Es wird Zeit für eine neue Geschichte. Auch diese spielt wieder in Fantasya im Reiche der Enkel Durins und wir werden einige Bekannte treffen und vielleicht auch neue Freunde. Einige Kapitel werde ich wohl über zwei Posts verteilen müssen – sie haben mehr als 10.000 Zeichen....
Im Gegensatz zur Jagd ist es hier nun aber so, dass ich andere Völker beschreibe, mit denen Durins Enkel im Verlaufe der Zeit in Kontakt gekommen sind. Daher bitte ich die jeweils betroffenen sich zu melden sollte ich etwas falsch darstellen oder sonstwie in deren Rollenspiel eingreifen. Konkret werden das im Verlauf der Geschichte sein: RedOrks, LegioOrkis, Das Kombinat, Der Bund der Zeitlosen und vielleicht – da bin ich noch nicht ganz sicher – bereits die Strandpiraten.
Ich lese Eure Geschichten sehr aufmerksam und versuche stilistisch zu erfassen "wer" ihr seid – Fehler sind aber keineswegs ausgeschlossen, wenn ich entsprechendes bei mir versuche zu verbauen. Daher meldet Euch bitte sofort bei mir, ich werde das dann mit Euch absprechen und ggf. abändern. Die jeweiligen Spieler werden von mir in den nächsten Tagen auch eine Email erhalten in der ich einige konkrete Fragen bereits stelle. Über Rückmeldungen würde ich mich freuen. :)
Das Konstrukt der Geschichte steht, die Handlung ebenfalls und anstehende Fragen versuche ich in den nächsten Kapiteln auch gleich noch zu klären. Ein Hinweis an die Legio-Orkis: Asta heiratete sicher keinen Elfen. Sie sucht schon einen Mann... ;)
Die Handlung der Geschichte (und der nachfolgenden, die steht auch schon) sind miteinander verwoben – nicht wundern wenn Ihr Dialoge wiedererkennt. In der Regel dient das als Aufhänger und Hinweis wann und wo wir uns grad befinden.
Zwergengambit - Kapitel I
Verfasst: So 6. Nov 2016, 21:59
von Durin
- Geschichten aus Durins Landen - Zwergengambit
Kapitel 1 Worin der Rat eine Sitzung hat und ein fremder Ork das Land betritt.
Die Glocke an der Väterzinne läutete und Durin, der Enkel Durins, warf unentschlossen den Hühnerschenkel auf den Teller zurück und leckte sich die fetttriefenden Finger. Kein sonderlich königlicher Aufzug, aber er hatte noch Zeit sich die Hände zu waschen und die Krone aufzusetzen – ein einfaches Silberdiadem mit einem einzigen grünen Smaragd darin, der auf seiner Stirn prangte.
Zu spät zu einer Ratssitzung zu erscheinen galt als ausgesprochen unhöflich gegenüber dem König, aber der war er ja glücklicherweise selbst. Die heutige Sitzung des Ältestenrates – von der Mittagsstunde an, eine Tradition deren Sinn Durin angesichts seines nur halb gegessenen Mahles immer mehr zu bezweifeln begann – versprach zumindest interessant zu werden.
Skag und Kurgan, zwei Ratsherren die auch jeweils eine große Sippe anführten, hatten ernste Einwände gegen einige von Durins nächsten Vorhaben vorgebracht. Nicht, dass sie irgendetwas an Durins Entscheidungen ändern konnten aber Durin achtete darauf, was ihm der Rat zu sagen hatte. Nicht selten brachten sie ihn auf gute Gedanken oder aber hielten ihn von allzu offensichtlichen Fehlern ab.
Manchmal allerdings waren sie auch einfach Opposition um der Opposition willen und es war nicht immer leicht, den Unterschied zu erkennen. Durin wurde zwar immer besser darin, die Schliche mancher Ratsmitglieder zu erkennen, aber das hieß noch lange nicht, dass er in der Lage war, mit den erfahrenen Zwergen mitzuhalten.
So hatte er vor einigen Jahren praktisch nicht begriffen, dass sein Vetter Grim in der Tat seine Sippe von den anderen fernhielt und im Grunde ein doppeltes Spiel trieb um entweder Durin loszuwerden und ihn zu ersetzen oder aber um sich von ihm loszusagen.
Natürlich waren er und Grim nie das gewesen, was man Freunde nennen konnte. Sie waren Vettern( Grims Vater Thérin war Laurins Bruder gewesen) und daher zusammen aufgewachsen. Grim war ein paar Jahre älter als Durin was aber angesichts der Lebensspanne der Zwerge nicht wirklich von Bedeutung war. Dennoch, gerade während ihrer Adoleszenz war Grim, stets den Kopf voller Flausen, nie um einen gemeinen Streich verlegen gewesen.
Jahre später, nach dem Krieg und nachdem Durin die schwere Aufgabe übernommen hatte, die Überreste ihres Volkes aus dem Chaos beim Rosengarten herauszuführen, waren sie Partner bei so mancher schwierigen Wanderung gewesen und hatten zusammengehalten als sie wie Nomaden durch die Lande zogen, immer auf der Suche nach einer Heimat, aus der man sie nicht gleich wieder fortjagen würde.
Als aber Durin – der sich sehr für die Geschichte seiner Familie interessierte und von daher auch mit der Geschichte des Volkes gut vertraut war – sich an Moria und die Legenden über die alten Hallen der Zwerge erinnerte, war eine Veränderung mit Grim geschehen die Durin weder erwartet noch bemerkt hatte.
Am Ende war es Skaldor gewesen der ihn darauf brachte, dass Grim eine große Belohnung von Durin erwartete und ansonsten keinesfalls gewillt war, mit ihnen bis Moria zu ziehen.
So bestimmte Durin ihn nach einer Unterredung, die beinahe in Handgreiflichkeiten ausgeartet war, zum Protektor der westlichen Provinz und sorgte somit dafür, dass Grim eine verhältnismäßig kleine und nahe Provinz erhalten hatte. Grim hatte verstanden was Durin befohlen hatte aber da er bekam, was er wollte und zeitgleich nicht bekam was er wollte war ihm auf die Schnelle der Wind aus den Segeln genommen worden. Mittlerweile waren darüber auch einige Jahre ins Lang gezogen und Grim und seine Sippe stellten lediglich jedes Jahr im Monat Kalter Mond ein Problem dar, wenn die Steuern nachgefordert werden mussten.
Durin wusch sich die Finger in der kleinen Silberschüssel, blickte noch einen Moment aus dem Fenster, das nach Süden wies und ihm so einen prächtigen Blick auf die Ebene und vor allem andeutungsweise die Drachenberge im Süden gestattete, schob das Diadem auf die Stirn und ging dann los.
Der Ratssaal war natürlich längst gefüllt und die zwölf Ratsmitglieder saßen auf ihren unbequemen Stühlen und erwarteten den König. Als Durin durch die großen Flügeltüren schritt, sprangen die Ratsmitglieder auf und ebenso wie jeder andere Zwerg im Saal verneigten sie sich vor ihm.
Durin schritt durch den Saal und bedachte den einen oder anderen von ihnen mit einem Lächeln oder einem knappen Nicken, dann stellte er sich vor seinen Thron. Die Wachen schlossen die Flügeltüren nicht, denn heute war eine öffentliche Sitzung des Rates und nicht wenige aus seinem Volk waren gekommen, um sich anzuhören worüber ihre Führer zu beraten hatten.
Dem König gefiel diese Situation meistens, konnte er doch so seine Stärke als gütiger Herrscher ausspielen und Ratsmitglieder wie Skag verschlossen ihre Herzen meistens in diesen öffentlichen Sitzungen.
Durin erhob seine Stimme und sagte: "Es ist die achte Sitzung des Rates im fünften Mond. Ich danke allen für ihr Erscheinen."
Damit war die Sitzung eröffnet und die Ratsmitglieder kletterten auf ihre Sitze. Sie waren absichtlich ein wenig unbequem denn niemand hatte so Lust eine Debatte um der Debatte willen ins Unendliche zu ziehen. Eine kluge Idee, die aber auch nicht immer funktionierte, denn der Redner stand ja meistens.
Der König ließ seinen Blick über die versammelten Mitglieder des Ältestenrates schweifen und fragte sich, wer wohl die Tagesordnung beginnen würde, schließlich hing sie aus und jeder wusste, dass die ersten Themen eher langweiliger Natur waren. Sein Blick blieb kurz auf Kurgan hängen, dem Ältesten unter den Ratsmitgliedern und sofern es nach Durin ging auch dem Verstocktesten. Kurgan war wenigstens sechshundert Jahre alt und er schien all diese Zeit und Erfahrung dazu genutzt zu haben seine Erkenntnisse in Bergkristall zu fassen und dann verstauben zu lassen. Wenn Kurgan eines auszeichnete, dann die Tatsache, dass er von seiner Meinung auch dann nicht abwich wenn um ihn herum das ganze Gebäude brannte. Das war sicher manchmal praktisch, aber meistens stand Kurgan sich, seiner Sippe und nicht selten auch Durin im Weg.
Dorin hingegen, der neben Kurgan saß und nur ein wenig jünger war, gehörte zur Sippe von Himela, einer Zwergin der unerhörterweise das Privileg zuteil geworden war, als erste Zwergin überhaupt zum Protektor ernannt worden zu sein. Durin grinste verstohlen wie er es immer tat wenn er Dorin betrachtete – der alte Zwerg erinnerte ihn einfach jedes mal daran, dass Kurgan kurz vor einem Herzinfarkt gestanden hatte als man ihm diese Neuigkeit mitgeteilt hatte.
Ein paar Plätze neben Dorin saß Skaldor, der jetzt auch prompt aufsprang als des Königs Blick ihn traf und sich verneigte. "Mein König, ich schlage vor wir beginnen die Sitzung mit dem ersten Tagesordnungspunkt. Die Wache im Panamawald hat gemeldet, dass der Nachschub an Nahrung aus den Städten der Menschen an der Goldküste sich immer wieder verzögert und bittet daher um das Jagdrecht und das Privileg des Handels mit Fellen."
Durin nickte ihm zu und Skaldor setzte sich. Jalgat, ein Zwerg in den mittleren Jahren, dessen roter Bart bereits von einigem Weiß durchsetzt war, stand auf und sagte: "Das halte ich für eine gute Idee. Vielleicht erspart das den südlichen Provinzen sogar dauerhaft die Lieferungen was wiederum der Entwicklung von Belegars Gebieten zugute kommen dürfte."
Er setzte sich und Kurgan meldete sich, indem er etwas schwerfällig aufstand. "Ich weiß nicht recht. Das Recht zu jagen ist eigentlich dem König vorbehalten und vielleicht seinen Fürsten und Baronen, aber wenn wir den Wachmannschaften dort die Jagd gestatten steht uns binnen kurzem eine Meuterei ins Haus wenn das die Wachen zum Beispiel hier in Moria nicht auch dürfen."
Auralm, der Herr der Schmiede stand auf und bemerkte: "Die Wachen hier sind nicht in der tiefsten Provinz und dürfen sich, wenn sie frei haben, sehr wohl den Jägern anschließen, Kurgan. Und die Jäger sind mit königlicher Erlaubnis unterwegs, denn, bei allem Respekt, Eure Majestät können nicht für alle Zwerge Morias das Wild fangen."
Hier und da flackerte Gelächter auf und Durin bedachte Auralm mit einem Kopfschütteln obwohl er selbst lächelte. Auralms treffende, selten beleidigende, aber immer eine Spitze enthaltende Bemerkungen waren wie ein kühler Krug Bier an einem heißen Sommertag. Eine Gabe, die der König sehr wertschätzte.
Er hob die Hand und unterbrach damit die Debatte. "Die Wache soll auf die Jagd gehen. Außerdem schicken wir einige Pferdewagen hin, vielleicht kann das die Lieferungen verbessern. Wenn sie handeln wollen sollen sie das tun aber daran denken, dass die königliche Schatzkammer drei von zehn Silber bei Handelsgeschäften erhält."
Damit war die Sache entschieden und der Rat widmete sich dem zweiten Punkt.
Der König und, wie er mit einem Blick bemerkte, auch die Untertanen langweilten sich zäh durch die nächsten Punkte, Getreidelieferungen an die Eisenburg, die Steuern von Grim waren eingetroffen, Waffen aus den Drachenbergen standen für die Krieger bereit, die gerade in der Wüste ausgebildet wurden und so weiter.
Durin musterte verstohlen die goldene Inschrift, die den Boden zierte und den anwesenden Rat daran erinnerte, welche Opfer ihnen hier in genau diesen Räumen abverlangt worden waren. Eigentlich kein gutes Omen für den letzten Tagesordnungspunkt.
Beim vorletzten Punkt aber wurden die Debatten wieder lebhafter. Skag, ein in seiner Sippe sehr geachteter Zwerg, führte wortreich aus, dass die Kolonie im Zwergenwald bislang keine Meldung gemacht hatte. Durin versuchte, sich die Einzelheiten dieser Begebenheit wieder ins Gedächtnis zu rufen als Vikram ihm das wortreich abnahm.
Er stand auf uns sagte: "So, Skag, Du hast also nichts mehr von Deinem Sohn gehört. Fein. Ich übrigens auch von meinem nicht. Vor acht Wochen schickten wir die Zwerge unter der Führung Deines Sohnes in den Wald um eine kleine Enklave zu errichten. Wundert Dich, dass er noch nicht nach der Mutterbrust schrie? Oder was willst Du uns damit sagen? Acht Wochen sind keine lange Zeit – bis sie einen geeigneten Platz gefunden haben mögen schon einige Tage vergehen. Vielleicht wurden sie aufgehalten. Hast Du so wenig Zutrauen zu Deinem Sohn, dass Du von Sven einen täglichen Bericht brauchst?"
Er setzte sich und wie erwartet explodierte Skag und vergaß vor Aufregung sogar sich von seinem Stuhl zu erheben.
"Dein Verhalten ist beschämend, Vikram, und auch der Onkel des Königs kann so nicht im Rat sprechen. Ich habe das höchste Maß an Zutrauen zu Sven, darum habe ich ihn ja für diese Mission dem Rat empfohlen!" Er ließ seinen Blick hochmütig über den Rat und die Zuschauer schweifen und als sein Blick beim König anlangte erstarrte er, stand auf und verneigte sich. "Ich bitte um Vergebung, mein König."
Durin bedeutete ihm mit der Hand fortzufahren und Skag wandte sich wieder allgemein an den Rat: "Ich fordere lediglich den Rat auf, Nachforschungen anzustellen ob ich der einzige bin, der bislang nichts von ihnen gehört hat. Wie sich der Rat vielleicht erinnern möchte – sofern er dazu in der Lage ist", fügte er mit einem Seitenblick auf Vikram hinzu was dieser mit einem amüsierten Lächeln zur Kenntnis nahm, "befahlen wir Sven, nach sechs Wochen einen Boten zu schicken um uns über die Fortschritte oder die Schwierigkeiten zu unterrichten. Der Bote mag sich um ein paar Tage verzögern, aber zwei Wochen sind ein Anlass zur Beunruhigung. Vielleicht ist der Bote unterwegs verschollen aber vielleicht wurde er gar nicht entsandt."
Er setzte sich und Durin legte den Kopf schräg und dachte nach. Sie hatten nach einer zähen Debatte rund einhundert Zwerge in den Wald geschickt, eigentlich eine Aufgabe welche die Zwerge lieber an Menschen weitergaben aber sie hatten auf die Schnelle keine menschlichen Holzfäller finden können und schließlich kam der Rat auf den Gedanken, selbst zwergische Holzfäller zu schicken. War es nicht Skags Idee gewesen? Durin dachte an die lebhafte Debatte. Ja, es musste Skags Idee gewesen sein und das würde erklären warum Vikram so vehement dagegen gewesen war.
Durin winkte eine Wache zu sich und flüsterte ihr kurz etwas ins Ohr. Dann wandte er sich dem Rat zu und sagte: "Tatsächlich bin ich selbst neugierig, wie es wohl den Zwergen im Wald ergangen sein mag. Weiß der Rat um die genaue Liste von Kameraden, die Sven mitzunehmen gedachte?"
Skag stand auf und verneigte sich erneut. "Mein König, ich müsste eine solche Liste in meinen Papieren haben. Wenn ihr wünscht, dann hole ich sie Euch." Durin gab ihm einen Wink und Skag wiederum winkte einen seiner Adjutanten zu sich und flüsterte ihm kurz etwas ins Ohr, woraufhin sich selbiger sofort aus dem Staub machte.
Ratsherr Jorborix stand auf und sagte: "Meine Sippe hat acht Zwerge mit Sven Fierless mitgeschickt. Ich kann mich aber nicht entsinnen, von ihnen etwas gehört zu haben, mein König." Durin nickte ihm freundlich zu und Jorborix setzte sich wieder. Er war der Älteste seiner Sippe und im Grunde ein gutmütiger Zwerg aber nicht gerade das schärfste Messer im Besteck des Königs. Seine Fragen in so mancher Debatte – auch heute, denn er verstand nicht (oder wollte nicht verstehen), was ein Pferdewagen mit zwergischem Handel zu tun haben sollte – sorgten in aller Regel für heimlich verdrehte Augen und zähe Stunden, bis man ihm auch das letzte Detail so erklärt hatte, dass er es verstanden hatte.
Darum hatte Durin vor einiger Zeit Durak in den Rat berufen, Jorborix' Großneffen zweiten Grades, der damit der gleichen Sippe entstammte und wesentlich klüger war als sein Onkel. Er blickte daher kurz fragend zu Durak, der ebenfalls den Kopf schüttelte. Na wenigstens war das gewiss.
Kurz darauf betrat ein anderer Zwerg die Halle. Er trug einen mit reichlich Ornamenten geschmückten Plattenpanzer über einem stahlgrauen Kettenhemd, was ihn als Mitglied der Wache Morias auswies. Die Verzierungen am Eisenkragen zeigten, dass er Hauptmann war und somit ein hoher Offizier.
Er betrat die Mitte des Ratskreises, verneigte sich und schwieg. Durin lächelte ihm zu und sagte: "Snorri, Hauptmann der Wache Morias. Wenn ich mich recht entsinne ist einer Deiner Söhne mit Sven Fierless mitgegangen."
Snorri verneigte sich erneut, schaute dann aber verlegen zur Seite. "So ist es, mein König. Theredred ist sein Name. Er ist sehr geschickt mit dem Beil und brannte darauf, seine Künste einmal unter Beweis stellen zu können." Durin nickte als sei ihm dies bekannt. "Nicht jeder kann ein guter Soldat sein, Snorri. Hast Du von Deinem Sohn eine Nachricht bekommen seit er aufgebrochen ist?"
Snorri dachte nach. Dann sagte er: "Zwei Wochen nach ihrem Aufbruch erhielt ich einen Brief, mein König. Die Gruppe war zu dieser Zeit in Wißheim und danach war er sich unsicher, ob er Post schicken könne und schrieb, er werde sich melden sobald ein ordentlicher Postdienst eingerichtet wäre."
Durin nickte ihm zu. "Danke, Snorri. Du kannst auf Deinen Posten zurückkehren."
Snorri verneigte sich erneut und sagte: "Zu Euren Diensten, mein König", bevor er sich abwandte und wieder ging. Durin war beinahe überzeugt, dass Snorri Skag einen kurzen Blick zugeworfen hatte, aber er war sich nicht ganz sicher.
Skag erhob sich, sobald Snorri den Raum verlassen hatte und sagte: "Ich habe die Listen hier, mein König. Wünscht Ihr, dass ich mit jeder Sippe spreche?"
'Ja, natürlich. Um sicherzustellen, dass sie das richtige sagen', dachte Durin und sagte laut: "Ich glaube, ich weiß noch einen Weg." Er ließ seinen Blick über die Ratsmitglieder schweifen und schließlich zu den Zuschauern. Dort blieb sein Blick an einem jungen Zwerg hängen, den er schon einige Male gesehen hatte.
Wie hieß er noch gleich? Er war als Knappe der Wachschar zugeteilt, fügte sich aber mitunter nur unwillig. Trotz der zum Teil unendlichen Regierungsgeschäfte nahm sich Durin hin und wieder die Zeit um sich nach den Fortschritten der jungen Zwerge in seinem Machtbereich zu erkundigen. Es gab nur so wenige von ihnen – die Zahl der Zwerge schwand.
Er hatte die gleichen Augen... ja, er erinnerte Durin an Sigrid, eine junge Zwergenfrau aus der Sippe von Skaldor. Durin war auch einmal richtig jung gewesen und im Alter zwischen zwanzig und hundertzwanzig Jahren kochte auch bei den Zwergen das Blut. Und Sigrid, die im Rosengarten sang und sich unter den Wasserfällen die Füße wusch... Rorek hieß der Junge.
Sigrid hatte den jungen Prinzen nicht einmal bemerkt gehabt und Durin hatte keine Ahnung, wie er sich einer so schönen Frau nähern sollte – und Sigrid war auch längst verheiratet gewesen mit jenem anderen Durak – der wiederum Roreks Onkel war.
Aber der junge Rorek hatte ihre Augen – und auch etwas von ihrem Gebaren, dachte Durin. Soweit ihm Vikram berichtet hatte langweilte sich Rorek in den Bücherstuben und mochte die Schulbildung, die allen jungen Zwergen erteilt wurde, damit sie verstanden, woher sie kamen und warum sie nun hier waren, überhaupt nicht.
Das gefiel Durin irgendwie. Er winkte Rorek zu sich heran und sagte: "Komm mal her, junger Rorek." Der Angesprochene machte ein überraschtes und dann fast ängstliches Gesicht. Durin winkte erneut und irgendjemand hinter Rorek gab ihm einen Stoß, so dass Rorek einige Schritte nach vorne stolperte. Als er dicht beim König stand, sah Rorek auf seine Stiefelspitzen und murmelte etwas.
Durin lächelte und sagte: "Geh und such' mir bitte den alten Balin. Er wird wohl in der Taverne sein. Bring ihn her." Rorek nickte und stob davon. Natürlich vergaß er, sich zu verneigen.
Der König wandte sich an den Rat und sagte: "Balins Sohn ist ebenfalls auf dieser Fahrt, soweit ich mich erinnere. Wir werden ihn noch befragen und dann entscheiden."
Skaldor stand auf und verneigte sich. "Eure Erlaubnis vorausgesetzt, mein König, würde ich dann den letzten Punkt der Tagesordnung vorziehen. Unser Gast." Durin gab Skaldor einen Wink und die Flügeltüren zum Thronsaal öffneten sich und ein Ork betrat den Saal. Er trug ein rotes Zeichen auf seinen zerschlissen wirkenden Kleidern und die Zuschauermenge teilte sich rasch um ihm Durchlass zu gewähren.
Der Ork bemerkte die teilweise angewiderten Mienen sehr wohl, aber sein eigenes Mienenspiel blieb erstaunlich ruhig. Er fletschte ein wenig die Zähne, gab aber keinen Ton von sich. Schließlich erreichte er den Ratskreis und verneigte sich sparsam vor dem König. Durin nickte ihm zu und sagte: "Ich grüße Euch, Botschafter Uglûz von den RedOrks." Der Angesprochene ließ den Blick kurz in die Runde schweifen und erstmalig zeigte sein Mienenspiel eine kleine Regung: Er verbiss sich offenbar ein Grinsen. "Durin, König von Durins Enkeln, ich grüße Euch. Die RedOrks entsenden mich als Botschafter in Eure Hallen und erbitten im Gegenzug ebenfalls einen Botschafter nach Orkenhort im Norden. Dem Botschafter wird freies Geleit zugesichert. Das wird Verhandlungen über Grenzziehungen zwischen unseren Reichen vereinfachen."
Er grinste dieses Mal tatsächlich und Durin gestattete sich ein kühles Lächeln. "Ich höre Eure Worte und bin geneigt ihnen zu folgen. Dennoch wird der Rat zuerst Euer Angebot beraten. Wir werden Euch von unserer Entscheidung unterrichten."
Der Ork nickte knapp, deutete eine Verbeugung an und verließ die Halle. Es dauerte nicht lange und Skag sprang auf. "Mein König, verzeiht meine offenen Worte, aber das kann doch nicht Euer Ernst sein!" Skaldor stand ebenfalls auf und sagte: "Ich weiß nicht so recht – bei dem Gedanken, hier einen Ork zu tolerieren, fühlt sich glaube ich keiner wohl. Warum sollten wir das tun?"
Durin hob eine Hand und die beiden setzten sich wieder. "Ich würde zuerst gerne erfahren, wer sich spontan gegen den Ork in unseren Hallen aussprechen will." Kurgan stand auf und kurz darauf Jorborix und Skag. Skaldor, Dorin und Jalgat folgten ihnen und auch der junge Durak stand plötzlich neben seinem Onkel. Auch Grindol stand auf – schwerfällig wie immer, dachte Durin leicht gehässig. Er nickte den Zwergen zu und bat sie, sich wieder zu setzen.
Vikram erhob sich und sagte: "Die RedOrks sind ein Volk von Orks, das an die nördliche Küste dieses Kontinents gespült worden ist. Unsere Späher begegneten den ihren vor etwa einem Monat. Beinahe wäre es zu einem Schusswechsel gekommen, aber der RedSpäher stürzte unglücklich und brach sich das Bein. Unser Späher beschloss, den Ork nicht zu töten und sie sprachen eine Weile miteinander – natürlich in der Menschensprache. Schließlich schiente er dem Ork das Bein und half ihm, wieder nach Hause zu kommen.
Das war der Beginn einer eigentümlichen Art des Kontaktes. Wir tauschten Botschaften aus und in der Tat haben sich die Orks entlang unserer Nordgrenze breitgemacht. Sie überschritten sie allerdings nicht, sondern boten stattdessen einen Gesandten an. Der ist nun hier."
Er setzte sich und Kurgan stand auf. "Wie lange seid Ihr denn schon eingeweiht, Vikram?" Der Angesprochene lächelte und sagte: "Ungefähr seit einem Monat."
Kurgan runzelte die Stirn. "Der König weihte also Euch ein und nicht den ganzen Rat. Was mag wohl seine Absicht gewesen sein?"
Durin runzelte nun seinerseits die Stirn. Eine solche Respektlosigkeit war äußerst ungewöhnlich und das auch noch ganz besonders für Kurgan, der sonst viel Wert auf Etikette legte. Er sagte aber nichts sondern überließ es Vikram, die Auseinandersetzung zu führen.
"Eigentlich war es eher umgekehrt. Der Späher kam aus meiner Sippe. Er kam zu mir und erzählte, was er getan hatte. Dann bekamen wir einen Gesandten mit einer Dankesbotschaft. Daraufhin ging ich mit dieser zum König. Wir schickten eine Antwort. So einfach ist das."
Kurgan schüttelte sich. "Ihr wollt einen Ork hier dulden, noch dazu einen, der von einer Horde stammt, die unsere Grenze bedroht, wie Ihr sagt? Habt Ihr denn alle den Verstand verloren?" - "Von 'bedroht' war nie die Rede, meine ich.", sagte Auralm und stand auf. "Die Orks sind im Norden, ja. Wir haben die Lande dort nur marginal erkundet. Bislang konzentrieren wir uns auf die Verwaltung dessen, was uns wirklich zusteht, nicht aber auf die Eroberung."
Er setzte sich und Kurgan stand wieder auf. "Natürlich nicht. Aber Orks werden das tun, sie tun es immer. Habt Ihr vergessen, was mit unserem Volk geschehen ist?" - "Natürlich nicht. Genau deswegen sollten wir uns ja mit ihnen unterhalten statt sie zu erschlagen und am besten geht das nun einmal, wenn einer von ihnen hier ist."
"Orks in unseren Hallen! Orks, die ihre schmutzigen Füße auf das Grab Durins stellen während sie uns ihre Forderungen diktieren! Niemals kann ein Zwerg aus der Sippe Durins sich dies bieten lassen. Alleine der Vorschlag ist Wahnwitz!", wütete Kurgan und schüttelte seinen Stab. Sofort sprang Vikram auf und hielt seine Gegenrede: "Was ist denn Euer Gegenvorschlag, mein lieber Kurgan? Sollen wir, die wir gerade Fuß fassen in diesen Bergen, etwa gleich Krieg führen? Wir wissen doch gar nichts über das Volk dort im Norden. Wer weiß denn, wie zahlreich sie sind? Einen Krieg zu führen sind wir doch kaum in der Lage. Wir können unsere Hallen bewachen und wir bilden ein paar Kompanien aus – aber erst im Verlaufe der Zeit wird unser Volk soweit anwachsen, dass es eine militärische Macht sein kann. Willst Du Hunderte unserer jungen Zwerge ins Verderben führen? Ohne mich! "
Er setzte sich wieder und Kurgan machte Anstalten sich zu erheben, als Durin die Hand hob. Es reichte wirklich. Durin wusste, er musste die Entscheidung fällen und im Grunde hatte er das längst, aber es wäre sicherlich klug, dem Rat das Gefühl zu vermitteln, er habe ihre Ansichten sorgfältig durchdacht. Also sagte er: "Genug. Ich habe Eure Ansichten gehört. Morgen zur Stunde des vierten Hammerschlages werden wir wieder zusammenkommen und ich werde Euch meine Entscheidung mitteilen."
Kurgan sah aus als wollte er gleich wieder auffahren, aber ein Blick zu Grindol ließ ihn schweigen. Durin war sich darüber im Klaren, dass die Opposition hier stark sein würde, aber mit Skaldors und Duraks Ablehnung hatte er nicht gerechnet. Er würde mit Vikram darüber sprechen müssen, sobald diese leidige Sitzung vorbei war. Wo blieb eigentlich Balin?
Durin sah sich in der Halle um, aber er entdeckte ihn nicht. Dafür Rorek, der offensichtlich nervös war. Balin war also betrunken und Rorek wusste nicht, wie er es sagen sollte. Dem konnte Durin aber abhelfen und er fragte: "Nun, Rorek? Hast Du meinen Auftrag ausgeführt?"
Rorek trat einen Schritt nach vorne und sank auf die Knie. "Nicht ganz, mein König.", sagte er unbeholfen. Durin sah ihn abschätzig an, aber seine Miene gab nichts preis. Dann fragte er: "Und wie darf ich das verstehen?" Rorek schluckte, dann sagte er: "Ich habe ihm ausgerichtet, dass... Also ich habe ihm gesagt, dass Ihr..."
Durin lächelte und unterbrach das Gestammel. "Ich werde Dir schon nicht den Kopf abreißen, Rorek. Sammle Dich und probiere es noch einmal."
Rorek räusperte sich, blickte aber weiter zu Boden als er es noch einmal versuchte: "Mein König, ich habe ihm ausgerichtet, dass Ihr ihn zu sehen wünscht. Er war nur leider... unpässlich."
Durin nickte, als habe er genau diese Antwort erwartet. "Und ich nehme an, er weigerte sich, zu kommen?"
Rorek hob die Schultern und sah dem König kurz ins Gesicht, bevor er hastig den Blick wieder senkte. "Er wollte nicht so recht, mein König. Aber er ist..." - "Unpässlich, das sagtest Du schon. Nun gut...", sagte Durin und gab zwei der Wachen einen Wink, die sich sofort durch die Menge drängten.
"Das wird kaum nötig sein, Durin!", ertönte eine volle Stimme vom Eingang der Halle her.
Der König blickte zum Eingang und dort stand Balin. Er trug keine Waffen aber seine ganze Körperhaltung strotze vor Herausforderung. Er schritt durch die Zuschauer und trat vor Durin. Der König stand noch und machte keine Anstalten, sich zu setzen.
"Du hast nach mir geschickt, mein König?", fragte er in einem höchst angriffslustigen Tonfall. Durin grinste und dachte: 'Na, das Spiel kann ich auch.' Laut sagte er: "Gut, dass Du gekommen bist, Balin. Sogar halbwegs nüchtern, welche Überraschung...."
Ein leises Lachen, nicht selten hämisch, lief durch die Halle. Balin gab durch keine Regung zu erkennen ob er die Beleidigung als eine solche empfand und hob die Schultern. "Ein alter Zwerg darf sich ja wohl hin und wieder einen Schluck Bier gönnen, oder? Jetzt jedenfalls bin ich da, also was willst Du?"
Durin wurde ernst und schritt zu seinem Thron zurück. Als er darauf saß sagte er: "Wir haben seit zwei Monden keine Nachricht von unserer Expedition in den Zwergenwald gehört. Ich wollte in Erfahrung bringen ob Dein Sohn Dir vielleicht eine Nachricht geschickt hat."
Balin lachte. Dann sah er Durin mit einem Ausdruck an, der an Majestätsbeleidigung grenzte. "Mein König, wenn er eine Nachricht geschickt hätte, dann eher Dir als mir. Ich habe nichts mehr von ihm gehört seit er beschlossen hat statt nach Gold zu graben lieber nach Holz zu suchen. War das alles?"
Durin lachte und schüttelte den Kopf. "Das war alles, was ich von Dir wissen wollte, ja. Nun, nachdem Du so viel von Deinem Sohn hältst wüsste gerne, ob Dich interessiert, was ihm wohl zugestoßen sein mag?"
Balin warf einen kurzen Blick auf den Rat, der schweigend dasaß und keine Miene verzog. Durin wunderte das nicht. Der Rat verdaute noch immer die Sache mit dem Ork und das sogar ohne dass sie schon wussten, was er vorhatte. Der König richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den alten Zwerg. Ob Balin ahnte, was ihm blühte? Durin schätzte den alten Zwerg außerordentlich, aber Balin war in den letzten Jahren schwierig geworden. Der Verlust seines Weibes, sein Sohn, der dem Vater keinen Respekt zollte und sein Hang zum Bier machten Balin das Leben zwar nicht leicht, aber Durin hatte beschlossen, dass Balin eine Veränderung gut tun würde. Und gerade kam ihm eine gute Idee, wie er das bewerkstelligen konnte.
Etwas schleppend sagte Balin: "Was mein Sohn und dieser Sven dort treiben, mag sich meiner Kenntnis entziehen, mein König. Aber es liegt mir auch nicht daran, es in Erfahrung zu bringen."
Durin nickte. "Das habe ich mir gedacht. Darum wirst Du morgen früh aufbrechen um es herauszufinden. Da es sein kann, dass die Expedition in Gefahr ist, werde ich Dir einige Krieger mitgeben."
Balin erstarrte. "Mein König, ich sagte doch..:"
Durin hob erneut seine rechte Hand und brachte ihn mit einer knappen Geste zum Schweigen. "Ich habe Dich gehört, Balin. Und ich bin den Hader und den Zwist leid, den Du hier zu verbreiten scheinbar als Deine Lebensaufgabe betrachtest. Ich bin es auch leid, dass Du, nur um mit mir, ausgerechnet Deinem König, Streit anzufangen, Dich mit Deinem Sohn entzweit hast. Das ist nicht unsere Art.
Dein Auftrag lautet also in den Zwergenwald zu reisen und in Erfahrung zu bringen, wie sich die dortige Siedlung macht. Außerdem wirst Du Dich mit Deinem einzigen Kind versöhnen. Dann wirst Du mir Bericht erstatten.
Morgen früh, Balin. Deine Kameraden werde ich heute im Verlauf des Tages auswählen. Du wirst mit den ersten Sonnenstrahlen aufbrechen. Also schärfe Deine Axt!"
Balin schwankte und einmal mehr schien er seinen Zustand zu ändern. Auf einmal wirkte er wirklich betrunken. Durin erkannte, dass er den Bogen überspannt hatte. Er warf kurz einen Blick auf den jungen Rorek der das ganze mit schadenfroher Miene beobachtete und fasste willkürlich noch einen Entschluss: "Deinen ersten Reisegefährten kennst Du sogar schon. Rorek wird sicher viel von Dir lernen können. Und sei es auch, indem Du ihm ein schlechtes Beispiel bietest."
Das schien Balin den Rest zu geben.
Die Ratssitzung war eilig abgebrochen worden und Durin saß mit Vikram und seiner Schwester Asta in seinen Gemächern. Asta kicherte, als Durin für sie die Ereignisse des Tages zusammenfasste und er warf ihr einen finsteren Blick zu.
"So komisch ist das gar nicht. Ich will Balin eigentlich nur helfen aber ich glaube fast, dass das ein Fehler ist." Vikram trank einen Schluck Bier, wischte sich genießerisch über den Bart und sagte dann: "Durin, das war eine brillante Idee." Durin hob unglücklich die Schultern. Vikram nickte nachdrücklich. "Doch, wirklich. Ich kenne eine Menge Zwerge, die Balin schon längst aufgegeben hätten, aber Du hast immer fest zu ihm gestanden." Da dies eine informelle Sitzung mehr innerhalb der königlichen Familie war, verzichteten sie auf Förmlichkeiten.
"Was ich aber nicht so ganz begriffen habe ist, warum Du diesen Jungen mit ihm mitschickst." Durin hob die Schultern. "Rorek hat nicht viel für Balin übrig. Ich weiß nicht was zwischen den beiden vorgefallen ist, aber er hatte mit solcher Schadenfreude Balins Urteil vernommen, dass ich wütend geworden bin. Was bildet sich dieser Junge eigentlich ein? Naja, also muss er zur Strafe eben mitgehen."
Asta lächelte immer noch, sie hatte überhaupt gute Laune heute. "Er wird schon nicht gleich dran eingehen.", meinte sie und Vikram grinste. "Ja, vielleicht. Oder er verfällt auch dem Bier."
Durin lächelte säuerlich. "Ich weiß ja nicht... Naja, dann sollten wir ihnen aber ein paar Leute mitschicken, die auf den Jungen und auch auf Balin aufpassen. Ich will jetzt nicht den ganzen Tag damit vertun, wir haben Wichtigeres zu besprechen. Vikram, kannst Du Dich um die Leute kümmern?" Vikram nickte. "Danke. Ich denke, wir schicken Alrik mit, der sollte eigentlich in der Lage sein Balin im Zaum zu halten. Such Du die anderen aus." Vikram nickte erneut und fragte: "Rechnest Du mit Schwierigkeiten?"
Der König wiegte den Kopf hin und her. "Man kann nie wissen. Skags Unruhe ist nicht allzu weit hergeholt, oder?" Vikram hob die Schultern. Durin nickte bedächtig. "Ja, gib der Gruppe einige kampferfahrene Männer mit, notfalls ziehe welche aus der Wache ab. Mir ist lieber sie langweilen sich als dass die Erkunder ein mögliches schreckliches Schicksal der Kolonie teilen."
Vikram nickte, schrieb sich einige Dinge auf ein Stück Pergament und rollte dieses zusammen, um es in seine Armschiene zu stecken. Dann ergriff er erneut das Wort: "Hast Du Dich schon bezüglich dieses Orks entschieden?"
Durin lehnte sich zurück und trank einen Schluck von seinem Bier. Dann sagte er: "Natürlich. Wir werden eine neue Wohnebene ausheben, weit weg von unseren Minen und den wertvollen Bereichen. Dort schaffen wir Platz für die Botschafter und bauen einen Ratssaal für Verhandlungen mit ihnen."
Vikrams Augenbrauen wanderten nach oben. "Das wird ihnen nicht gefallen." Durin hob die Schultern. "Kann schon sein. Aber das braucht mich ja glücklicherweise nicht allzu sehr zu bekümmern, nicht wahr?" Vikram nickte unwillig und Durin lächelte. "Siehst Du? Wir machen es sogar richtig wohnlich – die Botschaftsquartiere bauen wir in den Südhang ein so dass jeder Botschafter einen Balkon bekommt und Sonne."
Vikram grinste. "Das wird dem Ork sicher gefallen. Sonnenlicht." Durin hob die Schulter. "Er kann ja Vorhänge anbringen lassen. Außerdem... naja, sagen wir einfach, er ist nicht der einzige, der in den nächsten Monaten dort einziehen wird."
Vikram sah ihn erstaunt an. Durin hob die Schultern. "An unseren Küsten landen immer mal wieder Schiffe. Wir sind nicht alleine und ich sehe keinen Grund, warum wir mit anderen Völkern gleich auf Kriegsfuß stehen sollten. Im Gegenteil." - "Im Gegenteil?" - "Vikram, mach Dir bewusst, wie wenige von uns noch da sind. Wir sind ein sterbendes Volk und unsere Zahl schwindet seit Jahrhunderten. Wenn die Legenden wahr sind, dann haben hunderttausende Zwerge einst das Reich Moria bewohnt. Zehntausende lebten im Rosengarten als ich dort geboren wurde. Wie viele sind wir jetzt? Einige tausend? Der Krieg um den Rosengarten ist natürlich schuld, aber das alleine war es nicht, nicht wahr? Unsere Zahl schwindet und wenn wir diesen Trend nicht aufhalten werden irgendwann die letzten Zwerge Fantasya verlassen haben."
Vikram nickte nachdenklich.
"Darum müssen wir versuchen, mit einigen Traditionen zu brechen", fuhr Durin fort und nippte nochmal an seinem Krug, "und eben auch mit unseren Nachbarn auszukommen. Denn was machen wir denn, wenn ein feindlich gesonnenes Heer plötzlich über die Grenze marschiert oder an unseren Küsten landet? Natürlich werden wir kämpfen und jeder Feind wird schön blöd dastehen wenn er keinen Nachschub hat. Manche haben ihn aber. Und darum brauchen wir Verbündete und auch Freunde – Zwerge sind gute Nahkämpfer aber wir haben nur wenige gut ausgebildete Schützen. Im Vergleich zu den Elfen verstehen wir nichts von Magie. Wir vermehren uns nicht so schnell wie Orks oder Menschen. Den Stärken dieser Völker nur unsere Stärken entgegenzusetzen ist kurzsichtig, auch wenn ein alter Schwachkopf wie Kurgan wahrscheinlich noch Jahre brauchen wird, um das zu begreifen. Mit unseren Stärken bieten wir nämlich auch unsere Schwächen an. Und die müssen wir auszugleichen suchen."
Durin trank erneut und gab Vikram Zeit über diesen Gedankengang nachzudenken. Asta warf Vikram einen Blick zu und fragte: "Aber wenn unsere Zahl so schwindet...?" - "Warum ich nicht heirate?", fragte Durin und grinste. Asta nickte und er hob die Schultern. "Irgendwann läuft schon noch die richtige für mich vorbei."
Vikram nickte. "Sicher. Und derweil verzehrt sich Himela nach Dir in den fernen Drachenbergen, was?" Durin wurde rot, grinste aber und alle lachten. Dann sagte Vikram: "Ich kann Deinen Gedankengang nachvollziehen aber das wird ein hartes Stück Arbeit." Durin hob die Schultern und sein Gesicht verdüsterte sich. "Ja, wahrscheinlich. Insbesondere jetzt wo anscheinend auch noch Durak und Skaldor zu Skag und Kurgan übergelaufen sind. Ich frage mich, was die wohl aushecken."
Asta schüttelte den Kopf. "Ich glaube, Du siehst zu schwarz. Ich..." sie unterbrach sich, weil es vernehmlich an der Tür klopfte. Durin stand auf und rief: "Ich lasse bitten."
Ein junger Zwerg betrat den Raum und verneigte sich tief. "Mein König, bitte verzeiht die Störung. Aber Ratsherr Durak wartet draußen und bittet um eine Audienz und das Privileg einer Unterredung." Durin warf einen überraschten Blick auf Vikram. "Meinst Du, die haben sich schon einen Plan zurechtgelegt und schicken jetzt Durak um ihn zu verkünden?"
Vikram schüttelte den Kopf. "Nein. Bis die den Jorborix erklärt haben vergeht noch einige Zeit." Durin grinste boshaft. "Na sehen wir mal, was er will." Asta stand auf. Durin warf ihr einen verwirrten Blick zu und sagte: "Ich lasse also bitten."
Zwergengambit - Kapitel II
Verfasst: So 27. Nov 2016, 23:38
von Durin
Kapitel 2 Worin Asta ihren Bruder bittet eine Hochzeit auszurichten.
Tief in den Minen von Moria griff Ratsherr Skag nach einem Bierkrug und sah sich in der nur spärlich beleuchteten Kaverne um. Zwei kleine Öllichter hingen an den Wänden und tauchten den Raum in ein tiefes Halbdunkel was ihm eine nächtliche, fast bedrohliche Atmosphäre gab.
Sechs große und vier kleinere Gestalten saßen um den Tisch in der Mitte der Höhle. Sie alle trugen lange Mäntel mit Kapuzen, was ihre Gestalten zusätzlich verhüllte. Skag war das nur recht; schon die Tradition erforderte, dass Verschwörungen stets im Halbdunkel von dunklen Gestalten geplant wurden, nicht wahr? Außerdem war es vielleicht gar nicht schlecht, dass die großen Leute nicht genau wussten, wer er eigentlich war.
"Ihr meint, er wird wirklich Orkhorden ins Land lassen?", fragte nun einer der Menschen mit unterdrückter Heftigkeit. Skag kannte ihn genau obwohl der Mensch ihn in seinem kurzen Leben noch nie gesehen hatte. Er nickte nachdrücklich und sagte: "Ich habe einen Informanten im Rat. Anscheinend wird genau das diskutiert obwohl der Rat sich gegen den König stellt."
Der Mensch wandte sich halb ab und sprach leise mit einigen seiner Genossen. Schließlich fragte er: "Und warum wollt Ihr das bekannt machen?" Skag hob übertrieben die Schultern. "Das fragt Ihr noch? Wer weiß denn, was passieren wird, wenn erst Orks die Hallen bevölkern? Soll ich mein Weib nun stets begleiten? Da ist man doch nie mehr sicher. Müssen wir nun Wachen aufstellen um die Kinder zu schützen?" Das war gar nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt wie sich Skag mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck eingestand. Aber wie anders als in eine Wahrheit gewickelt verkaufte man eine Lüge?
"Das erklärt noch immer nicht, warum ihr ausgerechnet mit uns sprecht.", sagte der Mann und seine Stimme klang entspannt, auch wenn sich ein lauernder Unterton eingeschlichen haben mochte. Skag wies auf den Zwerg neben sich. "Targ hier erzählte mir, dass Ihr über ein großes Netzwerk von Vertrauten verfügt." Der Mensch wich ein wenig zurück. "Möglich.", sagte er mit neutraler Stimme. Skag nickte und achtete dabei darauf, dass außer seiner Nase und seinem Bart nichts aus dem Schatten der Kapuze ragte.
"Nun, ich bin ein einfacher Klingenschmied und verstehe nicht viel von solchen Sachen. Aber ich mache gute Geschäfte mit den Menschen und wenn diese plötzlich weggehen würden weil sich hier Orks herumtreiben wäre das mein Schaden. Außerdem ist der König nun einmal der König. Ihr hingegen habt Eure Bürgermeister und Eure Ritter – denen leiht der König sein Ohr. Und die wissen vielleicht auch etwas darüber – etwas das Ihr wiederum vielleicht hören könntet."
Der Mensch sah ihn abschätzig an. "Also verlangt Ihr, dass wir unser – vielleicht vorhandenes – Netzwerk nutzen sollen um.. was?" Skag hob die Schultern. "Vielleicht sollten wir unser Wissen teilen. Einander helfen." Er wartete ab und versuchte sich seine Gedanken nicht anmerken zu lassen. 'Oh was für ein verworrenes Netz wir spinnen!', es war zum Lachen.
Der Mensch beriet sich kurz mit dem anderen neben sich. In der stillen Höhle war ihr Getuschel leicht zu vernehmen. Zu Skags Ärger benutzten sie aber ein Idiom, das er nicht verstand. Vielleicht eine Geheimsprache.
Der Mensch wandte sich wieder den Zwergen zu und sagte: "Wir werden darüber beraten. In einer Woche treffen wir uns in Grollheim. Kommt gegen Mitternacht in den Garten des Raulos. Dann werden wir Euch unsere Entscheidung mitteilen."
Skag deutete eine Verneigung an und der Mensch ergriff seinen Mantel und wandte sich ab. Schweigend verließen die Gäste die Höhle und Skag konnte sich darauf verlassen, dass Sahrdosch sie in Empfang nehmen und durch die verschlungenen Pfade über die kleine Geheimtüre wieder nach draußen führen würde.
Etwas derart brisantes wie diese Fluchttür den Menschen zu verraten bekümmerte ihn nicht sonderlich. Menschen waren dumm und sie lebten auch nicht besonders lange. Außerdem gedachte Skag keinesfalls, diesen Menschen nach Abschluss der Sache am Leben zu lassen. Mitwisser waren immer gefährlich.
Als die Menschen einige Augenblicke weg waren, legte Skag die Kapuze ab und sah Baschurr nachdenklich an. "Meinst Du, sie haben begriffen, was ihre Aufgabe sein wird?" Baschurr schüttelte den Kopf. "Nein, Herr." Skag nickte und sagte: "Dann werden wir sie überzeugen müssen. Ich werde mir etwas einfallen lassen. Durin darf auf keinen Fall an seinem Kurs festhalten. Vielleicht werden ihm wütende Menschen mehr bedeuten als ein ablehnender Rat."
"Also, ich muss zugeben, damit hast Du mich ziemlich unerwartet getroffen, Schwester. Mitten ins Herz.", sagte Durin und legte die Füße auf einen niedrigen Schemel. Sie saßen in den behaglichen Privatgemächern des Königs und Durin in seinem Lieblingssessel. Den hatte Asta gefertigt, nachdem sie Moria zurückerobert hatten, und die Weichheit seiner Kissen hatte Durin so manche Stunde des Nachdenkens versüßt.
"Kann sein. Aber ich fand, es war einfach an der Zeit. Und Durak ist ein guter Zwerg.", sagte Asta und Durin hob die Schultern während er gleichzeitig über das Leuchten in ihren Augen schmunzelte.
Durak hatte die Ratssitzung überhaupt nicht im Sinn gehabt als er vor einigen Stunden in Durins Gemächern eingefallen war. Stattdessen war er vor Durin auf die Knie gesunken und hatte um die Hand seiner Schwester gebeten. Vikram, der die Situation schneller erfasst hatte als der König, hatte sich mit einer gemurmelten Entschuldigung verabschiedet und Durin mit seiner Überraschung alleine gelassen.
Nachdem Durin nicht sofort antwortete begann Durak ein wenig stammelnd seinen Antrag auszuführen und Durin hatte ihn schließlich unterbrochen indem er die Hand hob. Er sah seine Schwester an die vor ihnen stand und scheinbar gelassen das Ergebnis dieser "kleinen Unterredung" abwartete. Aber Durin kannte seine Schwester, sie war mindestens so beunruhigt wie Durak und das verriet Durin, dass er sich hier nicht ganz so verhielt wie man es offenbar von ihm erwartete.
"Willst Du denn, Asta?", fragte er schließlich. Asta nickte. "Dann wünsche ich Euch alles Glück der Erde." sagte Durin, stand auf und nahm die unheimlich kalten Hände Duraks in seine. Durak stand auf und sah Durin endlich in die Augen. "Danke, mein König." Durin schüttelte den Kopf. "Das solltest Du Dir lieber abgewöhnen, zumindest wenn wir unter uns sind." Durak grinste verwegen und sagte dann: "Danke, Durin. Vor allem dass Du es mir so... naja, so leicht machst."
Durin schmunzelte und ließ Durak los um eine einladende Handbewegung zu machen. Asta nahm Durak in den Arm und Durin wies auf den verwaisten Stuhl Vikrams und setzte sich selbst.
Sie hatten eine Weile miteinander gesprochen und Durin hatte Durak über seine Familie ausgefragt und über den Stand, den er dort innehatte. Asta würde schließlich in die Sippe Duraks übertreten und dort ein eigenes Haus mit ihm gründen.
Familienbande zwischen Zwergen waren eine komplizierte Geschichte. Durins Volk unterteilte sich in zwölf sehr mächtige und ein paar weniger wichtige Sippen. Die wichtigsten Sippen entsandten beispielsweise einen Vertreter in den Rat. In jeder Sippe gab es aber noch die einzelnen Häuser oder Familien, die wiederum unterschiedlich wichtig waren und auch um die Vorherrschaft innerhalb der Sippe konkurrierten. Die Sippenmitglieder waren alle in irgendeiner Form näher oder weniger miteinander verwandt was wichtig war um die Beziehungen der Häuser zueinander zu kennen. Die verworrenen Verhältnisse wurden nicht vereinfacht wenn man sich zusammengewürfelte Sippen wie jene von Grim ansah, die neben den Häusern auch noch Clans ausbildete, also Zusammenschlüsse mehrerer Häuser zu einem Verbund, die dann ebenfalls um die Macht streiten konnten – wobei natürlich auch innerhalb des Clans manchmal Zwist zwischen den Häusern darüber herrschte, wer nun wieder den Clan anführen sollte.
Dieses Chaos zu begreifen war für einen Zwerg äußerst bedeutsam, es war wichtig zu wissen wo genau sein Platz in der allgegenwärtigen Hierarchie seiner Sippe war und wer über ihm und wer unter ihm stand.
Mit Durak war Durin durchaus einverstanden. Er entstammte dem Haus des Durgin, ein edler Zwerg dessen vier Söhne noch alle lebten. Duraks älterer Bruder Drumin würde das Haus beizeiten weiter führen, was Durak gestattete eine eigene Familie zu gründen. Er half derzeit Jorborix im Rat ein wenig aus was diese Sippe angesichts der kaum Zweihundert, aus denen sie bestand, etwas überrepräsentierte, aber Jorborix war alt und vielleicht würde das Problem sich bald auf natürlichem Weg lösen.
Die Sippe von Durak – und nun bald auch von Asta – nannte sich Kupferblatt und war eigentlich aus einem Haus hervorgegangen, das dereinst zur Sippe Kurgans gehörte. Aber ein alter Zwist hatte das Haus von seiner Sippe entfremdet und letztendlich dazu geführt, dass aus dem Haus selbst eine Sippe geworden war. Jorborix war der Großonkel von Durak – Duraks Großvater Duras war Jorborix' Bruder. Allerdings war er schon lange tot, gefallen in den Wirren um den Rosengarten.
Durin riss sich aus seinen Gedanken und sah seine Schwester an, die ihn besorgt betrachtete. Er lächelte und winkte ab. "Ich hänge nur meinen Gedanken nach. Ausgerechnet Durak... Du hättest mich vorwarnen können." Asta lächelte erleichtert und schenkte ihm aus dem großen Krug nach. "Vielleicht. Es ergab sich einfach nie eine Gelegenheit."
Durin nickte. "Natürlich. In letzter Zeit... ", er hielt inne und ein neuer Gedanke schoss ihm durch den Kopf. "Sag mal, wie lange geht das denn schon?" Asta errötete und sagte: "Dass er mir den Hof macht? Eine ganze Weile schon. Dass ich ihm Gehör schenke weniger lang."
"Was auch immer das nun wieder heißt.", brummte Durin. Asta ging darüber hinweg und fragte stattdessen unvermittelt: "Hast Du schon eine Idee wo Du die Hochzeit ausrichten wirst?" - "Ausrichten?" Durin schrak auf. "Bei meinem Barte, wer sagt denn, dass ich die Hochzeit ausrichte?"
"Ich. Und das Gesetz, mein lieber Bruder.", sagte Asta und Durin verdrehte die Augen. Frauen unterstanden dem Gesetz nach ihrem Vater oder nach ihrer Heirat ihrem Ehemann. Sie durften weder Familien gründen noch Häuser oder Sippen führen, kein traditionelles Handwerk ausüben und auch sonst waren sie beschränkt in ihren Rechten. Asta hatte das immer abgelehnt und auch Durin war dank seiner in jeder Hinsicht unkonventionellen Mutter mit dem Gedanken vertraut, dass auch Frauen kluge Führerinnen sein konnten. Gerade deshalb hatte es Durin auch diebisch gefreut als er Himela zur Protektorin erhoben hatte und damit für sie und ihre Sippe ein ganz eigenes Recht schuf. Allerdings hatte der Rat durchgesetzt, dass diese neuen Regeln zunächst nur dort gelten und ganz besonders, dass sie niemals auf die königliche Familie angewendet werden durften. Bei der Vorstellung eines Tages von Asta regiert werden zu können hatte vermutlich nicht nur Kurgan der Schlag getroffen.
Diese Regelung barg aber noch ein anderes Problem: Wenn der Vater ausfiel, dann war die Frau ihrem Bruder untergeordnet und der Bruder damit rechtlich ihr Vormund. Und der Vormund richtete die Hochzeit aus und – vor allem – stiftete auch die Mitgift.
"Hm", brummelte Durin, "Ich nehme an, Durak erwartet etwas besonderes." Asta sah ärgerlich zu ihm auf. "Nimm Dich zusammen, ja? Durak will mich sicher nicht nur weil ich Deine Schwester bin." - "Natürlich.", murmelte Durin sarkastisch und Asta verdrehte die Augen. Sie stand auf, strich sich das Gewand glatt und verneigte sich steif.
"Ich ziehe mich in meine Gemächer zurück, mein König. Denk' eine Weile darüber nach. Wir sprechen uns morgen." Bevor Durin etwas erwidern konnte verschwand sie durch die diskrete Pforte an der Seite und schloss die Tür hinter sich. Sie warf sie zwar nicht gerade zu aber die Botschaft war schon ziemlich eindeutig.
Durin funkelte die Tür einen Moment lang an, griff dann nach dem Bierkrug und stierte hinein. Er hatte wirklich nicht übel Lust sich zu betrinken aber dazu würde der kümmerliche Rest hier wohl kaum reichen. Außerdem musste er nachdenken. Wenn er den Verdacht, den er heute Abend geäußert hatte damit zusammennahm, dass ausgerechnet heute Durak sich gegen ihn im Rat gestellt hatte, dann mochte es hier noch weitere Geheimnisse geben, die er nicht kannte.
Wenn Durak Asta heiratete, dann würde er dem Thron recht nahe kommen, aber andererseits konnte er den Thron nicht erben, dafür hatte Kurgan gesorgt. Ausdrücklich gegen Durins Wünsche, aber in der Sache war es unmöglich gewesen gegen den Rat zu arbeiten.
Also konnte das nicht Duraks Absicht sein – außer er bewies weit mehr Geduld als ein so junger Zwerg normalerweise hatte. Wenn er auf eine reiche Mitgift spekulierte dann würde er schwer enttäuscht werden. Das Reich war nicht reich und gerade Durins privater Besitz war deutlich kleiner als man gemeinhin einem König zumutete. Das war aber eigentlich kein besonderes Geheimnis.
Durin spürte, dass er so nicht weiter kam und nach einem Blick auf die Stundenkerze beschloss er ebenfalls sich zurückzuziehen. Vielleicht half ihm ja der Schlaf wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
***
Unruhig wälzte sich der König auf die andere Seite und starrte aus dem verglasten Fenster in den Nachthimmel hinauf. Er fand keinen Schlaf, seine Gedanken mochten sich einfach nicht beruhigen.
Schließlich stand er seufzend auf und zog sich an. Genauso gut konnte er grübeln während er versuchte sich müde zu laufen. Zwar war der Morgen nicht mehr allzu fern aber vielleicht schaffte er es, wenigstens eine oder zwei Stunden Ruhe zu finden bevor er wieder vor dem Rat erscheinen musste.
Durin verließ seine Gemächer und zog die Tür sorgsam und leise zu. Kein Grund, seinen Kammerdiener zu wecken. Auf leisen Sohlen – Durins Füße waren ebenso unbedeckt wie sein Haupt – schlich der König durch die Gänge. Sein Weg führte ihn an der großen Halle vorbei, an der auch jetzt noch Wachen standen, und diese grüßten höflich, indem sie kurz Haltung annahmen. Durin ging den großen Gang zum Tor weiter und betrachtete die große, schmiedeeiserne Pforte mit den Silberbeschlägen und den ehernen Verzierungen.
Wehmütig erinnerte er sich daran, wie die Zwerge das Tor gestürmt hatten, er vorneweg, und verblüfft in der Halle stehen geblieben waren. Er betrat eine der diskreten Wendeltreppen an der Seite, stieg hinauf und schloss kurz die Augen.
Durin stand auf der Brüstung oberhalb der großen Ratshalle und betrachtete sein Reich. Moria war eine große Mine die zugleich auch Festung und Stützpunkt sowie Ratssitz und Schloss war. Oberirdisch führte eine gewundene, aber sehr breite Straße viele Höhenmeter von Durinsthal herauf und fächerte sich zu einem Platz auf. Dieser wurde von drei Seiten von den Mauern von Moria begrenzt. Das große eiserne Tor war in die Mitte eingelassen, zwölf Klafter hoch und sieben Klafter breit. Flankiert wurde das Tor von den beiden Wachtürmen, Zwergenstatuen in deren Köpfen die Wachmannschaft saß und jederzeit siedendes Öl über unfreundliches Gelichter vor dem Tor auszugießen bereit war.
Das Tor führte in die Torhalle und dort zweigten zwei Gänge ab, die in einem großen Kreis um die Ratshalle herumführten. In der Ratshalle lagen die Väter begraben, große Führer seines Vorgängers vor beinahe 4.000 Jahren. Durin nannte sich und sein Volk "Enkel Durins", was natürlich im übertragenen Sinne gemeint war: sein tatsächlicher Vater gehörte bereits einer Linie von Königen an, die sich seit sie sich im Rosengarten niedergelassen hatten, als "Söhne Durins" bezeichneten. Damit drückten sie aus, dass der Verlust von Moria und ihrer Väter Heimat ein neues Zeitalter eingeläutet hatte. Durin selbst hatte diesen Gedanken noch einmal aufgegriffen und aus den nun heimatlosen Söhnen Durins die Enkel Durins gemacht.
Die Gänge rund um den Ratsaal zweigten in verschiedene Richtungen ab. Hinter dem Ratssaal führten sie in die große Mine die zu betrachten Durin stets ein Gefühl von Macht verlieh. Die Zwerge hatten einst vor vielen tausend Jahren hier eine unterirdische Schlucht entdeckt. Entlang dieser Schlucht war ein weitverzweigtes Netz von Minen und Wohnhöhlen entstanden. Die Drachentreppe führte über 250.000 Stufen vom Grund der Schlucht und den Eingängen in die Tiefen der Unterwelt bis zur Spitze des Berges, auf der sich ein kleiner Wachturm befand.
Heutzutage nutzten allerdings nurmehr die besonders sportlichen Zwerge und natürlich einige der Gefangenen die Treppe – es gab ein mit Elefanten betriebenes Aufzugsystem um die Schlucht über weite Strecken zu befahren.
Die Brücke über die Schlucht führte dann die die Wohngemächer der einfachen Zwerge aus Durins Volk sowie ein wenig tiefer die der hochgestellten Persönlichkeiten und Familien. Nicht wenige dieser Gemächer wurden bei Bedarf erweitert und wenigstens einmal war es schon dazu gekommen, dass eine Familie versehentlich in das Schlafgemach ihrer Nachbarn einen Durchbruch geschlagen hatte. Um Auseinandersetzungen wie die darauf folgende Prügelei künftig zu unterbinden waren die königlichen Schreiber derzeit dabei, sämtliche Kammern zu vermessen und künftige Erweiterungen zu planen.
Durin verließ die Balkonbrüstung und wandte sich den oberen Gängen zu. Die Gemächer des Königs erstreckten sich westlich des Eingangs, aber auch im Osten gab es noch einige Kammern, die Durin für sich beanspruchte. Dort gedachte er auch die neuen Botschafterquartiere bauen zu lassen. Die Gänge lagen nahe der Oberfläche und waren nahe genug am Ratssaal um ein bequemes Reagieren möglich zu machen.
Als er ein schleifendes Geräusch hörte hielt Durin inne. Er horchte und wandte sich dann nach links zu einer kleinen Kammer, in der er Balin vorfand, der gerade sein Schwert schliff.
Durin blieb im Eingang stehen und betrachtete den alten Zwerg mit einer Mischung aus brüderlicher Liebe und amüsiertem Ärger.
Balin hob den Kopf nicht, sagte aber: "Du kannst da stehenbleiben oder reinkommen. Aber ich bezweifle doch ernsthaft, dass Du irgendwas dabei gewinnst wenn Du mir dabei zusiehst, wie man ein Schwert schleift."
Durin grinste und antwortete: "Auch ein König kann viel lernen, wenn er seinen Zwergen bei der Arbeit zusieht. Freut mich im Übrigen, dass Du Dich entschieden hast, meinen Wunsch nicht zu missachten." Balin hob die Schultern. "Freut mich wenn Du glaubst, dass ich eine Wahl hatte. Ein ruhigeres Gewissen lässt Dich beim Regieren sicher besser schlafen."
Der König lachte, betrat den Raum und setzte sich auf einen Stuhl. "Mir scheint, das Schwert ist nicht das einzig Scharfe, das Du bei Dir trägst."
Balin antwortete nicht und eine Weile lang war das schleifende Geräusch des Wetzsteins auf der Klinge der einzige Laut im Raum. Dann fragte Balin unvermittelt: "Kannst Du nicht schlafen?" Durin hob die Schultern. "Vielleicht." Balin nickte und meinte: "Auch ein junger König kann nicht jede Last schultern. Du musst Dich um ein ganzes Reich kümmern. Warum kümmerst Du Dich stattdessen um mich?"
Durin legte den Kopf schief. "Also wegen Dir habe ich eigentlich keine schlaflosen Nächte..." Balin schnaubte. "Und warum stehst Du mitten in der Nacht auf und beobachtest mich beim Schleifen meiner Waffe?" - "Es war nur Zufall. Aber ein glücklicher, will mir scheinen. "
Balin sah auf und legte den Stein weg. "Ein glücklicher Zufall? Nichts, was ein König tut, sollte Zufall sein, Durin. Hast Du das immer noch nicht gelernt?" Der König zuckte mit den Schultern. "Dann nimm es als Omen. Komm mal mit."
Er stand auf und verließ den Raum ohne sich umzusehen. Balin folgte ihm verdattert. Sie durchquerten die Festung und hielten vor einer kleinen Kammer mit einer stabilen Eichenholztür. "Wo sind wir hier?" - Durin deutete auf die Türe und sagte: "Das hier gehört zu meinen Gemächern. Es ist ein Lagerraum, hauptsächlich für Weine, die mir die Menschen so gerne schicken weil sie glauben mir einen Gefallen damit zu tun." Durin schloss die Türe auf und sie betraten den Raum.
An den Wänden stapelten sich Fässer und Kisten in allen möglichen Größen. Balin blickte in eine der Kisten und sah, dass sie mit Flaschen und Amphoren gefüllt war. Stroh kleidete die Kiste aus und verhinderte, dass die Flaschen zerbrachen wenn man die Kiste bewegte.
"Und was machst Du mit dem ganzen Wein, mein König?"
Durin grinste. "Wir wollen doch nicht obszön werden, oder? Ich werde schon irgendein Fest finden bei dem ich ihn unter den Leuten verteilen kann. Jedenfalls dient mir das auch als Versteck für ein paar andere Kleinigkeiten." Er öffnete eine Kiste und kramte einen Augenblick zwischen den Flaschen herum. Dann zog er eine Amphore aus Steingut hervor.
"Erinnerst Du Dich an unsere Wanderung durch den Möwenwald?", fragte er. Balin schüttelte sich. "Elfenland. Natürlich. Du hast uns verboten, Feuer zu machen und das ganze Volk aß vier Tage lang kaltes Fleisch und altes Brot. Und am Ende landeten wir an einer Meeresküste, fingen Fisch und durften wieder Feuer haben um ihn zu braten. Warum fragst Du?"
Durin lächelte. "Anscheinend weißt Du doch nicht alles. Ich hatte einen elfischen Gesandten empfangen der uns erlaubt hatte den Wald zu durchqueren wenn wir – und das war die Bedingung – keine Spuren hinterlassen würden. Also verbot ich das Feuer. Als wir am Strand herauskamen traf er wieder auf uns – die Kundschafter hatten uns die ganze Zeit über im Blick behalten – und schenkte mir diese Amphore hier. Hast Du einen Schlauch?"
Balin griff an seinen Gürtel und schüttelte dann den Kopf. Durin wies auf einige Trinkschläuche auf einem niedrigen Tisch neben der Tür. "Dann nimm einen von diesen da."
Sie füllten den Schlauch. Durin sagte: "Der Trank verleiht Dir und jedem, der davon trinkt, ein wenig Kraft. Fast so gut wie zehn Stunden Schlaf. Aber trink nur kleine Schlucke davon, sonst zehrt es Dich auf."
Balin verstopfte den Trinkschlauch mit etwas Bienenwachs und einem Korken und befestigte ihn am Gürtel. "Danke, mein König." Durin grinste. "Jedes Mal, wenn Du 'mein König' zu mir sagst habe ich den Verdacht, schon wieder getadelt zu werden." Balin sah Durin einen Moment in die Augen und schüttelte dann den Kopf. "Wenn Du erlaubst, dann bereite ich mich jetzt weiter vor."
Durin machte eine einladende Geste. Mit einem knappen Nicken verschwand der alte Zwerg. Durin sah ihm nach und seufzte leise. Es blieb ein Kampf mit Balin. Wenigstens hatte er nun ein paar Monate Ruhe.
Der König verließ den Raum, nachdem er die Amphore wieder sicher zwischen den anderen versteckt hatte. Er folgte dem Gang und betrat dann den kleinen Wachraum oberhalb des Tors, stieg die Treppe zur Väterzinne hinauf und setzte sich direkt unter die neue Glocke.
Die Zeitmessung war noch immer ein Geheimnis. Durin hatte Gerüchte gehört nach denen es einigen besonders geschickten Handwerkern bereits gelungen sein soll, mechanische Zeitmesser zu konstruieren. Aber niemand in seinem Reich verfügte über derartige Fähigkeiten. Daher benutzten die Zwerge so wie hunderte andere Völker Stundenkerzen, die binnen eines Tages abbrannten.
Hier in der Väterzinne war ein kleiner Turm auf dem Turm errichtet worden und dort gab es eine Glocke, die einmal in der Stunde läutete. So konnte jeder seine Kerze problemlos nachschnitzen. Im Turm brannten sechs Stundenkerzen stets in einem windfreien Raum und ein junger Knappe passte gewissenhaft auf und läutete die Glocke.
Durin dachte nach. Er hatte weit mehr Botschafter eingeladen als den der RedOrks. Seit Monaten waren die Grenzposten auf verschiedene Neuankömmlinge gestoßen. Sie waren eben nicht alleine. So waren sie auf Menschen gestoßen, die sich "Bund der Zeitlosen" nannten, wobei sich Durin nicht ganz sicher war ob sie einfach keine Zeit kannten und von daher an Stundenkerzen interessiert sein mochten oder ob sie keine Zeit hatten, vernünftig zu reden.
Es gab seefahrende Menschenvölker und Elfen, die ebenfalls gesehen wurden. Sie konnten kaum verhehlen, dass sie ebenfalls hier waren und Durin wollte um jeden Preis die Lande halten. Seine Zwerge waren stark, aber unbesiegbar waren sie keinesfalls. Außerdem waren gerade Orks, aber auch Menschen sowohl an den Schmiedeprodukten, als auch an den Braukünsten der Zwerge interessiert und Durin hätte nichts gegen ein wenig Wohlstand, der ihm letztendlich die Herrschaft über die Menschen in seinem Reich absichern könnte.
Seine Gegner zu denen unglückseliger Weise auch Durak zu gehören schien, waren da aber irgendwie anderer Ansicht. Und ihre starke – und öffentliche – Gegenrede konnte sie in die Lage versetzen, dass Durin gezwungen war, gegen sein eigenes Volk zu regieren. Und das wollte er auf keinen Fall.
Als die Glocke läutete schreckte Durin auf. Anscheinend war er doch eingedöst. Er warf einen raschen Blick auf den Horizont und sah die Sonne heraufdämmern. Umständlich erhob er sich und stieg die kurze Treppe hinunter. Der arme Knappe, der offenbar nichts von seiner Anwesenheit geahnt hatte, schrak zusammen und ließ prompt das Seil los.
Durin grinste und verneigte sich kurz vor dem Knappen. "Verzeih mir, junger..?" - "Cranneg heiße ich, mein König." - "Also Cranneg. Läute bitte fertig. Es ist ohnehin gut, dass Du den Mut hattest den König zu wecken, denn der König ist spät dran. Ich spute mich nun."
Damit drängte er sich vorbei und polterte die Treppe hinunter und ließ den verdatterten Knappen zurück, der tatsächlich erst wieder zu läuten begann, als ein ziemlich griesgrämiger Offizier auftauchte um nachzusehen, was der verlotterte Faulpelz denn nun schon wieder für eine Ausrede präsentieren wollte.
***
Davon bekam der König allerdings nichts mit, denn er lauerte auf der Mauer um den Aufbruch von Balins Truppe zu beobachten. Natürlich brachen sie später auf und er hätte sich nicht so zu beeilen brauchen. Mit einem wissenden Grinsen sah Durin die Gruppe schließlich abziehen, Balin vorneweg.
Balin musste gewusst haben, dass er hier stehen und zusehen würde. Und natürlich hatte er deshalb bis zum letztmöglichen Zeitpunkt gewartet. Charmant bis zum letzten Augenblick.
Als Durin sich umwandte sah er Kurgan und Skag mit bekümmerter Miene und einem nicht gerade klein zu nennenden Gefolge auf sich zu marschieren. Charmant traf es hier nicht so wirklich. Durin blieb stehen und wartete auf sie.
Die Gruppe hielt in einigermaßen respektvollem Abstand an und verneigte sich. Kurgan und Skag traten vor und Kurgan sprach: "Mein König, wir haben schlechte Neuigkeiten für Euch." Durin antwortete nicht sondern zog es vor zu schweigen und eine Augenbraue zu heben.
Skag warf Kurgan einen Seitenblick zu und sagte mit bekümmerter Miene: "Das Botschafterhaus, das Eure Majestät vor den Mauern errichten ließ ist abgebrannt. Dem Botschafter ist nichts passiert, er war während der Tat offenbar auf der Jagd. Aber die Hütte ist vollständig niedergebrannt. Leider auch mit den persönlichen Sachen des Botschafters."
Die Botschafterhütte war ein Blockhaus gewesen das Durin außerhalb Morias und nicht in Sichtweite der Mauern hatte errichten lassen bis der Rat – oder eigentlich bis er selbst – entschieden hatte, ob der Botschafter sich in der Mine bewegen dürfe.
Durin musterte die Zwerge vor sich. Beide zeigten Kummer und Angst, keinesfalls aber ernsthafte Sorge. Und auch keine Überraschung. Auch keiner aus ihrem Gefolge.
Durin nickte bedächtig. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet, aber das konnte er ja nun nachholen.
"Ruft den Rat zusammen. In einer halben Stunde werden wir die Vorkommnisse besprechen. Und das nicht öffentlich."
Kurgan und Skag verneigten sich und zusammen mit ihrem Gefolge verschwanden sie. Durin trat auf einen der Wächter der Mauer zu und sagte: "Weck' Hauptmann Snorri, setz' ihn über die Lage ins Bild und schaff ihn in zehn Augenblicken in meine Gemächer. Dann such den Botschafter der RedOrks und bring ihn vor den Ratssaal. Wartet dort, bis ich Euch rufen lasse."
Der Wächter nickte und sie machten sich auf den Weg.
***
"Es ist empörend, mein König.", sagte Kurgan mit gewichtiger Stimme und ließ seinen Blick über die versammelten Zwerge schweifen. "Diese feige Tat ist vielleicht eines Elfen würdig, aber sicher nicht die eines Zwergen. Ich verlange im Namen des Rates umfangreiche Aufklärung."
Skag verdrehte Augen und hielt sich die Hand darüber. In der Tat war auch er überrascht gewesen aber im Grunde passten die Vorgänge zu gut ins Bild um zufällig zu sein. Er war sich darüber im Klaren gewesen dass die Mehrzahl der Zwerge Orks im Land ablehnen würden und Skag hatte sich entschlossen dies als Hebel zu nutzen um den König in die gewünschte Richtung zu... lenken. Aber dass ihm gleich ein solches Geschenk in den Schoß fallen würde, das hatte er nicht erwartet.
Kurgan fuhr fort von der Ehre der Zwerge zu schwafeln und Skag dachte kurz darüber nach ob der gerissene alte Zwerg vielleicht etwas damit zu tun haben konnte. Seit sie sich zusammengetan hatten war Skag im Grunde stets offen ihm gegenüber gewesen aber natürlich bestand jederzeit die Möglichkeit, dass er ähnlich wie Skag selbst eigene Pläne hegte und Skag nicht unbedingt darüber informierte.
Skag wägte das Für und Wider ab und entschied sich dagegen. Selbst wenn Kurgan seine Trägheit überwunden hätte, wäre dieses Vorgehen doch trotzdem unter seiner Würde gewesen und ganz und gar nicht seine Art. Skag selbst hatte damit auch noch nichts zu tun, aber er wollte diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Zwar wäre ein öffentlicher Rahmen dafür wesentlich praktischer, aber auch so konnte er seine erste Reaktion richtig abstimmen.
Durin hob die Hand und Kurgan unterbrach seinen Redefluss und setzte sich. Durin erhob sich und sagte: "Wir sind ebenfalls erbost und insbesondere angesichts unserer gestrigen Debatte mehr als erstaunt über diese Tat. Doch das hat Uns in Unserem Wunsch, Unser Volk gegenüber den Fremden zu öffnen, nur bestärkt."
Skag bemerkte, dass sich sein Mund geöffnet hatte und schloss ihn schnell wieder. Er tauschte einen Blick mit Kurgan und sah dann den anderen Ratsmitgliedern, die sich in dieser Sache gegen den König gestellt hatten, in die Augen. Skaldor wirkte unruhig und Dorin erschrocken. Jorborix machte einen gelangweilten Eindruck – wahrscheinlich hatte ihm noch niemand gesagt, worum es eigentlich ging – und Durak... Durak wirkte nachdenklich. Skag kniff die Augen zusammen und fragte sich, woran der junge Zwerg wohl denken mochte.
Derweil sprach der König weiter: "Wir haben daher die Entscheidung getroffen, den Botschafter einzulassen und in Unseren Hallen willkommen zu heißen. Zugleich erreichen Uns eine Reihe weiterer Gesandter anderer Reiche und sie sollen Uns ebenso willkommen sein und Wir werden ebenso verfahren und Botschafter aussenden und damit den Platz Unseres Volkes in der Gemeinschaft aller freien Völker Fantasyas vertreten."
Selten sprach Durin im Pluralis Majestatis. Skag war klar, dass er damit das ganze Gewicht der königlichen Autorität in die Waagschale warf, aber er hatte nicht vor sich auf so einfache Weise einschüchtern zu lassen. Bevor er einen angemessenen Protest formulieren konnte sagte Vikram: "Ich gebe Eurer Majestät recht. Wir sind nicht allein – und wir sollten unsere Nachbarn kennenlernen. Trotzdem hat auch Ratsherr Kurgan recht: Wir müssen aufklären, was da passiert ist. Ich schlage vor, eine Abteilung der Wache damit zu beauftragen und dem Ork derweil ein feuersicheres Quartier zu geben."
Skag warf Kurgan einen Blick zu und verkniff sich ein Lächeln. Der alte Ratsherr war offenbar einem Schlag recht nahe. Durak sprang plötzlich auf und sagte: "Ich gebe zu, dass ich die Vorsicht der Älteren teile, mein König. Aber Vorsicht ist ein schlechter Rat wenn er in Angst umschlägt und Furcht ist nicht der Weg der Zwerge. Furcht führt zu Zorn und zu Hass und kein Zwerg kann in Angst und Hass lange bestehen."
Jorborix stand auf, legte seinem Neffen die Hand auf die Schulter und sagte: "Ich muss meinem Neffen recht geben. Furcht war nie ein Zeichen von Stärke, sondern von Schwäche."
Durin nickte den beiden zu und warf dann Kurgan und Skag einen Blick zu. Skag stand auf, verneigte sich und sagte: "Ich bin nach wie vor beunruhigt, mein König. Selbstverständlich steht mein Haus hinter Eurer Entscheidung, jedoch möchte ich zu bedenken geben, dass es möglicherweise Zwerge und auch Menschen geben mag, die nicht jede Entscheidung des Königs gutheißen mögen."
"Das haben wir ja nun alle heute morgen gemerkt, Skag.", brummte Vikram, aber Skag ließ sich nicht provozieren. "Das ist mir auch bewusst, Ratsherr Vikram. Aber der König sollte seine Entscheidung gerade wegen der möglichen Reaktionen beim einfachen Volk wohlüberlegt kundtun. Das ist mein Rat."
Skag verneigte sich erneut und setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Durin sah ihn einen Moment lang nachdenklich an. Dann sagte er: "Der Rat erscheint gut, Ratsherr. Vielleicht sollte der ganze Rat eine Erklärung abgeben im Namen aller Sippen um die jungen Hitzköpfe und die aufgeregten Gemüter ein wenig zu beruhigen." Skag hatte das Gefühl in eine verdorbene Frucht zu beißen. Trotzdem bewahrte er eine gelassene Miene. Ganz sicher würde er diese Erklärung vermeiden müssen.
"Doch bevor Wir nun den Botschafter der RedOrks zu uns bitten und hören, was er dazu zu sagen hat, möchten Wir noch eine wichtige Entscheidung verkünden...."
Zwergengambit - Kapitel III
Verfasst: So 2. Apr 2017, 18:51
von Durin
Kapitel 3 Worin Durin einige Urteile spricht und Skag beleidigt wird.
Als der Bote kam war der König eigentlich nicht abkömmlich und so blieb es Vikram überlassen, den Zwergen zu empfangen. Er übergab ihm eine versiegelte Pergamentrolle und verschwand wieder. Vikram warf einen Blick auf das Siegel und ging wieder zurück zum Fest.
Beinahe drei Mondzyklen waren vergangen bis die Verhandlungen über die Hochzeit zu ihrem Abschluss gekommen waren. Duraks Clan hatte trotz der Erhabenheit des königlichen Clans hart verhandelt und Durin war nur widerwillig Kompromisse eingegangen. Vikram war empört gewesen als Duraks Onkel Jorborix auf einmal ein ganz beschauliches Talent zeigte und im Vergleich zu seinem sonstigen Habitus geradezu energischen Eifer an den Tag legte.
Durins Volk war in verschiedene Sippen unterteilt und viele dieser Sippen wiederum in Clans und Häuser – Duraks Sippe machte da keinen Unterschied. Allerdings war Duraks Haus wiederum sehr mächtig und Jorborix brachte – so wenig ihn die Querelen des ganzen Volkes auch interessierten – den inneren Angelegenheiten seiner Sippe große Aufmerksamkeit entgegen.
Die Heirat mit der Schwester des Königs war für sein Haus natürlich eine weitere Festigung ihrer Vormachtstellung innerhalb von Clan und Sippe und Jorborix versuchte sich trotzdem noch einige besondere Rosinen aus dem Fleisch des Königs zu picken. Sie stritten, sie zankten und selbst Durak wurde es irgendwann zu viel. Als Jorborix eines Abends zum Dritten Mal darauf zu sprechen kam, welche der Frauen aus seinem Haus (Da die Mutter des Bräutigams ja nicht mehr unter den Lebenden weilte) nun mit Asta zusammen die Hochzeitssuppe salzen sollte beendete Durak das Gespräch und zerrte seine Braut aus dem Raum.
Vikram, der als männlicher Vertreter der königlichen Sippe anwesend war, hatte Jorborix die Erleichterung ansehen können, dass endlich die Braut aus den Gemächern verschwunden war doch Durin hatte sich standhaft geweigert ohne die Brautleute über die Hochzeit zu verhandeln.
Zwei Tage hatte es gedauert bis sich selbige Brautleute wieder beruhigt hatten. Und kaum war das gelungen wollte Jorborix eine alte Weise des Clans als Hungertanz aufführen....
Drei Monate und die Lage als solche hatte sich wesentlich mehr zugespitzt, als Vikram gedacht hätte. Die Hütte des Botschafters war niedergebrannt und die Untersuchung hatte nichts ergeben, außer einer Öllampe, die genauso zufällig hätte heruntergefallen sein können. Der Ork behauptete, dass er kein Öllicht habe brennen lassen aber er gestand auch ein, sich dessen nicht sicher zu sein. Durin hatte ihn daraufhin in den Hallen von Moria willkommen geheißen und ihm zunächst ein einfaches Quartier zugewiesen während der neue Flügel für die Botschafter gebaut wurde.
Skag und insbesondere Kurgan machten mit dem Bau der neuen Stollen eine Menge Wind und verstiegen sich zu den absurdesten Behauptungen, die sie lautstark und in aller Öffentlichkeit wiederholten. Die Stollen wären opulenter als selbst die Gemächer des Königs, die Stollen gefährdeten die Sicherheit des Berges und so weiter.
Zwar blieb das Volk erstaunlich gelassen aber Vikram war sich nicht so sicher ob die permanente Hysterie nicht irgendwann doch Früchte tragen könnte. Unter den menschlichen Bewohnern der Festung war es schon zu Unruhen gekommen auch wenn es nur wenige menschliche Diener gab.
Es lag eine Spannung in der Luft, die der König sehr wohl erkannt hatte und genau darum war das Hochzeitsfest nun so wichtig. Durin wollte allen zeigen, dass sich nichts geändert hatte und dass er sich keinesfalls um das Reich sorgte. Vikram hatte ernsthafte Zweifel ob dem jungen König das gelingen mochte, aber er war nur zu gerne bereit ihn bei diesem Versuch zu unterstützen. Was man nicht von allen Mitgliedern der königlichen Familie sagen konnte.
Selbst aus den Drachenbergen waren Himela und ein ansehnlicher Schwarm junger Zwerge gekommen um dem Fest beizuwohnen, Beregar, Durins Vetter aus den südlichen Provinzen, hatte sich gar mit einer Kolonne von zwanzig Gespannen sofort auf den Weg gemacht und er hatte nun wirklich eine weite Anreise, nur ausgerechnet Grim hatte sich nicht blicken lassen. Durins Vetter hatte an seiner statt dreizehn junge Zwerge geschickt von denen wenigstens zwei oder drei ihm ähnlich genug sahen um Söhne sein zu können, aber sie behaupteten das niemals. Vorgeblich war die Abordnung aus Höflichkeit da und machte der königlichen Familie ihre Aufwartung, aber Vikram war sich ziemlich sicher dass dies neben einer kalkulierten Beleidigung auch dazu diente, Grim über mögliche Änderungen in der Erbfolge zu unterrichten.
Nicht, dass Durin dergleichen planen würde. Bei allem Eifer Durins die Rechte von Zwerginnen denen von Zwergen anzupassen war er sich darüber im Klaren, dass er niemals mit dem Ansinnen, der männlichen Linie eine weibliche gegenüber zu stellen, durch den Rat, aber auch nicht vor dem Volk durchgekommen wäre.
Wenigstens konnten sich der König und Vikram selbst die Zeit auf dem Fest damit vertreiben, Kurgan und Skag dabei zuzusehen wie sie versuchten Himela gegenüber ein Mindestmaß an Höflichkeit zu gewähren.
Himela hatte es für angebracht gehalten in Rüstung zu erscheinen. Sie trug einen meisterhaft geschmiedeten Prunkpanzer dessen feine Glieder sich derart geschickt ineinander schoben, dass sie beim Tanzen keinerlei Probleme hatte. Ihr Wappen prangte stolz auf ihrer Brust und ständig umgab sie ein Schwarm von unauffälligen Begleitern die sie umsorgten und stets wie eine Herrin ansprachen.
Als einzige Protektorin einer Provinz, die nicht zur königlichen Familie gehörte war sie ein ernstzunehmender Machtfaktor im Reich geworden. Hinzu kam, dass ihre Provinz eine riesige Gebirgskette darstellte in der sie mit Strenge und Weisheit regierte und die in kürzester Zeit zu erblühen begonnen hatte.
Und sie war eine Frau. Dass sie Zwergen vom alten Schlag wie Kurgan nun gesellschaftlich überlegen war schmeckte diesen überhaupt nicht, aber dass sie dies als Frau und noch dazu als erfolgreiche Fürstin offenbar aus eigenem Recht auch noch bestätigte war für ihn der Gipfel der Unverschämtheit. Erschwerend kam hinzu, dass Himela es offensichtlich genoss, ganz besonders Kurgan in Verlegenheit zu bringen. Die gesellschaftlichen Regeln für den Umgang mit hochgestellten Frauen waren alt und ehrwürdig, aber diese Frauen waren niemals mehr als vielleicht Älteste ihres Clans. Himela hingegen hatte noch kein Alter erreicht, dass ihr besondere Ehrerbietung einbringen würde, aber als Protektorin galten für sie die gleichen Protokolle wie für die anderen Protektoren.
Nun galten aber für sie eben auch die Protokolle für Frauen und entsprechend verblüfft reagierte der alte Kurgan, als einer der Diener Himelas ihm zuflüsterte, seine Herrin würde sich sehr geehrt fühlen wenn ein Mitglied des Rates sie zum Tanz bitten würde. Die Gesellschaft verlangte, dass der erste Tanz stets vom Höherrangigen erbeten wurde. Aber die Sitte verlangte auch, dass nur ein Mann eine Frau auffordern durfte, und das nachdem sie ihm signalisiert hatte, dass es ihr genehm sei. Indem Himela durch ihren Diener Kurgan darum bat, erzwang sie praktisch, dass er sie zum Tanz aufforderte. Damit verletzte er aber die Tradition, denn er stand als Ratsmitglied unterhalb einer Protektorin. Tat er es aber nicht, so wies er die Einladung zur Aufforderung durch eine Frau zurück, was ebenfalls jede Tradition verletzte.
Vikram beobachtete amüsiert wie Kurgan das Problem bewältigte und schreckte daher leicht zusammen, als Durin neben ihm auftauchte.
"Du schleichst Dich vom Tisch der Braut fort?", fragte er halb im Scherz. Durin nickte und beobachtete das Treiben auf der Tanzfläche. "Ich habe meine Pflichten so gut erfüllt wie ich konnte, aber Duraks Clan geht mir langsam an den Bart.", sagte er und deutete auf Kurgan, der eher stammelnd als förmlich um den Tanz bat. "Und da sich dort ein Bürger des Reiches gerade in einer Notlage befindet, dachte ich, ich sehe mal nach wie er sich macht."
Vikram lachte laut. Dann senkte er die Stimme und meinte: "Der arme Kurgan. Himela genießt jede Minute." Durin nickte und warf einen Blick auf die Brautleute. Asta strahlte wie bereits den ganzen Abend hindurch und auch Durak wirkte glücklich. "So wie Asta...", murmelte er.
Vikram warf ihm einen scharfen Blick zu. "Du willst doch keinen Rückzieher machen, oder?" Durin schüttelte den Kopf und wollte antworten, aber Ratsherr Cadmasch sprach Durin an und Vikram überließ den König seinem neuen Gesprächspartner.
Für Durin war die ganze Sache nicht so einfach, das war Vikram bewusst. Im Gegensatz zu den Menschen, die sich in einem vielfältigen Götterglauben ergingen glaubten die Zwerge nur an Frigg, die Mutter. Sie glaubten weder an einen sie erschaffenden Gott noch daran, dass Götter über sie wachten und gar in ihr Leben eingriffen. Dementsprechend gab es bei den Zwergen auch keine Priesterschaft, die Ehen legitimierte. Wenn sich zwei Zwerge fanden, so versprachen sie sich einander öffentlich und vor Zeugen und der Vater der Braut übergab dieselbe mit alten Worten an den Bräutigam.
In Ermangelung eines Vaters hatte Durin diese Aufgabe selbst übernommen. Während der Verhandlungen mit der Sippe von Durak war es am Rande zur Sprache gekommen aber Vikram und Durin hatten darauf geachtet, dass die Vertragsbedingungen auch einen Passus zum Erbe der Königswürde enthielten. Zwar hatten sie kein großes Gewese darum gemacht und Vikram war sich nicht sicher ob Joborix den entsprechenden Passus wahrgenommen hatte, aber Durak hatte das sicherlich bemerkt. Er hatte jedoch nichts dazu gesagt was Vikram sehr für den jungen Zwerg einnahm.
Das letzte, was das Reich brauchen konnte, wäre ein Krieg um das Erbe zwischen Durins jetzigen Erben – allen zuvörderst sein Vetter Grim und sein Vetter Beregar, aber natürlich stand auch Vikram selbst auf der Liste – und den möglichen Nachkommen von Durak und Asta.
Fragen wie diese ließen den König nie einfach nur ein Zwerg sein. Jede Entscheidung, jede Handlung war auch immer gleich von staatstragender Bedeutung und Vikram war sich ziemlich sicher, dergleichen nie haben zu wollen. Alleine die Vorstellung, sich nur alleine betrinken zu können weil jedes Wort in Gegenwart anderer stets auf die Goldwaage zu legen war...
Als sich Cadmasch sichtlich zufrieden vom König entfernte trat Vikram wieder an ihn heran und überreichte ihm wortlos die Pergamentrolle. Durin warf einen Blick auf das Siegel und schaute dann kurz zum Brautpaar hinüber.
"Ich denke, das sollte ich mal lesen.", sagte er. "Kannst Du mich eine Weile hier vertreten?" Vikram nickte und der König verschwand durch eine der Türen.
***
Als die Festgesellschaft in anzügliches Gelächter und aufgeregtes Tuscheln ausbrach beeilte sich Stromni, wieder Haltung anzunehmen. Als Wache in der dritten Schar der Kompanie, die Morias Bewohner vor allem Übel zu schützen hatte, durfte er sich eigentlich keinerlei Nachlässigkeiten erlauben. Nichtsdestoweniger war er im Verlauf des Festes müde geworden und so hing er eher an seiner Hellebarde, als dass er wirklich stand.
Letztendlich war seine Aufgabe ja auch eher zeremonieller Natur: Er stand vor dem Festsaal Wache, aber bis hierher konnte wohl kaum ein Feind vordringen, ohne dass sich die Hochzeitsgesellschaft längst in alle Winde zerstreut hätte.
Dennoch sah das Protokoll eine Wache vor, also stand er hier. Aber dementsprechend ließ er sich auch ein wenig hängen, wenn niemand auf seiner Seite der Tür war. Nicht, dass er deswegen in seiner Aufmerksamkeit nachgelassen hätte – keine Maus und kein Kieselstein im Vorraum entging ihm.
Die Flügeltüren schwangen auf und vom Gelächter der Hochzeitsgesellschaft begleitet trat das Brautpaar aus dem Saal und machte sich auf den Weg zu seinem Gemach.
Stromni folgte ihnen in gemessenem Abstand. Beide wirkten auf ihn glücklich und scheinbar hatte auch das Bier ihnen gutgetan. Sie schwankten leicht und die Braut kicherte ein wenig, während sie miteinander flüsterten. Stromni hielt diskret Abstand, ließ die beiden jedoch nicht aus den Augen. Schließlich erreichten sie Duraks neues Gemach und verschwanden darin. Stromni stellte sich vor die Türe, lehnte sich unauffällig gegen das Holz und begann seine lange Nachtwache.
Im Verlauf einiger weiterer Stunden kamen eine Reihe Gäste durch den Gang und niemand bemerkte, dass Stromni an die Türe gelehnt ein wenig döste. Schließlich war die Mehrzahl der Gäste ja auch betrunken und Stromni nahm nur einmal kurz Haltung an, als ein sichtlich konsternierter Vikram den König unauffällig vorbeischleuste. Stromni sah ihm grinsend nach – bislang hatte er Durin noch nie betrunken erlebt.
Er wollte sich gerade wieder etwas bequemer an die Türe lehnen, als er ein Klirren vernahm. Stromni hielt inne und lauschte. Es war eindeutig aus dem Gemach gekommen. Wütende Stimmen ertönten, aber gedämpft, so als ob sie heimliche Lauscher – zum Beispiel einen gewissen Zwerg aus der Dritten Schar – fürchteten. Kurz darauf klirrte es erneut, vermutlich war ein Tongefäß zu Bruch gegangen. Gleich darauf gab es einen dumpfen Aufprall.
Stromni hatte genug gehört. Eindringlinge! Er öffnete leise die Türe und war froh, dass der König angeordnet hatte, das Gemach perfekt herzurichten. Die Tür quietschte und knarrte nicht. Auf leisen Sohlen betrat der Zwerg das Gemach und blickte sich um. Der Wohnraum war von dezenter Pracht und nicht übertrieben herrschaftlich eingerichtet. Duraks Familie war aus einer Sippe von Juwelenschleifern hervorgegangen. Diese Leute schätzten Pracht, aber keinen Prunk.
Stromni erahnte einen Schatten hinter dem Vorhang zum Schlafgemach und bewegte sich vorsichtig darauf zu. Er wollte die Eindringlinge überraschen und presste sich an die Wand neben dem Durchgang. Dann schob er den Vorhang ein wenig zur Seite um die Lage einzuschätzen.
Was er sah ließ ihn hingegen erstarren. Mühsam befreite er sich von dem Schreck und zog sich langsam zurück. Er schlich zurück durch die Türe, schloss sie so leise wie möglich uns postierte sich wieder davor. Mit stoischer Miene, nun aber hellwach nahm er seine lange Nachtwache wieder auf.
Am nächsten Morgen löste ihn Oringál von der zweiten Schar ab und Stromni verließ erleichtert seinen Posten, marschierte in sein eigenes, weit bescheideneres Quartier, setzte sich auf sein Bett und brach in brüllendes Gelächter aus. Er lachte, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen und er sich den Bauch halten musste.
Der Bräutigam hatte die Nacht fluchend mit dem Gürtel an einem Kleiderhaken an der Wand hängend verbracht.
***
"Ich heiße Euch in den Hallen unserer Väter willkommen, Jägerin Xau-Phin von den Mondwanderern.", sagte Durin und lächelte freundlich. Der Rat hatte sich heute versammelt um eine Abordnung von Elfen zu empfangen, was zu erstaunlich wenig Protesten im Vorfeld geführt hatte. Der König war von der positiven Antwort auf seine Nachricht erfreut gewesen und hatte umgehend eine Einladung ausgesprochen. Er erhoffte sich viel von diesem Bündnis.
Einige der wanderndern Kundschafter waren an der Küste der Wüste Anfalas auf die Elfen gestoßen, die gerade mit einem Schiff gelandet waren. Durin hatte ihre Botschaft während der Hochzeitsfeier bekommen und umgehend einen Bevollmächtigten entsandt um mehr über das Volk zu erfahren.
Von der Südgrenze des Reiches hingegen waren eher beunruhigende Botschaften gekommen. Belegar sprach von Sichtungen von Orks südlich des Panamawaldes und Himela meldete den Verlust einiger Kundschafter in der Unterwelt. Durin versuchte mit den Orks Kontakt aufzunehmen, aber er wies Belegar an, seine Expansionspläne für den Süden aufzuschieben und stattdessen die Grenze zu sichern. Himela war bereits selbst auf den Gedanken gekommen, dass mehr Befestigungen nicht schaden könnten. Sie hob Truppen in unbescheidenen Mengen aus und begann damit, gewaltige Bollwerke rund um die Höhle zu bauen, die den Zugang zur Unterwelt darstellte. Niemand, der bei klarem Verstand war, würde dort lebend herauskommen können.
Allen Anstrengungen von Kurgan zum Trotz gediehen die vorsichtigen Verhandlungen mit den anderen Reichen in der Umgebung. Zwar hatte sich der Bund der Zeitlosen noch nicht auf Durins Angebot bezüglich eines Handels mit Stundenkerzen geäußert, aber Durin war sich sicher, dass auch dies nur eine Frage der Zeit war.
Im Osten des Reiches waren die Kundschafter auf ein großes Menschenreich gestoßen, das sich als Kombinat von Apsuhol bezeichnete. Durin hatte umgehend einen Botschafter entsendet. Leider war nur Bifur dafür greifbar gewesen.
Bifur entstammte dem Haus der Eisenblätter aus der Sippe der Darbosch und war ein wenig aus der Art geschlagen. Er war klug, keine Frage, und er hatte Humor. Der Ratsvertreter der Darbosch, Skaldor hatte es in einer privaten Unterredung ein wenig deutlicher ausgedrückt: "Bifur? Der ist klug, ja. Aber verrückt."
Durin hatte Skaldor angesehen und dann die Schultern gehoben. Ihm blieb keine Wahl.
Er hatte bislang fünf Botschafter in fünf Reiche entsandt und brauchte dringend Vertreter. Da sie unmöglich alle aus seiner eigenen Sippe stammen konnten, musste er andere Sippen heranziehen. Kurgan hatte durchgesetzt, dass der erste entsendete Botschafter aus seiner Sippe entstammte und so hatten die RedOrks das zweifelhafte Vergnügen, Fafnir in ihrer Stadt Orkenhort zu begrüßen. Vikram hatte so energisch protestiert, dass Durin schon anfing zu glauben, Kurgan würde sich gleich mit der Axt auf ihn stürzen, aber letztendlich hatte Durin die Wogen glätten können.
Fafnir war ein Choleriker und ein Zwerg, der fest daran glaubte, dass sich alles gegen ihn verschworen hatte. Wenigstens hatte er sechs fähige Assistenten, doppelt so viele wie jeder andere.
Und nun waren diese Elfen aufgetaucht. Sie schienen erfreut zu sein, dass sie Zwerge gefunden hatten und erzählten in – wenn auch gebrochener – Gemeinsprache davon, dass sie bereits ein Bündnis mit einem großen Zwergenreich geschlossen hatten, das sehr profitabel wäre.
Durin betrachtete die drei Elfen, die da seine Ratskammer betreten hatten und sich nun verneigten. Sie waren anders als die meisten Spitzohren, die er bislang kennengelernt hatte. Sie schienen nicht viel von den schönen Künsten zu halten, wirkten eher hart auf ihn, wie Waldmenschen. Während der großen Wanderung hatte Durin einmal einen Stamm von Waldläufern getroffen, zähe Männer und Frauen, die in der Wildnis lebten und den Wald besser verstanden als die meisten Menschen ihre Scholle.
Diese Elfen waren von ähnlicher Statur, sehnige Körper, die vielleicht eine Spur schlanker zu sein schienen als bei dem durchschnittlichen Menschen. Bekleidet waren sie mit Leder und Fellen, wenn sie auch nach zwergischen Maßstäben fast nackt wirkten. Durin erkannte Zobel und Hasenfelle bei derjenigen, die die Anführerin zu sein schien.
"Wir grüßen die Zwerge.", sagte sie mit einem höchst charmanten Dialekt. "Und danken für Einladung. Wir hoffen bald sprechen vertrauter." Durin nickte und sagte: "Wir haben Euch ein Quartier in unseren Höhlen vorbereiten lassen, aber wenn Ihr es wünscht, so könnt Ihr auch gerne in den Wälder vor den Toren lagern, wenn das mehr Eurer Art entspricht."
Die Elfe ließ ein hintergründiges Lächeln aufblitzen und sagte: "Wir schlafen nicht ohne Himmel. Bitte nehmen Gastgeschenk." Die beiden anderen Jäger traten vor und verneigten sich erneut. Einer zog einen Fellmantel hervor, der offenbar für kleinwüchsige Wesen gedacht war und eine seltsame, grünblaue Farbe hatte. Durin hatte noch nie eine solche Farbe gesehen. Der andere zog ein schön gearbeitetes Schwert unter seinem Umhang hervor, das in einer Scheide aus weißem Holz steckte.
Durin stand auf uns bewunderte die Arbeit. Viel filigraner als jede Zwergenklinge, aber es sah schön aus, das musste er zugeben. Kein Zwerg würde eine solche Waffe im Kampf führen aber an die Wand hängen konnte man sie schon.
Er verneigte sich vor seinen Gästen. "Ich danke den Mondwanderern für ihre Geschenke und möchte sie einladen, heute zur Mittagsstunde mit mir zu speisen."
Die Elfe verneigte sich ebenfalls und sagte: "Wir kommen." Dann wandte sie sich um und verließ mit ihren Begleitern die Ratskammer.
Durin ergriff den Umhang und warf ihn sich über die Schulter. Dann setzte er sich auf seinen Thron und wartete auf die Reaktionen des Rates.
***
"Was bei allen Dämonen der Unterwelt plant dieser Narr denn jetzt schon wieder?", knurrte Skag und warf den hölzernen Humpen mit solcher Wucht durch den Raum, dass der an der Wand zerbarst.
Kurgan warf ihm einen missfälligen Blick zu und meinte: "Das wissen nur die von Dir beschworenen Dämonen, Skag. Nach Orks jetzt also Elfen und Menschen. Er bleibt seiner Linie treu, würde ich sagen. Mir scheint, ihm sind die Einwände des Rates noch ein Antrieb, sich erst recht in die falsche Richtung zu bewegen."
Jorborix kicherte. "Vielleicht haben wir auch bald Dämonen als Botschafter hier…." und Skag fuhr herum. "Findest Du das vielleicht lustig, alter Zwerg? Sag, wie soll denn Deine neue Nichte sich nun sicher bewegen, wenn es in den Hallen unserer Väter plötzlich von Schweineschnauzen und Spitzohren wimmelt?"
Jorborix verstummte und wurde blass. Kurgan verdrehte die Augen und wandte sich dann an Skag: "Er hat sich den gesamten Nachmittag mit den Elfen besprochen. Wir wissen nicht, was er da besprochen hat. Aber ich bin sicher, dass wir es morgen erfahren werden."
Skag stieß einen tiefen Seufzer aus. "Ja, das wäre möglich. Aber worüber die reden werden, heute schon geredet haben oder sonst, das macht unser schöner neuer König mal ganz alleine und ohne den Rat, oder? Außer natürlich diese Viper Vikram ist dabei um dem König Gift ins Ohr zu träufeln."
"Jetzt mach aber mal halblang, Skag.", sagte Kurgan. "Ich kann Vikram selbst nicht leiden, aber ich glaube kaum, dass er gegen die Interessen des Reiches handelt."
Skags Augenbrauen wanderten nach oben. "Bitte? Meinst Du also, diese ganzen Fremden hier sind eine gute Idee? Wer, glaubst Du wohl, hat seinem Bruder das Menschenweib ins Bett gelegt?" Kurgan schnaubte und schüttelte den Kopf. Skag wies mit anklagendem Finger auf Jorborix. "Frag ihn, wenn Du die Zeit aufbringst. Er war dabei! Laurin war von dieser Similde geradezu besessen. Vikram wollte die Herrschaft für sich alleine und hat wahrscheinlich gehofft, dass Laurin sich so vom Thron katapultieren würde. Stattdessen brachte dieses Weib ein Balg hervor und Vikram beherrscht es seit jeher!"
Kurgan seufzte. "Du hast recht, er war dabei. Ich aber auch. Und Du hast recht, Vikram hat großen Einfluss auf Durin, aber ich denke nicht, dass er bewusst gegen das Reich intrigiert. Ich glaube nur, er versteht nicht, was er anrichtet."
Skag riss die Arme hoch und schnaubte gegen die Decke. "Bitte, glaub was Du willst, unterschätze Deinen Feind. Trotzdem ist er der einzige Ratsherr, der bei den Beratungen zugegen ist, oder?"
Kurgan nickte grimmig. "Ja, und das ist tatsächlich schlecht. Vielleicht sollten wir morgen einen Antrag einbringen, dass die Beratungen mit ein paar Vertretern aus dem Rat stattfinden müssen. Diese Menschen ohne Zeit oder auch die Orks hat der König nicht so empfangen. Ich wüsste auch gerne, was da im Busch ist."
Skag sah ihn an. "Und wen gedenkst Du dafür vorzuschlagen? Dich oder mich? Vikram wird das verhindern. Ihn?", er wies mit einem Finger auf Jorborix, der in Gedanken versunken dasaß und augenscheinlich gar nicht zuhörte, "Sicherlich nicht. Sollen wir die Liste mal durchgehen? Dorin, der von der Weibersippe, die Dich neulich auf dem Fest so blamiert hat? Auralm? Der trägt das doch eh nur in Versen vor. Skaldor? Ein glühender Anhänger des Königs. Grindol…" – "Schon gut, ich habe verstanden."
Jorborix schreckte hoch und sagte unvermittelt: "Ich habe Durak den ganzen Nachmittag noch nicht gesehen. Wo er wohl stecken mag und meine süße Nichte?"
Skag hielt inne und Kurgan begann breit zu grinsen.
***
"Du schuldest Deiner Sippe Gehorsam!", brüllte Skag und Kurgan machte eine beschwichtigende Geste. Sie standen kurz vor dem Aufbruch zur morgendlichen Sitzung des Rates und die letzte Stunde hatten sie versucht, ihre Strategie für den heutigen Tag zu besprechen. Kurgan hatte Jorborix und Durak eingeladen, sich ihren Beratungen anzuschließen und beide waren erschienen. Durak allerdings erst vor einigen Augenblicken, was Skags Laune auf den Nullpunkt hatte sinken lassen.
Und als er sich auch noch weigerte, die Ratsherren über den Gegenstand der Besprechungen zu informieren befand sich Skag in einem Zustand, der Kurgan mehr als nur Sorgen bereitete.
Jorborix seufzte und sagte: "Das meine ich aber auch, Durak. Wir haben Dich gefördert und Du schuldest uns Gehorsam, wenn schon nicht aus Anstand." Durak warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Gehorsam schulde ich aber auch dem König und ich habe den Befehl – den königlichen Befehl – nichts über die Ergebnisse unserer Unterredung verlauten zu lassen. Euch aber gewähre ich den Gehorsam und Anstand, der Euch zusteht: Ich werde dem König nichts über Eure fruchtlosen Bemühungen sagen."
Damit wandte er sich um und verließ den Raum.
Kurgan wandte sich mit einer beschwichtigenden Geste an Skag. "Skag, bevor Du Dich jetzt noch weiter aufregst…" Aber Skag lächelte nur. "Aufregen? Nein, ich weiß gerne, wer meine Feinde sind, Kurgan. Und Durak wird sich noch wünschen, diesen Tag ungeschehen machen zu können."
Jorborix protestierte schwach, aber Skag ignorierte ihn. "Kommt, wir sollten uns nicht verspäten."
"Wir haben den gestrigen Nachmittag in höchst einvernehmlicher Weise mit den Mondwanderern gesprochen.", sagte Durin gewichtig und blickte sich im Rat um. Jorborix wirkte abwesend wie immer und Skags Gesicht war völlig ausdruckslos. Aber ansonsten schienen sie ihm gebannt zuzuhören.
"Die Kunst der Schmiede unseres Volkes ist scheinbar in weiter Ferne bereits bekannt.", fuhr er fort, "Und darum haben die Mondwanderer nach Uns gesucht. Sie suchen Bergleute und Schmiede. Im Gegenzug werden sie Unsere Südgrenze zu sichern helfen. Sie bieten tausende Bogenschützen an, die sich auf Ehre und Schwur dem Reich verpflichten werden. Die Details werden noch Verhandlungssache sein, aber das ist das Angebot der Mondwanderer und Wir haben dem zugestimmt. Es gibt eine große Allianz mehrerer Reiche und dazu gehört mindestens ein weiteres Zwergenreich. Ein solch mächtiges Bündnis, das uns die Freundschaft anbietet, das können wir nicht verneinen."
Er setzte sich und Jalgat erhob sich. "Das sind sehr interessante Neuigkeiten, mein König. Die Zwerge im Süden werden sicher ruhiger schlafen können." Jalgat war der Vertreter der Sippe von Forslaris, die in den südlichen Drachenbergen und an der Ostküste lebte. "
Der alte Dorin erhob sich und sagte: "Ich werde die geschätzten Mitglieder des Rates sicherlich erschrecken, wenn ich sage, dass ich hier ganz Jalgats Meinung bin." Einige Ratsmitglieder kicherten und Ratsherr Auralm sagte: "Demnächst trinkt Ihr noch aus dem gleichen Fass."
Dorin war der Vertreter von Himelas Sippe und da ihr die Drachenberge zugesprochen worden waren, war ein Teil von Jalgats Sippe ihr faktisch unterstellt was häufig zu Reibereien zwischen den Sippen führte. Jalgat murmelte daher: "Soweit würde ich nicht gehen." und einige Ratsherren lachten lauter.
Zwei, drei weitere Ratsherren taten ihre Zustimmung kund und Durin wartete auf die unvermeidlichen Bedenkenträger. Kurgan stand auf und fragte: "Welche Rechte wollt Ihr den Spitz… ich meine, welche Rechte soll denn einer Armee von tausenden Elfen in unserem Reich zugestanden werden, mein König?"
Durin zollte der treffsicheren Formulierung innerlich Respekt. "Das, Ratsherr, soll Gegenstand eines Vertrages sein, den ich mit den Elfen auszuhandeln gedenke. Ich fordere vom Rat hierbei kluge Hilfe, denn die Weisheit mag nicht nur in einer einzelnen Ansicht liegen. Ich werde Forderungen formulieren mit Eurer Hilfe und jene der Elfen wiederum mit Eurer Hilfe prüfen. Ich bin sicher, dass wir so zu einer Einigung kommen."
Die Worte taten Wirkung. Es gab zustimmendes Gemurmel aber Durin sah, dass sich einige der Ratsherren plötzlich nachdenklicher zeigten als noch vor ein paar Augenblicken. Durin überlegte, ob er den Ratsherren noch einen Löffel Zucker reichen sollte. "Zu dem Angebot kommt noch ein weiteres, Ratsherren, das Wir besonders begrüßen. Denn…"
Durin unterbrach sich, als die Torflügel aufschwangen und achtzehn gerüstete und bewaffnete Zwerge mit schwerem Schritt die Halle betraten. Er stand auf, sah dem Führer ins Gesicht und wusste, dass es schlimme Neuigkeiten waren.
"Balin!", sagte er dennoch so aufgeräumt er konnte, "Wir haben Euch vermisst!" Balin blieb vor dem Rat stehen und verneigte sich vor seinem König. Die anderen taten es ihm gleich.
Durin ließ seinen Blick über die Gruppe schweifen und legte seine königliche Stirn in Falten. "Ich habe einundzwanzig geschickt und nur achtzehn kehren zurück. Ich befürchte, Ihr bringt nicht nur gute Kunde?"
Balin straffte sichtlich seine Schultern und sagte: "Nein, mein König. Ich bringe keine gute Zeitung. Die Waldkolonie ist nicht mehr. Alle Zwerge, die dort lebten, sind tot. Ebenso Waid, eine Menschensiedlung am Waldrand." Im Rat keuchten einige und Skag war aufgesprungen, hielt aber noch den Mund. Balin warf ihm einen Blick zu und sagte: "Außerdem Bärenberg in Grims Landen. Das sind alle Verluste, von denen wir bislang wissen. Aber Eure Höllenhunde", er deutete auf die Zwerge, die hinter ihm standen, "haben den Feind verfolgt, angegriffen und vernichtet. Ein Sieg."
Der Rat brach in aufgeregtes Getuschel aus und Durin bereitete sich innerlich auf eine völlig andere Debatte vor. Wenigstens waren die Elfen für einen Augenblick vergessen.
Als der Ratssaal bis auf die beiden Zwerge leer war, lud Durin Balin mit einer Handbewegung ein, sich auf einen der Ratssitze zu begeben. "Meinst Du, das wäre passend, mein König?", fragte Balin und grinste. Durin winkte ab. "Wegen mir kannst Du Dich auch auf den Boden setzen. Aber sei so gut und hole mir vorher noch ein Bier. Ich glaube, das brauche ich jetzt."
Balin ging willig in den kleinen Nebenraum, der als Gaststube des Rates diente und kam gleich darauf mit zwei Humpen Bier wieder heraus. Sie prosteten sich zu und tranken. Durin wischte sich den Schaum aus dem Bart und sagte: "Also, was ist Deiner Meinung nach passiert?" Balin sah ihn nachdenklich an. "Du hast die Nachricht von Theredred gehört, oder?" – "Natürlich." – "Nun, ich glaube, dass genau das passiert ist. Die Holzfäller sind umgekommen nachdem ihr Führer sie verlassen hatte und Theredred hat versucht, sie zusammenzuhalten und Hilfe zu finden. Er hat es nur nicht geschafft."
Durin sah ihm in die Augen. "Ich werde ihn wahrscheinlich zum Helden des Reiches erheben. Vielleicht tröstet das Snorri. Und die anderen Väter. So wie Dich."
Balin schwieg und Durin blickte ihn forschend an. Schließlich sagte Balin: "Ja. Fundin ist tot. So wie Alrik. So wie Thurgrom. So wie über einhundert andere Zwerge. Mein Sohn hat mich schon vor langer Zeit verlassen, nun ist sein Körper ihm gefolgt."
Durin lehnte sich zurück. "Es berührt Dich tiefer, Balin, und Du weißt es. Sei versichert, dass ich Anweisung geben werde, dass man Dir keinen Alkohol in großen Mengen mehr geben wird. Notfalls schicke ich Wachen aus und lasse Dein Konterfei an jeder verdammten Taverne zwischen hier und der Wüste an die Türe nageln!"
Balin sprang auf und brüllte: "Mit welchem Recht?" Durin blieb indes gelassen sitzen. "Mit dem Recht des Königs. Und mit der Pflicht des Königs, weißt Du." Balin funkelte ihn wütend an. "Von welcher Pflicht schwafelst Du da?" Durin grinste. "Es ist doch die oberste Pflicht eines Königs seine Untertanen vor ihren Feinden zu schützen." – "Und?" – "Balin, Dein schlimmster Feind bist Du selbst. Ich brauche eigentlich Deinen Rat, aber solange Du mehr trinkst als die Erste Schar der Wache zusammen kann ich Dich unmöglich in den Rat lassen."
Balin machte eine hochmütige Geste. "Pah! Als ob ich mich mit diesen Schwachköpfen streiten wollte. Ich würde Schädel spalten."
Durin nickte. "Eben. Aber eigentlich brauchst Du doch genau das." – "Wie bitte?" – "Du hast doch nicht getrunken während der Jagd, oder?" Balin schüttelte den Kopf. Durin hob die Hände. "Da siehst Du's. Du brauchst eine Aufgabe, etwas zu tun. Etwas sinnvolles, damit Du nicht mit Dir und Deinen trüben Gedanken alleine bist." Er trank einen Schluck Bier und dachte nach.
"Ich glaube, ich habe das was." Balin kniff die Augen zusammen. "Die letzte Aufgabe hätte mich fast das Leben gekostet, also denk Dir diesmal was besseres aus…"
Durins Augen funkelten amüsiert. "Ich schicke Dich in den Sumpf." – "Wie bitte?" – "Vielleicht sollte ich Dir das ein bisschen ausführlicher erklären."
Balin setzte sich – Zufall oder nicht – in Skags Ratssessel. "Jetzt bin ich gespannt."
Seine Augen weiteten sich langsam, während Durin ihn ins Bild setzte. Er verschwieg ihm nur wenig und klärte Balin über seine Pläne und die nächsten Schritte des Reiches auf. Während er sprach und den Gedankengang einmal klar formulierte, die einzelnen Elemente in ein Gesamtkonzept übersetzte, wurde ihm selbst bewusst, wie vermessen das alles war. Dennoch war es die beste Wahl unter vielen schlechten und auch das sagte er Balin.
Es dauerte wenigstens zwei Stunden und Balin holte mehrmals Nachschub den der König unkommentiert trank. "Reden macht durstig", lautete die alte zwergische Weisheit. "und Schweigen dörrt die Kehle.", wie die meisten hinzufügten.
Nach dem vierten Humpen hielt der König inne uns fragte: "Und, was meinst Du dazu?"
Balin schluckte und dachte nach. "Ohne Kampf wirst Du das niemals durch den Rat bekommen." Durin lächelte. "Und außerdem wirst Du ernsthaft Ärger mit Berengar bekommen." Der König lächelte weiter. "Und Du brauchst im Sumpf Wachen, da gebe ich Dir recht. Na gut, ich mach's."
Durin erhob sich. "Ich wusste es."
Balin hob die Hand. "Vier Bedingungen!"
Durin hob die Brauen. "Vier! Und die wären?"
"Erstens, Du gibst jedem, der will, die Chance, bei meiner Einheit zu bleiben."
"Gewährt."
"Zweitens, Du holst den jungen Rorek da raus. Er ist zu jung dafür. Ich finde, er würde gut hier in Deinen Haushalt passen um seine Ausbildung abzuschließen."
"Du bist noch nicht fertig, ihn zu strafen, was? Gewährt."
"Drittens, Du machst ernst damit und proklamierst noch morgen Theredred zum Helden des Reichs."
"Das wird schwierig. Das muss vorbereitet werden."
"Nein muss es nicht. Wenn Du es als spontane Geste verkaufst nimmst Du der Sache für Skag vielleicht den Stachel und Du sparst Dir die fruchtlose Debatte."
Durin schwieg eine Weile. Dann brummte er: "Na gut, dann machen wir es so. Das wird mir noch leid tun, da bin ich sicher."
Balin grinste: "Ich finde die Vorstellung, dass der König die Strafe bekommt, eigentlich recht reizvoll."
Durin brummte etwas unverständliches.
"Viertens: Du schaffst Bauleute in den Sumpf. Wir brauchen einen vernünftigen Turm."
"Gewährt."
"Und eine Taverne wäre eigentlich auch nicht schlecht."
"Vergiss es."
***
Skag zeigte sich am nächsten Tag nicht und war für niemanden zu sprechen. Er sagte nur sechs Worte.
"Das wird Dir noch leid tun."
Zwergengambit - Kapitel IV
Verfasst: So 23. Apr 2017, 16:56
von Durin
Spoiler!
Ich hätte gerne den Botschafter der Mondwanderer benann, aber leider habe ich derzeit keinen Kontakt zu Hamilcar. Daher bleibt der Name ungenannt.
Kapitel 4 Worin viel verhandelt wird und Durak leuchtende Augen bekommt.
"Mein König, der Koch lässt Euch ausrichten, er sei nicht sehr begeistert.", sagte Rorek und zog eine Grimasse. Durin grinste, blickte über die reichlich gedeckte Tafel und sagte: "Er hat Großes geleistet. Bitte richte ihm das von mir aus." Rorek verneigte sich und wollte sich zurückziehen.
"Rorek, eines noch." - "Mein König?" - "Ich erinnere Dich ein letztes Mal daran, dass Du Deinen König nicht anlügen sollst." Rorek blinzelte und warf Durin einen erschrockenen Blick zu. "Mein König?" - "Was hat der Koch wirklich gesagt?" - "Ich... mein König, er drückte sein Missfallen ob der ungewöhnlichen Art und großen Zahl von Speisen aus."
Durin verbarg das belustigte Schnauben und funkelte seinen neuen Diener an. "Rorek, ein König kann immer nur so gut regieren, wie er über die Vorgänge in seinem Reich Bescheid weiß. Dazu gehört die Zahl der Äxte und die der feindlichen Armeen, aber dazu gehört es auch zu wissen, was seine Untertanen denken. Ich werde dem Koch schon nicht den Kopf abschlagen lassen – ich weiß, dass er eine ziemlich unflätige Sprache führt. Aber er kocht gut und denkt ähnlich wie so mancher im Reich. Also was sagte er?"
Rorek schluckte und sagte dann: "Er sagte, wenn er weiterhin gezwungen wird für Spitzohren Gemüse zu kochen, er keine andere Wahl habe, als paar Ohrensalate zuzubereiten und den Gästen notfalls nachzuwerfen."
Durin lachte und scheuchte Rorek mit einem Wink hinaus. Durak nippte von seinem Bier, warf seiner Frau einen verliebten Blick zu und sagte: "Ich bin überrascht, dass Du das duldest, Majestät. Dieses Gerede könnte dem Bündnis schaden, das Du da anstrebst."
Durin hob die Schultern und Vikram sagte: "Die Kinder Fryggs wissen schon, dass ihr König weise regieren wird. Es mag ein paar aufgeheizte Gemüter geben aber man kann doch einen ganzen Staat nicht ein paar nervösen Spinnern überlassen." Durin nickte. "Am Ende wird immer die Vernunft siegen."
Durak schaute skeptisch drein und Asta schüttelte den Kopf. "Das muss nicht so sein. Die nervösen Spinner, von denen Du da sprichst, gießen beständig weiter Öl in die Esse und wir regieren nicht nur Zwerge, die sich im Zweifel auf die Seite ihres Königs stellen. Es sind viele Menschen darunter. Und Menschen sind leicht zu verführen, die hassen lieber, als dass sie denken und ihre Meinung ist so beständig wie das Wetter."
Durak nickte und Vikram hob die Schultern. "Es sind nun schon Monate ins Land gezogen und nichts ist passiert. Das dürfte doch auch den dümmsten Menschen überzeugen, oder? Und seit wir für die Botschafter einen eigenen Flügel samt Turm bauen, sollte es auch für diejenigen, die hier leben und arbeiten keine Probleme mehr geben. Für manche der Bauerstöchter wird es vielleicht sogar gut entlohnte Arbeit geben."
Durin zeigte auf Vikram und meinte: "Er sagt es. Dabei war er derjenige, der vor ein paar Wochen das Ganze noch für schwierig bis undurchführbar hielt." Vikram grinste und strich sich über den Bart. "Man darf auch in meinem Alter noch dazulernen."
Durak lachte und fragte: "Warum sind wir hier, Durin? Ich dachte, Du erwartest hohe Staatsgäste?"Der König nickte und wies auf seine Schwester. "Asta war mir in all den Jahren immer eine kluge Ratgeberin und in dieser Sache möchte ich auf ihren Rat nicht verzichten. Außerdem sind wir so zu viert, wenn wir die drei Elfen begrüßen. Ich möchte nicht übervorteilt werden."
"Und Du, mein Lieber", sagte Asta und legte den Kopf schief, während sie ihren Ehemann ansah, "gehörst jetzt zur Familie mit allem Drum und Dran. Und das bedeutet auch, dass Du gefälligst..:"
Es klopfte und Durin rief laut "Herein!"
Die Türe öffnete sich und die drei Mondwanderer betraten den Speiseraum. Sie sahen sich unauffällig um während die Gastgeber aufstanden um ihnen die Aufwartung zu machen. Durin verneigte sich leicht und sagte höflich: "Jägerin Xau-Phin, seid willkommen."
Die Elfe musterte Durin und sagte dann: "Ich danke Euch, König Durin. Wir sind Eurer Einladung gern gefolgt. Darf ich Euch meine Begleiter vorstellen? Dies…", sie wies auf einen dunkelhaarigen Elf, der sich sichtlich unbehaglich in diesem unterirdischen Raum fühlte, " ist Cholokai, ein Kundschafter vom Clan des langen Wassers. Und dies hier", sie wies auf den zweiten Elfen, "ist Botschafter XXXX vom Clan des steinernen Pfades."
Durin und seine Familie begrüßten die beiden Elfen mit einer leichten Verbeugung. Dann wies Durin auf seine Familie. "Ich stelle Euch vor: Asta, meine Schwester und Schildmaid des Reiches. Durak, ihr Gatte, von der Sippe der Kupferblatts. Zuletzt noch mein Onkel Vikram, königlicher Ratgeber und ein Mitglied meiner Sippe."
Die Elfen verneigten sich und Durin wies auf die gedeckte Tafel. "Bitte, lasst uns speisen."
Die Elfen folgten der Einladung und auf einen Wink Durins warteten der Runde sechs Zwerge auf, schenkten den Elfen sogar Wein ein und alle griffen zu.
Während des Essen fragte Xau-Phin: "König Durin, ich habe eine Frage. " Durin machte eine auffordernde Geste. "Bitte." - "Wir sind den Umgang mit Zwergen gewöhnt, wie Euch ja bereits berichtet wurde. In ihren Geschichten und Legenden taucht jedoch Euer Volk nicht auf." Durin nickte. "Ihr spracht von Eurer Familie und Eurer Sippe und dass Durak einer anderen angehört. Bei uns haben diese Worte die gleiche Bedeutung. So ist Cholokai von meiner Sippe, also meiner Familie. Ist das bei Euch anders?"
Durin legte das Bratenstück auf den Teller und trank einen Schluck. Dann sagte er: "Wir Zwerge unterscheiden uns in Sippen, Clans und Häuser. Das Reich wird im Großen und ganzen von zwölf großen Sippen regiert. Sippen sind Zusammenschlüsse mehrerer eng miteinander verwandter Familien, die man wiederum als 'Häuser' bezeichnet. Häuser sterben mitunter aus, denn die Linie wird nur über die Söhne weitergeführt."
"Zumindest war das bislang so.", kommentierte Asta und Durin grinste. "Ja, das ändert sich langsam. Aber Ihr wisst ja, was man sagt: 'Wer Berge heben kann, der ändert auch die Meinung eines Zwerges.'"
Die Elfen lächelten höflich und Durin fuhr fort: "Die zwölf mächtigsten Sippen stellen jeweils ein Mitglied im Rat. Innerhalb der Sippen sind die Häuser ebenfalls in einer gewissen Rangfolge gegliedert. Es gibt sehr mächtige, weitverzweigte Häuser, die von großen Zwergen beherrscht werden und denen damit auch oftmals eine gewisse Machtstellung innerhalb der Sippen zukommt.
In manchen Sippen haben sich Clans zwischen Häusern gebildet. Diese Häuser arbeiten eng zusammen und kontrollieren häufig ihre Sippen. Das ist aber nicht bei jeder Sippe der Fall."
Die Elfe dachte einen Moment darüber nach und sagte dann: "Also ist Euer Volk im Grunde in Familien organisiert, aber Ihr unterscheidet den Grad der Verwandtschaft?"
"So könnte man es sagen, Jägerin. Ich habe aber auch eine Frage."
"Bitte, fragt nur, Majestät."
"Als Ihr Euch vorgestellt habt, ja, als schon die Kundschafter Kontakt zu uns aufnahmen, da spracht Ihr in recht gebrochener Gemeinsprache. Nun erlebe ich, dass sowohl Euer Akzent, als auch Euer Vokabular sich geändert hat."
Die Elfe nickte. "Wir sind sehr vorsichtig beim Kontakt zu anderen Völkern. Es scheint nicht unklug, wenn man den Anderen dazu bringt, einen zu unterschätzen. Es gibt auf der Welt Völker, die wenig für Andere ganz Allgemein oder für Elfen im Besonderen übrig haben."
Durin nickte und Vikram fragte: "Wer denn, zum Beispiel?"
Xau-Phin lächelte. "Wissen ist teuer, Ratgeber Vikram."
Durin setzte sich auf. "Hm. Dann kommen wir also zum Geschäft, wie? Also was können Durins Enkel für die Mondwanderer tun?"
Xau-Phin hob die Schultern. "Eigentlich werden wohl eher die Mondwanderer etwas für Durins Enkel tun."
Der König lehnte sich zurück, wechselte einen Blick mit Vikram und sagte: "Was denn?"
Xau-Phin machte mit der zum Weinkelch unfunktionierten Blumenvase aus Astas Beständen eine graziöse Geste. "Ihr habt Ärger mit einigen Orks an Eurer südlichen Grenze, nicht wahr?" - "Woher wisst Ihr das?" - "Und einer Eurer Kundschafter ist doch verschwunden." - "Verflucht, und woher wisst ihr das?"
Durin tauschte einen entsetzten Blick mit Vikram. Durak beugte sich vor. "Ärger an der Grenze?" Vikram seufzte und Durin nickte ihm zu. "Im Süden lebt ein Orkvolk, das sich 'Legio-Orkis' nennt. Als Belegar eine Expedition in den Süden entsandte – dort erheben sich ein paar recht ansehnliche Berge und er war neugierig, fanden sie die Orks auf dem Vormarsch. Wir haben den Süden in Abwehrbereitschaft versetzt und die erste und die achte Kompanie nach Süden entsandt. Außerdem einen Botschafter, der den Orks, die vielleicht gar nichts von unserer Anwesenheit wussten, klarzumachen, wo wir unsere Grenze ziehen."
"Orks etwas klarmachen?", fragte Durak.
"Unterschätze die Orks nicht. Das ist nicht die sabbernde Bande aus den Geschichten, sondern ein handfest und straff organisiertes Orkreich mit einer Menge Militär. Wir haben einen Status quo erreicht, aber weder Durin noch ich zweifeln daran, dass diese Orks planen, früher oder später über das Reich herzufallen. Damit keine Panik entsteht, haben wir das geheim gehalten." Er warf Xau-Phin einen Blick zu, die ein Lächeln um die Lippen spielen ließ. "Dachten wir jedenfalls."
"Seither ist nicht viel passiert.", ergänzte Durin, "Die Orks bleiben auf ihrer Seite der Grenze und wir auf unserer. Allerdings gibt es hin und wieder kleine Zwischenfälle, so verschwand eine Expedition in der Unterwelt die zuletzt meldete, dort eine Festung der Orks gesehen zu haben. Wir haben eine Protestnote entsandt und zur Antwort nur Gewäsch bekommen, in dem behauptet wurde, dass es sich dabei um Abtrünnige handeln würde. Also haben wir damit begonnen, Truppen auszuheben und den Süden stärker zu militarisieren was weder Belegar, noch den Menschen gefällt."
Durak war bleich geworden. "Und der Zugang zur Unterwelt?"
Vikram grinste. "Du meinst die Höllenspalte. Naja, sollten da Orks herauskommen, so würden sie es bedauern. Uns ist natürlich bewusst, dass uns das in eine strategisch schwierige Lage bringt, deswegen kommt da nichts heraus ohne in wirklich sehr kleine Stücke geschnitten zu werden."
Er wurde wieder ernst. "Das hat allerdings den Nachteil, dass wir die Truppen im Norden und im Osten verkleinern mussten. Du weißt ja, dass nördlich die RedOrks sitzen, aber die sind wohl friedlich und eigentlich sogar recht kooperativ. Wir hoffen immer noch auf ein Handelsbündnis mit ihnen. Im Osten hingegen ist das Kombinat von Asuphol, das offenbar sehr groß ist. Wir kennen ihre Absichten nicht. Bislang haben wir recht freundliche Noten ausgetauscht und unser Botschafter ist dort irgendwo unterwegs, aber ihr Botschafter ist bei uns noch nicht eingetroffen und von daher sind sie eine unbekannte Größe. Allerdings ersten Schätzungen zufolge eine sehr große Größe und deswegen schmeckt uns die Schwächung der Ostgrenze nicht sonderlich."
"Das ist ja schlimmer, als sich das Kurgan je gedacht hat…", murmelte Durak erschüttert. Durin beugte sich vor. "Und genau aus diesem Grund auch geheim und das bleibt auch geheim, verstanden? Wenn auch nur eine Silbe davon an die Ohren von Kurgan oder Skag gelangt wirst Du nichts mehr zu lachen haben, mein Freund. Wir werden das selbstverständlich dem Rat mitteilen, aber erst, wenn wir die Bedrohungssituation halbwegs im Griff haben und nicht vorher. Das letzte, was das Reich jetzt brauchen kann, ist ein Haufen selbstgerechter Zwerge, die das entweder zu ihrem Vorteil nutzen wollen weil sie die Bedrohung als Waffe gegen mich verwenden wollen und sie dabei völlig unterschätzen, oder aber in Panik geraten und das halbe Reich in den Untergang reißen, weil sie ihre Panik auch noch verbreiten."
Vikram nickte Durak zu. "Das, mein Junge, ist das Spiel, das wir hier spielen. Willkommen in der Reichsliga."
Durin lehnte sich wieder zurück und sah die Elfe entschuldigend an. "Wir waren uns nicht bewusst, dass ihr so viel über unsere Lage wisst. Außer mir selbst und Vikram wissen nur eine Handvoll Zwerge um diesen Umstand. Wie sagtet Ihr, wollt Ihr uns nun helfen?"
Xau-Phin lächelte. "Wir werden Euch dabei helfen, die Südgrenze zu verteidigen. Wir leihen Euch Truppen."
"Truppen? Das ist in der Tat sehr willkommen.", sagte Durin leichthin. "Über wie viele Truppen sprechen wir denn?"
"Ein paar Tausend Schützen und Nahkämpfer werden es schon sein.", sagte Xau-Phin ebenso locker und lächelte breit. "Es sind hervorragend ausgebildete Elfen und sie werden Euren Wald sicherlich zu verteidigen wissen. Sofern Ihr bereit seid, so viele Elfen in Euren Landen zu tolerieren."
Durin schluckte. Das war mehr, als er sich erhofft hatte. "Das ist sehr freundlich von Euch, Xau-Phin. Aber welchen Preis verlangt Ihr dafür?"
Nun verschwand das Lächeln der Elfe. "Über einen Preis reden wir nicht. Das ist eine Geste und wir wüssten es zu schätzen, wenn die Zwerge sie erwidern würden." Durin nickte vorsichtig. "Natürlich."
"Gut. Unser Reich ist groß, aber wir haben eine neue Provinz entdeckt und wollen sie besiedeln. Das ist die Provinz Nebel, weit im Nordosten von hier. Dort gibt es viele Wälder und Seen und Sümpfe, aber auch Berge. Unser Volk geht nicht gern unter die Berge, benötigt aber Metalle, um Waffen zu schmieden und Schmuck herzustellen. Daher bieten wir Euch im Gegenzug an, dort einige Stützpunkte zu errichten um die Berge zu erforschen und uns Metalle zu liefern."
Durak beugte sich vor und fragte: "Eine andere Welt?" - "Nein, nur eine andere Insel. Wir möchten dort unserem Volk Jagdgründe schaffen und in Frieden leben."
Durin lehnte sich zurück und nahm einen weiteren Schluck Bier. Er hatte das Leuchten in Duraks Augen sehr wohl gesehen – der junge Zwerg war nach dem Schrecken sofort dem Fernweh verfallen. Wahrscheinlich träumte er von Ruhmestaten und allerlei unsinnigem Zeug, aber so schnell würde er den Jungen nicht gehen lassen. Im Grunde brauchten sie hier in der Heimat jeden Zwerg. Er sah Vikram und dann Asta an. Beide wirkten ebenso ratlos. Durak hingegen starrte in die Ferne.
***
Guilbert Buckler stellte den Karren ab und wischte sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn. Das Korn war endlich eingebracht und der Lohn der langen Mühen lag nun in Form von goldenen Ähren in den Scheunen. Der Abend nahte und die Sonne tauchte das abgeerntete Feld und die Erntehelfer aus dem Dorf in ein goldenes Rot.
Seit drei Tagen waren die Felder seines kleinen Weilers mit der Ernte dran und Guilbert hatte wie jedes Jahr im nahegelegenen Schattenhain an der Verlosung teilgenommen. Die Reihenfolge der Ernte bei den Feldern wurde unter den Nachbarn ausgelost und diesmal war er der erste gewesen.
Guilbert lachte, als ihm Miriam eine Kusshand zuwarf und winkte zurück. Miriam war unbestreitbar die Schönste unter den Frauen Schattenhains. Leider gehörte sie Frederik, aber sie tat trotz ihrer Hochzeit vor zwei Jahren noch immer so, als sei sie jedem Mann im Dorf zugetan. Frederik duldete das mit einem Lächeln. Er war ihr tief ergeben und seit sie gemeinsam einen Sohn hatten war auch seine Eifersucht ausgeblieben.
Guilbert ließ den Blick über die vertrauten Gesichter der Nachbarn und Freunde schweifen und dachte an seine eigene Frau, die daheim in den Wehen lag. Vielleicht hatte er auch einen Sohn, wenn er nach Hause kam. Wenn die Ernte im kommenden Jahr wieder so gut ausfiel und die Zwerge nicht plötzlich die Steuern erhöhten, dann standen ihnen schöne Zeiten bevor. Natürlich auch arbeitsreiche Zeiten, aber wenigstens konnten sie so alle Miriam und den anderen Frauen dabei zusehen, wie sie die Rücke rafften um die geschnittenen Ähren zusammenzuklauben und später beim Dreschen gab es sicher wieder viel zu lachen.
Letztes Jahr hatte beim Dreschen der kleine Piet ein wenig die Kontrolle über seinen Flegel verloren, weil er unbedingt Guilberts Tochter beeindrucken wollte. Das hatte sie schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Altklug, wie sie sich nun einmal gab, hatte sie nur gemeint: "Er ist unreif aber süß. Wenigstens hat er sich nicht wehgetan."
Hatte er schon, es aber wenigstens mannhaft verborgen, bis er zuhause war. Gisbert, Piets Vater hatte die Geschichte stolz in der Taverne erzählt, aber Guilbert hatte sie für sich behalten. Als er Piet und seine Tochter Anna nun Hand in Hand an sich vorbeiziehen sah, befand er seine Entscheidung für richtig. Ein wenig Illusion gehörte eben zu jeder Liebe.
Er wollte sich gerade wieder dem Karren zuwenden und die zwei Meilen bis zur Scheune in Angriff nehmen, als ihm im grellen Sonnenlicht eine Staubwolke auffiel. Guilbert schirmte die Augen ab und versuchte in die tiefliegende Sonne zu sehen, ohne sich zu sehr blenden zu lassen. Seine Augen waren auch schon besser gewesen.
Doch, da kamen Reiter. Sie ritten nicht den Weg entlang, sondern über die Felder, was ungewöhnlich war. Außerdem waren sie schnell unterwegs. Boten vielleicht? Aber warum nahmen sie dann nicht die von den Zwergen in liebevoller Kleinarbeit errichteten Straßen? Guilbert wollte die Augen schon abwenden, als ihm ein Blitzen auffiel.
Er ignorierte den Schmerz in den Augen und sah noch einmal deutlicher hin. Ja, da blitze Metall. Die Reiter waren bewaffnet und gerüstet. Und sie galoppierten genau auf die Menschen zu!
Guilbert warnte sie anderen, ließ den Wagen stehen und rannte los. Panik ergriff die Menschen, aber sie hatten keine Chance. Die Reiter preschten zwischen die Menschen, Klingen funkelten in der Sonne und die ersten gingen schreiend zu Boden. Piet schleuderte Anna von sich und ging in einem Blutschauer zu Boden. Guilbert rannte auf seine Tochter zu, die sich benommen aufrichtete, als er einen heftigen Schlag gegen den Rücken erhielt und auf den Boden krachte. Das Atmen fiel ihm schwer und grunzend griff er hinter sich und ertastete einen Pfeil, der aus seiner Schulter ragte. Er brach ihn ab und hob den Kopf, gerade rechtzeitig um zu sehen, wie seine Tochter unter den trampelnden Hufen verschwand. Er wandte sich schreiend ab, aber es half nichts. Überall war das gleiche Bild, die Reiter schlachteten die Bauern systematisch ab.
Guilbert sah seine Nachbarn fallen, Freunde verloren Gliedmaße und ihre Schreie brachen mit schrecklicher Deutlichkeit ab. Er versuchte aufzustehen und schaffte es bis auf die Knie. Vor ihm hielt ein Reiter an und Guilbert konnte die Angreifer das erste Mal richtig sehen.
Sie waren ganz in Leder gekleidet und Metallplatten waren an strategisch günstigen Stellen befestigt. Sie trugen Krummsäbel und Kurzbögen, manche hatten auch Lanzen oder Speere. Ihre Gesichter waren unter einer schrecklichen Maske verborgen. Mit ganz und gar unmenschlichen Augen betrachtete der Reiter seine Bemühungen. Dann hob er langsam den Bogen, spannte ihn und Guilbert blickte auf die Pfeilspitze, die seinen Tod bedeuten würde. Er dachte an seine Frau und seinen Sohn und an die rotgoldene Sonne dieses Abends. Dann ließ der Reiter die Sehne los.
***
"Skag, Du solltest Dein Schweigen langsam aufgeben und wenigstens mit mir sprechen.", brummte Kurgan. Skag funkelte ihn an, sagte aber kein Wort. "Ich weiß, dass Dich das verletzt hat. Durin hat die Sache falsch eingeschätzt. Aber Du warst den ganzen Tag und die letzte Nacht verschwunden und wir können unmöglich Durin freie Hand gewähren. Wir müssen weiter zusammenarbeiten."
Skag schwieg und Kurgan seufzte. Er wusste, dass Skag sehr an Sven gehangen hatte. Die Sippe Skags war wesentlich enger miteinander verbandelt, als die meisten anderen Sippen und auch wenn niemand wusste, ob Sven noch lebte, so zweifelte Kurgan nicht, dass man Sven niemals mehr finden würde. Nach alter zwergischer Sitte trug Sven seinen Ehrverlust zwar alleine, aber seine Sippe hatte trotzdem einen Fleck auf ihre Weste bekommen und das störte Kurgan mehr. Wann immer Skag sich nun auf seine Ehre (oder die seiner Sippe) berief, würde nahezu jedem Zwerg das Schicksal von Sven durch den Kopf gehen und man würde die Ehre der ganzen Sippe in Zweifel ziehen.
Er stand auf und verließ den Raum. Mit Skag konnte man derzeit nicht reden. Dann blieb es an ihm hängen, das Reich zu verteidigen.
Skag hob den Kopf und blickte Kurgan mit brennenden Augen nach. Er war die Nacht über im Heiligtum gewesen und hatte mit dem Schicksal gehadert. Seine Sippe wohnte verteilt in Moria und in einigen anderen Orten, aber die meisten waren hier und hatten sich nach und nach immer tiefere Wohnstätten geschaffen. Und am tiefsten lag das Heiligtum der Sippe, so tief, dass niemand es erreichen konnte.
Dort hatte er Ruhe und konnte nachdenken. Durin musste für seine Tat bestraft werden, das stand für ihn fest, aber es genügte nicht, ihm nur seine Pläne zu verhageln. Tief in der Höhle umgeben vom natürlich leuchtenden Stein war in Skag die Erkenntnis gereift, dass die einzig wahre Strafe für Durin der Tod sein konnte.
Sollte Sven Fierless wirklich gestorben sein, wäre das nur sein Recht auf Rache.
Baschurr betrat den Raum und verneigte sich vor Skag. "Die Ponys warten, Herr." Skag nickte und stand auf. Es wurde Zeit, wieder einmal nach Grollheim zu reiten. Er brauchte die Menschen. Auf Kurgan und seine Sippe war kein Verlass. Sie waren schwach. Schwäche, die sich hinter dem Schild aus Ehre und vermeintlichem Anstand verbarg, die ihn aber daran hinderten zu tun, was eben getan werden musste.
Skag verließ den Raum und folgte Baschurr.
Die Taverne war eine typische Menschentaverne, billig zusammengezimmert, zugig und hielt wahrscheinlich keine hundert Jahre. Skag war das nur recht. Ihm waren die Menschen gleichgültig.
"So habt Ihr also wieder zu uns gefunden, Ratsherr.", sagte der Mensch in einem schneidend kalten Tonfall und Skag kniff die Augen zusammen. Er streifte die Kapuze zurück und legte die Hand an den Dolch. Bei ihren früheren Treffen hatte Skag stets die Geschichte aufrechterhalten, aber scheinbar war er nun ertappt.
Der Mensch lächelte falsch und wies auf die freien Stühle rund um den Tisch. "Bitte setzt Euch doch, Ratsherr." Skag blieb stehen und funkelte den Menschen an. "Wie habt Ihr das herausgefunden?", fragte er.
Der Mensch machte eine beschwichtigende Geste. "Ich bitte Euch. Ein einfacher Zwerg, ein Klingenschmied, schickt uns Leute, die mit uns eine Verschwörung planen sollen – noch dazu, ohne eine Gegenleistung zu bieten? Einfach nur auf der Basis von Fremdenangst? Ihr müsst uns für Bauerntölpel halten, Ratsherr. Aber wir sind weit mehr als das. Wir verfügen über viele Informationsquellen und es war nicht weiter schwer, Euren Namen herauszubekommen."
Skag nahm langsam die Hand vom Dolchgriff. "Ihr solltet besser dafür sorgen, dass dieses Geheimnis gewahrt bleibt, Mensch. Auch Euer Netzwerk kann nicht überall sein."
Der Mensch gab ein amüsiertes Schnauben von sich. "Sind wir nun fertig mit den Drohungen, Ratsherr? Ich würde gerne zum Geschäftlichen kommen, wenn Ihr erlaubt. Setzt Euch." Diesmal war es ein Befehl und Skag blieb stehen. "In diesem Ton nicht, Mensch. Wenn wir weiterhin Partner sein wollen, dann sollten wir uns auf gleicher Ebene begegnen."
Der Mensch nickte und stand auf. "Wie Ihr wollt, Zwerg. Dann sind wir nun auf gleicher Ebene." Skag sah zu dem Mann auf, der ihn nun deutlich überragte. "Nun gut, dann setzen wir uns eben."
Als sie um den Tisch saßen stellte Skag fest, dass der Mensch ihm sogar einen höheren Stuhl hatte bringen lassen. Das war ihm zuerst gar nicht aufgefallen. Der Mensch ergriff wieder das Wort: " Ihr fordert uns auf, Unruhe in der Bevölkerung zu schüren. Das haben wir getan. In Grollheim und in Wißheim äußern die Bauern ihre Besorgnis über die Orks. Wandernde Barden singen Lieder von den Fremden, die sich über die Frauen hermachen und das Geld rauben wollen. Unser Netzwerk spricht Kaufleute an, die wiederum ihre Sorgen den Räten in der Stadt mitteilen. Langsam wächst der Unmut."
Skag nickte. "Zu langsam. Wir brauchen ein deutlicheres Zeichen."
Der Mensch hob die Schultern. "Wenn ich mich nicht irre ist doch die Hütte von diesem Ork abgebrannt. Ich würde sagen, der Widerstand wächst."
"Das mag sein, aber es ist nicht genug. Durin hört nicht auf uns sondern lässt tausende, tausende Elfen ins Reich. Noch dazu bewaffnet. Das gibt ihm eine entsprechend große Macht, besonders wenn die Elfen sich tatsächlich der Krone unterstellen."
Der Mensch wirkte plötzlich nachdenklich. "Vor Orks können wir warnen, aber Elfen genießen bei vielen Menschen einen legendären Status. Sie sind alt und altern niemals. Viele der einfachen Bauerntrampel wünschen sich, Elfen zu sein. Das wird ungleich schwieriger."
Skag nickte. "Wir können das derzeit nicht ausnutzen, aber wenn sich plötzlich viele Elfen hier tummeln, dann wäre die Angst, die wir erzeugt haben, schnell wieder verpufft."
"Da wäre ich mir nicht so sicher. Elfen neigen zur Arroganz und das können wir ausnutzen. Ein paar Vorfälle in dunklen Gassen, ein paar Gerüchte… das kriegen wir schon hin."
Skag schüttelte den Kopf. "Nein. Die Elfen werden hier in großer Zahl auftreten und sich an die Dekrete der Krone halten. Das würde uns niemand abkaufen."
Der Mensch richtete sich auf, als sei ihm gerade eine Idee gekommen. "Die Dekrete der Krone, sagt Ihr?"
"Ja, natürlich. Sie werden, solange sie hier sind, das tun, was Durin ihnen befiehlt."
"Nein, sie werden tun, was ihnen die Krone befiehlt. Und wenn ihr die Krone hättet…"
Skag erstarrte. Er strebte nicht nach der Krone, sondern wollte Durins Kopf. Wer König wurde, war ihm herzlich egal. "Das wird nicht funktionieren. Die Krone steht Durins Sippe zu, nicht mir. Grim, Vikram, Belagar – sie alle sind Nachfolger für den Thron. Ich hingegen nicht." Aber noch während er widersprach überlegte er, dass das so genau nicht stimmte. Durins plötzlicher Tod konnte im Reich Chaos auslösen und er selbst wäre dann in der Lage, nach der Krone zu greifen. Grim beispielsweise würde sicherlich Forderungen stellen und der Rat wäre gespalten. Mit einem klugen Schachzug könnte die Macht plötzlich in seinen Händen liegen. Er musste nur das Gambit gewinnen.
Der Mensch nickte ihm zu, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Ja, wir tragen Euch die Krone an. Wir können sogar ein paar der Hindernisse aus dem Weg räumen. Aber das wird seinen Preis haben."
Skag starrte ihn an. "Was verlangt Ihr?"
Der Mensch zuckte die Schultern. "Freiheit, selbstverständlich. Wir wollen dieses Tal beherrschen. Die Zwerge gehören in die Berge, aber dieses Reich wird von Menschen bewohnt. Wir wollen keine Abgaben an die Zwerge leisten müssen und wir wollen unser eigenes Königreich."
Skag lachte. "Das werden die Zwerge niemals dulden. Und die Menschen genauso wenig. Wir bieten Euch Schutz, geben Euch Arbeit und Ihr verdient nicht wenig Gold mit uns."
Der Mensch nickte. "Ja. Aber nicht alle sind dieser Ansicht. Wir können alleine vielleicht besser zurechtkommen als unter der wohlmeinenden Führung der Zwerge. Wir werden sehen."
Skag schüttelte den Kopf.
Der Mensch zog plötzlich einen Dolch und rammte ihn in den Tisch. "Wohlan, Zwerg. Wir werden unabhängig sein und das Reich wird zerfallen. Es obliegt Euch zu entscheiden, ob das Reich die Grenzen haben wird, die wir vereinbaren oder ob wir uns nehmen, was wir brauchen."
Skag griff über den Tisch und zog den Dolch heraus. Er betrachtete ihn stirnrunzelnd. "Eine schwache Waffe, Mensch, von niederer Qualität. Damit wollt Ihr uns bedrohen?"
"Ich rate Euch, über diese Vereinbarung nachzudenken, Ratsherr Skag. Auch minderwertige Waffen mögen tödlich sein. Seht Ihr das Zeichen auf der Klinge? Haltet danach Ausschau. Vielleicht, wenn Ihr zu Bett geht." Der Mensch stand auf und ging zur Tür. "Patrioten verschiedener Völker können zusammenarbeiten. Lasst mich in einer Woche wissen, wie Eure Entscheidung lautet."
Damit verließ er den Raum und Skag blieb zurück.
***
Guilbert stöhnte und zog sich etwas weiter über den Boden. Er wusste nicht, wie lange er ohnmächtig gewesen war, aber die Pfeilwunde war inzwischen getrocknet und hatte ihn nicht getötet. Vielleicht würde sie das noch tun, er wusste es nicht, aber seit er erwacht war konnte er nur an seinen Sohn und an seine Frau denken.
Und so brach er auch diesen Pfeil ab und begann die mühsame Reise nach Hause. Anfänglich war es am schlimmsten. Beide Wunden schmerzten und er glaubte eine Zeit lang, verrückt werden zu müssen. Nach und nach wich der Schmerz aber einem Gefühl der Taubheit und seither ging es besser. Er litt Durst und hatte furchtbare Angst, aber er zog sich Armlänge um Armlänge weiter den staubigen Weg entlang im Dunkeln auf seinen Weiler zu.
Schon vor langem hatte er einen Feuerschein gesehen, aber er weigerte sich zu glauben, dass niemand überlebt hatte. Sie mussten die Schreie gehört haben, sie mussten davongelaufen sein. Er erklomm die letzte Steigung. Langsam. Ein Zug nach dem Anderen, keine Zeit um Atem zu schöpfen. Vielleicht starb er, aber er musste es sehen. Er konnte es bereits riechen. Brennendes Holz, schmorendes Fleisch.
Guilbert gelangte an den höchsten Punkt und starrte ins Dunkel. Er konnte die noch immer glimmenden Überreste seines Hofes ausmachen. Die Scheune brannte noch lustlos und warf unselige Schatten auf die Umgebung. Niemand regte sich. Sein Wohnhaus war nicht mehr. Seine Frau. Seine Kinder.
Guilbert schrie.