlich ist. Ich für meinen Teil glaube Balin und bezweifle, dass sich Theredred schlechter verhalten hat als ich es an seiner statt getan hätte. Wer stimmt mir zu?"
"Aye!", ertönte es aus mehreren Kehlen aber Balin bemerkte auch dass es bei weitem nicht alle Ratsherren waren. Aber wenigstens die Mehrheit.
Durin hob seine Hand und Skag, sichtlich erbleicht, setzte sich. Durin sprach: "Die Kunde ist traurig und zweifelsohne werden wir noch viele Fragen haben bevor wir dies in den Geschichtsbüchern niederschreiben können. Dennoch möchte ich jetzt eher wissen woher diese Drachenhunde kamen und warum sie uns überhaupt angriffen."
Er sah Balin an, der sich verneigte und sagte: "Wir wissen nicht, woher sie gekommen sind, mein König. Den Legenden nach quellen diese Biester aus tiefen Schächten und Zugängen zur Unterwelt, aber sie kamen nicht aus dem Zugang, den wir in den Drachenbergen entdeckt haben."
Skag schnaubte und Vikram fragte: "Warum denkt Ihr das?"
Balin wies auf Dorin. "Wir hätten sicherlich von Himela Nachricht erhalten, wenn der Festung, welche den Spalt bewacht, etwas zugestoßen wäre. Durch den starken Handel mit dem Süden ist dort genügend Verkehr so dass sich sicherlich ein Bote aufgemacht hätte wenn dort ein Angriff stattgefunden hätte." Dorin, der verwandtschaftlich zur Sippe von Protektorin Himela gehörte, nickte zustimmend.
"Außer natürlich, im Süden ist alles zerstört worden und das war nur die Vorhut.", merkte Kurgan düster an und Balin schüttelte den Kopf. "Nein, das glaube ich nicht. Außerdem, Ratsherr Kurgan, kam die Bedrohung aus dem Norden und nicht aus dem Süden."
Rorek trat einen halben Schritt vor und Durin winkte ihn näher. "Ihr habt etwas zu sagen, junger Rorek?" - "Ja, mein König.", sagte Rorek und verneigte sich vor dem Rat. "Vor seinem Tode hat mich Alrik viel gelehrt über das Reich und die Regionen darin. Als er im Sterben lag sprachen wir darüber denn Alrik wollte nicht gehen ohne mir seine Gedanken mitgeteilt zu haben." Als er Balins überraschten Gesichtsausdruck sah verkniff er sich mühsam ein Lächeln und sagte: "Meister Balin weiß davon noch nichts – ich war sehr mit meiner Trauer beschäftigt und es ergab sich nicht der Zeitpunkt, darüber zu sprechen."
Durin nickte und bedeutete ihm, fortzufahren. "Mein König, Alrik vermutete, dass die Drachenhunde über den Hexensumpf im Norden gekommen sein müssen. Wären sie weiter im Osten erschienen so wäre die Eisenfestung oder gar wir selbst hier in Moria betroffen gewesen. Weiter im Westen, so hätte uns Grim Nachrichten geschickt und um Unterstützung gebeten. Es muss daher der Sumpf sein und möglicherweise haben die Kreaturen bei unseren nördlichen Nachbarn zuvor entsprechend viel Schaden angerichtet."
Der König sah ihn einen Moment lang gedankenverloren an und sagte dann: "Nun, das erscheint mir nachvollziehbar. Das sind eine Menge Neuigkeiten – offenbar brauchen wir Verstärkung im Sumpf. Hab Dank, Rorek."
Dann stand er auf und machte eine wedelnde Handbewegung. "Ihr alle – verlasst mich nun. Ich werde nach Euch schicken, sobald ich nachgedacht habe." Sie verneigten sich und wandten sich zum Gehen doch Durin sagte: "Balin. Bleibt bitte noch einen Augenblick."
Vor der Türe des Ratssaales atmete Rorek tief durch. Die Ratsherren drängten sich an ihnen vorbei, nur Ratsherr Jalgat blieb kurz stehen und wechselte ein paar Worte mit Gorm und Kettri von den Höllenhunden, die zu seiner Sippe gehörten. Dann ging auch er und die Höllenhunde blieben alleine vor der Türe zurück.
"Und was tun wir jetzt?", fragte Rorek. Dern hob die Schultern. "Wir warten auf Balin. Unsere Einheit ist offiziell noch nicht aufgelöst. Vielleicht wird sie das auch nicht. Wenn Du Dich erfrischen willst kannst Du aber gerne gehen – das hier könnte ein paar Stunden dauern."

Viele Stunden später, das Tageslicht schwand bereits und Fackeln erhellten die Vorhalle, öffneten sich die schweren Flügeltüren und Balin trat aus dem Ratssaal. Er grinste als er seine versammelte Truppe sah und breitete die Arme aus.
"Ich gratuliere Euch. Ihr seid hiermit offiziell Mitglieder von Durins Höllenhunden, sofern Ihr der Einheit beitreten möchtet. Ich sage Euch gleich, außer Blut, Schweiß und Tränen werde ich nicht viel zu bieten haben. Wir werden in den Hexensumpf gehen und eine gute Basis für uns suchen. Dort werden wir damit beginnen einen Bautrupp zu schützen, der einen Wachturm errichten soll, damit so etwas nie wieder geschehen kann. Bedenkt die Konsequenzen – wir werden lange fort sein."
Er nickte ihnen zu und winkte dann Rorek zu sich.
"Rorek, für Dich gilt das Angebot nicht." Rorek starrte ihn betroffen an. Balin grinste. "Durin hat verfügt, dass er Dich in seinen Haushalt aufnehmen wird; Du sollst bei ihm Deine Ausbildung abschließen. Anschließend wird er Dich – je, nach dem, wie Du Dich anstellst – mit einem eigenen Kommando belohnen. Wobei ich Dir jetzt schon sagen kann, dass das keine Belohnung ist."
Rorek nickte.
Balin legte ihm die Hand auf die Schulter. "Denk immer an Alrik, vergiss ihn nicht. Denn auch Du wirst irgendwann jungen Zwergen begegnen und dann musst Du ihr Lehrmeister sein." Dann lächelte er. "Hier und jetzt aber bist Du nur ein Schüler und Knappe im Haushalt des Königs. Also hol mir ein Bier, mein Junge und lass mich dann zufrieden."

ENDE
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Die Jagd - Nachwort

Beitrag von Durin » So 16. Okt 2016, 17:38

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Die Jagd - Nachwort

Puh.... geschafft. Nachdem ich vollmundig im April 2016 das Versprechen gemacht hatte hier mal eine Geschichte in Fortsetzungen zu veröffentlichen hat sich die ganze Sache dann doch ein wenig hingezogen. Und das Schlimme ist: Während ich immer mal wieder was an Landschaftsumgebungen beschreiben wollte, musste ich einen Hintergrund erschaffen und so wuchs das Ganze an bis ich ein gut vierzig Seiten starkes Dokument hatte das alle Zwergencharaktere, Orte, Landschaften und so weiter umfasst.... Viel mehr als ich dann hier real brauchen konnte.
Im Ergebnis werde ich noch mehr Geschichten brauchen, ja, erzählen müssen von all den Abenteuern der Zwerge und ihrem kleinen Reich in Fantasya.

Wer sich dafür interessiert, dem sei kundgetan dass ich hier Ereignisse zwischen den Auswertungen 322 und 339 verarbeitet habe. Wie so gerne beim Start einer neuen Partei hatte ich gefühlt zwei Wochen nachdem ich die ersten Holzfäller ausgebildet hatte schon Höllenhunde in meiner Gegend herumwatscheln und die sind – gerade wenn man noch ganz am Anfang steht – eine vernichtende Sache.
Dennoch war es auch ungemein spannend ob meine schnell mal ausgehobenen 21 Mann mit den Biestern fertig werden könnten. Und dies habe ich versucht hier ein bißchen darzustellen.
Die finale Schlacht bei der es mir gelang die verbliebenen 12 hungrigen Höllenhunde zu vernichten und die ich hier ein bisschen ausführlicher im Kapitel 5 behandelt habe, sah im Report übrigens so aus:


Runde 339:
"Durins Enkel gewinnen.
MESSAGE 661
"Balin sammelt 10753 Silber, 655 Holz, 450 Eisen, 13 Kamele und 870 Steine auf."
MESSAGE 662
"Die Verlorenen trauert um die 9 gefallenen Kollegen."
MESSAGE 663
"Durins Höllenhunde haben 3 Gefallene zu beklagen."
MESSAGE 664
"Karawane 3 (13 Zwerge), Eisenarbeiter (10 Zwerge), Bauleute (10 Zwerge), Älteste (3 Zwerge) und Lagerverwalter (1 Zwerg) sind komplett aufgerieben worden."
MESSAGE 665
"Insgesamt 49 von unserem Volk sind im Kampf gefallen."


Im Verlauf der Geschichte sind mir einige Charaktere sehr ans Herz gewachsen – Balin und Theredred im Besonderen aber auch Rorek ist eine Figur mit Entwicklungspotenzial. Ich werde den Sonntag Morgen (ja, heute morgen!) nie vergessen als die beste Ehefrau der Welt und meine erste Korrekturleserin auf Seite 12 angelangt war und enttäuscht (und ein klein bisschen traurig) ausrief: "Hey! Du bist ja doof!" Ohne hinzusehen wusste ich genau dass sie jetzt erfahren hatte das Theredred gestorben war. 
Hat mir auch leid getan – war aber von Anfang an der Plan.
Wer hier in Fantasya spielt und mit meinem Volk Kontakt hat dem werden einige der Figuren dieser Geschichte – und der nächsten, ich halte nur selten die Klappe – sicherlich begegnen können. Sie sind alle da.
Danken möchte ich neben Hamilcar, der mich überhaupt erst hierher brachte vor allem der besten Ehefrau aller Zeiten für's geduldige Korrekturlesen und manch anderes, das aber nicht hierher gehört. 
Die nächsten beiden Geschichten sind inzwischen geplant und werden ebenfalls Ereignisse auf unserer schönen Insel beinhalten. Die im Übrigen einen Namen hat; Aber wenn Ihr den wissen wollt müsst ihr wieder vorbeischauen...

Somit verbleibe ich mit einem herzlichen Dank, lieber Leser, und der Hoffnung ein wenig Freude und Kurzweil geboten zu haben.

Wir sehen uns beim Zwergengambit,
Euer Durin.
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