[Vorstellung] Der Orden des Flammenden Auges
Verfasst: Mi 29. Mär 2017, 16:58
Eine Taverne, irgendwo in Midgard, einsam an einer Handelsstrasse gelegen. Drinnen Reisende aller Völker und Rassen, die sich vor dem Sturm ins Warme geflüchtet haben, der nun schon seit Stunden um das Haus rast und den Regen fast waagerecht gegen die Fenster peitscht. Das Heulen des Windes klingt wie das Jammern der verdammten Seelen und mischt sich mit dem Quietschen des schaukelnden Tavernenschildes. Seit Stunden sitzen die Gäste schon da, seit Stunden tobt der Sturm und ebenso lange hat niemand Neues die Gaststube betreten. Längst ist die Nacht hereingebrochen, doch schon vorher war es finster. Wer bislang noch keinen Unterschlupf gefunden hat, findet jetzt auch keinen mehr, und er kann glücklich sein, wenn er den Sonnenaufgang erlebt. In Nächten wie diesen streifen unheilvolle Kreaturen umher, und Reisende auf den Strassen verschwinden auf Nimmerwiedersehen.
In der Taverne sind schon längst alle Gespräche erstorben. Menschen und Aquaner, Elfen und Zwerge, Halblinge und sogar ein oder zwei verirrte Orks hocken stumm vor ihren leeren Bierkrügen und lauschen auf den Sturm. Dieses Wetter ist nicht normal für die Jahreszeit, und niemand kann sich an einen derartigen Orkan mit so viel Regen erinnern. Die Beklemmung ist fast mit den Händen zu greifen.
"He, Barde! Erzähl uns eine Geschichte!"
Später hätte niemand sagen können, wer auf die Idee kam. Nicht einmal der Barde selbst, der in einer Ecke sass und schon lange aufgegeben hatte, die Gäste mit seinen Witzen zu erheitern. Auf die Aufforderung hin hob er langsam den Kopf und liess seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Schliesslich nickte er, stellte seine Mandoline ab und erhob sich.
"Eine Geschichte, hm. Ja... eine Geschichte will ich Euch erzählen. Kein Lied singen. In Nächten wie dieser verstummen meine Saiten. Eine Geschichte will ich erzählen, eine Geschichte aus besseren Zeiten.
"Lang, lang ist es her, und weit, weit weg trug es sich zu. In einer Welt namens Fantasya. Fern von uns, unter fremden Sonnen, mit fremden Völkern und unbekannten Rassen. Eine Welt, in der Trolle umherstampfen und sich Echsen unerkannt unter die Völker mischen. Und Blut trinken!"
Ein Raunen ging durch die Zuhörerschaft. Der Barde hatte ihre Aufmerksamkeit erregt, und fast, fast vergassen sie den Sturm vor der Tür.
"Vor langer, langer Zeit erkor sich im Herzen Fantasyas das Flammende Auge seine Auserwählten. Ein namenloser Schmied war es, der als Erster die Kunde des Auges vernahm. Zunächst wusste er nicht, was er damit anfangen sollte, denn noch niemand hatte je vom Flammenden Auge gehört.
"Doch er liess sich davon nicht beirren. In Enocidaja gründete er den Orden. Den Orden des Flammenden Auges!"
Gebannt hingen die Gäste an den Lippen des Barden. Der Orkan war vergessen, obwohl er noch immer an der Taverne rüttelte und die Dachsparren ächzen liess.
"Zunächst war der Orden des Flammenden Auges einfach ein Volk wie viele andere auch. Zusammen mit den Elfen von Aklaton und der Goldenen Horde besiedelte er eine kleine Insel, in deren Mitte Enocidaja lag, wo das Kloster des Flammenden Auges immer weiter emporwuchs. Niemand hätte gedacht, dass dieser kleine Orden eines Tages so mächtig werden und die Geschicke Fantasyas bestimmen würde.
"Die Zeit verging. Wochen und Monde gingen ins Land. Der Orden bewirtschaftete seine Ländereien zum Wohle aller, Bauern wie Ordensmitglieder. Wohlstand und Frieden herrschten in den Landen des Ordens und auf der ganzen Insel.
"Schliesslich war die Zeit gekommen, die Kunde des Flammenden Auges hinauszutragen in die Welt. Der Orden baute erste kleine Boote und sandte seine Missionare aus. Wo immer sie hinkamen, traten sie freundlich auf und gewannen sich den Respekt ihrer Nachbarn. In Thuronien freundeten sie sich mit dem Thuronischen Imperium an, auf der Insel des Heiligen Eichenhains mit den gleichnamigen Elfen. Bald trafen sie auf den Bund der Zeitlosen und verbündeten sich mit ihm, um Frieden und Wohlergehen in ganz Fantasya zu sichern. Bessere Zeiten, fürwahr.
"Rings um die Insel des Flammenden Auges schloss sich Volk um Volk dem Orden an. Bald bauten die Handwerker des Ordens Schiffe über Schiffe, die unter dem Klang der Hymnen an das Auge über die Meere eilten, um die Verbindungen zwischen den Landen der Orden aufrecht zu erhalten, Kraken und Piraten zu jagen. Die Schiffe waren nach Edelsteinen benannt, und gleich Edelsteinen leuchteten ihre Segel von ferne am Horizont, wenn sie neue Völker besuchten, sie in der Kunde des Auges und profanen Künsten unterwiesen und kostbare Handelswaren brachten.
"Von Nimbor im Süden bis Wak-Wak im Norden, von Shambala im Westen bis Faerun im Osten reichte die Macht des Ordens, und seine segensreiche Macht schützte die Armen und Waffenlosen. Dies war das Goldene Zeitalter Fantasyas, und die Barden singen noch heute davon.
"Doch sollte es nicht so bleiben.
"Ruchlose Völker erhoben sich, um wider den Orden und die hütende Macht des Flammenden Auges aufzubegehren. Vermessen streckten sie ihre Hände aus und griffen nach den Landen anderer Völker. Zwietracht und Krieg war ihr Begehr. Raub und Mord schritt ihnen voraus, Lüge und Treubruch waren an ihrer Seite, Blut füllte ihre Fussspuren! Das Schreien der Witwen und Waisen gellte wider in den Ohren der Rechtschaffenen, doch erweichte es nicht die verhärteten Herzen der Frevler! Die Söldner von Asgath waren die ersten, die den Frieden Fantasyas in einen Abgrund von Blut und Flammen stürzten, Trolle, deren Herzen so steinern waren wie ihre Berge, und daraufhin die Hagebiachene, Elfen, die die Finsternis ausgespien hatte!
"Lang erwog der Orden des Flammenden Auges, wie mit der Bedrohung umzugehen war. Viele Gesandtschaften schickte er zu den Aufrührern, um sie gütlich zur Umkehr zu bewegen. Friedlich sprachen die Abgesandten des Auges, das auf alle schaut, Menschen wie Zwerge, Elfen wie sogar Trolle.
"Indes, es war nutzlos.
"Die tobenden Völker waren durch nichts in ihrem Rasen aufzuhalten. Kein gutes Zureden drang zu ihnen durch, vielmehr raubten und mordeten sie nur noch wilder. Verwüstete Länder hinterliessen sie, wo nichts mehr grünte und blühte und nur noch das Krächzen der Geier die Stille durchbrach. War das Goldene Zeitalter Fantasyas unwiederbringlich dahin, und würde der Frieden der Inseln in einem Meer von Blut und Flammen versinken?
"Doch schliesslich, nach langen Beratungen, entschloss sich der Orden des Flammenden Auges schweren Herzens dazu, zu handeln. Der Blick des Auges richtete sich unheilbringend gegen die Zerstörer von Recht und Frieden. Die Phalangen des Ordens hatten jahrelang geübt und gehofft, dass dieser Tag nie kommen würde, doch nun ergriffen sie ihre Waffen und schifften sich ein. Die Flotten des Auges rüsteten sich, und ihre Segel bedeckten die Meere. Zu Hunderten, zu Tausenden, zu Zehntausenden begannen die Truppen des Ordens ihre Reise, und nie zuvor, nie danach wurden in Fantasya solche Flotten gesehen. Im Gleichtakt hoben und senkten sich die Ruder im Rhythmus der Hymnen an das Auge.
"Die Kriege selbst waren kurz und entscheidend. Wo der Orden die Macht des Auges aufbot, hielten die Truppen der Frevler nicht stand. Der Orden befriedete zuerst Novelo, später Arda. Die Söldner von Asgath und die Hagebiachene verschwanden im gewaltigen Strom der Zeit, und nie wurden sie wieder gesehen. Der Orden und seine Verbündeten machten sich an die lange und mühsame Arbeit des Wiederaufbaus.
"Nichts konnte dem Orden standhalten, und seine Macht war gefestigt auf immer. Der Friede des Auges war auf Fantasya verbreitet, und nichts konnte ihn erschüttern. Die Kunde des Flammenden Auges war noch in die letzten Winkel der Welt gedrungen, und überall standen Klöster, Leuchttürme und andere Gebäude des Ordens und kündeten vom segensreichen Wirken des Auges.
"Der Orden des Flammenden Auges hatte seine Aufgabe erfüllt.
"Und was geschah dann?
"Niemand weiss es. Auf einmal... auf einmal war der Orden verschwunden. Die Mönche weg. Die Burgen verlassen. Seine Schiffe trieben steuerlos über die Ozeane oder wurden an fremde Strände gespült.
"Der Orden des Flammenden Auges hatte seine Aufgabe erfüllt und Fantasya den Nachgeborenen überlassen.
"Seine einzige Hinterlassenschaft ist die Erinnerung an das Goldene Zeitalter. Seine Burgen und Klöster wurden von jungen Völkern übernommen. Überall aber erzählt man sich noch Geschichten von der Zeit, da in Fantasya allüberall der Friede des Auges herrschte.
"Und man sagt in Fantasya, dass der Orden vielleicht dereinst wiederkehren wird. Vielleicht unter anderem Namen, oder mit anderen Gesichtern. Und wieder wird er Frieden und Wohlstand bringen, die Schwachen beschützen und die Mächtigen im Zaum halten, die Guten belohnen und die Bösen bestrafen.
"Und vielleicht, so sagt man, ist der Orden auch aus Fantasya verschwunden, um sich anderen Welten zuzuwenden. Vielleicht ersteht der Orden eines Tages neu in fremden Welten, die die Kunde des Flammenden Auges noch nicht kennen, die des segensreichen Blicks des Auges bedürfen. Welten, die so weit weg sind von Fantasya, dass man ihren Namen dort nicht einmal kennt. Welten, in denen die Finsternis und das Böse herrschen."
Der Barde schwieg. Und ebenso schwiegen seine Zuhörer - wie schon vor dem Anfang seiner Geschichte. Doch jetzt war es kein beklommenes Schweigen mehr, sondern ein nachdenkliches, fast ein ehrfürchtiges Schweigen.
Bis die Stille vom lauten Knarren der Tavernentür gebrochen wurde, die von aussen geöffnet wurde.
Alle Köpfe ruckten herum, und viele Augenpaare starrten den Neuankömmling an, mit dem niemand diese Nacht mehr gerechnet hatte. Ausser... dass es nicht mehr Nacht war. Der Morgen war hereingebrochen. Die Sonne strömte blendend hell durch die Tavernentür herein und umstrahlte einen Menschen in einer einfachen braunen Robe. Obwohl noch kurz zuvor der Regen sintflutartig herabgeprasselt hatte, war der Mensch merkwürdigerweise völlig trocken. Unter der Kapuze seiner Robe lächelte er die versammelten Tavernengäste sanft an.
"Seid gegrüsst, Freunde. Ich bin gekommen, um die Kunde des Flammenden Auges zu bringen. Wollt Ihr mir zuhören?"
In der Taverne sind schon längst alle Gespräche erstorben. Menschen und Aquaner, Elfen und Zwerge, Halblinge und sogar ein oder zwei verirrte Orks hocken stumm vor ihren leeren Bierkrügen und lauschen auf den Sturm. Dieses Wetter ist nicht normal für die Jahreszeit, und niemand kann sich an einen derartigen Orkan mit so viel Regen erinnern. Die Beklemmung ist fast mit den Händen zu greifen.
"He, Barde! Erzähl uns eine Geschichte!"
Später hätte niemand sagen können, wer auf die Idee kam. Nicht einmal der Barde selbst, der in einer Ecke sass und schon lange aufgegeben hatte, die Gäste mit seinen Witzen zu erheitern. Auf die Aufforderung hin hob er langsam den Kopf und liess seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Schliesslich nickte er, stellte seine Mandoline ab und erhob sich.
"Eine Geschichte, hm. Ja... eine Geschichte will ich Euch erzählen. Kein Lied singen. In Nächten wie dieser verstummen meine Saiten. Eine Geschichte will ich erzählen, eine Geschichte aus besseren Zeiten.
"Lang, lang ist es her, und weit, weit weg trug es sich zu. In einer Welt namens Fantasya. Fern von uns, unter fremden Sonnen, mit fremden Völkern und unbekannten Rassen. Eine Welt, in der Trolle umherstampfen und sich Echsen unerkannt unter die Völker mischen. Und Blut trinken!"
Ein Raunen ging durch die Zuhörerschaft. Der Barde hatte ihre Aufmerksamkeit erregt, und fast, fast vergassen sie den Sturm vor der Tür.
"Vor langer, langer Zeit erkor sich im Herzen Fantasyas das Flammende Auge seine Auserwählten. Ein namenloser Schmied war es, der als Erster die Kunde des Auges vernahm. Zunächst wusste er nicht, was er damit anfangen sollte, denn noch niemand hatte je vom Flammenden Auge gehört.
"Doch er liess sich davon nicht beirren. In Enocidaja gründete er den Orden. Den Orden des Flammenden Auges!"
Gebannt hingen die Gäste an den Lippen des Barden. Der Orkan war vergessen, obwohl er noch immer an der Taverne rüttelte und die Dachsparren ächzen liess.
"Zunächst war der Orden des Flammenden Auges einfach ein Volk wie viele andere auch. Zusammen mit den Elfen von Aklaton und der Goldenen Horde besiedelte er eine kleine Insel, in deren Mitte Enocidaja lag, wo das Kloster des Flammenden Auges immer weiter emporwuchs. Niemand hätte gedacht, dass dieser kleine Orden eines Tages so mächtig werden und die Geschicke Fantasyas bestimmen würde.
"Die Zeit verging. Wochen und Monde gingen ins Land. Der Orden bewirtschaftete seine Ländereien zum Wohle aller, Bauern wie Ordensmitglieder. Wohlstand und Frieden herrschten in den Landen des Ordens und auf der ganzen Insel.
"Schliesslich war die Zeit gekommen, die Kunde des Flammenden Auges hinauszutragen in die Welt. Der Orden baute erste kleine Boote und sandte seine Missionare aus. Wo immer sie hinkamen, traten sie freundlich auf und gewannen sich den Respekt ihrer Nachbarn. In Thuronien freundeten sie sich mit dem Thuronischen Imperium an, auf der Insel des Heiligen Eichenhains mit den gleichnamigen Elfen. Bald trafen sie auf den Bund der Zeitlosen und verbündeten sich mit ihm, um Frieden und Wohlergehen in ganz Fantasya zu sichern. Bessere Zeiten, fürwahr.
"Rings um die Insel des Flammenden Auges schloss sich Volk um Volk dem Orden an. Bald bauten die Handwerker des Ordens Schiffe über Schiffe, die unter dem Klang der Hymnen an das Auge über die Meere eilten, um die Verbindungen zwischen den Landen der Orden aufrecht zu erhalten, Kraken und Piraten zu jagen. Die Schiffe waren nach Edelsteinen benannt, und gleich Edelsteinen leuchteten ihre Segel von ferne am Horizont, wenn sie neue Völker besuchten, sie in der Kunde des Auges und profanen Künsten unterwiesen und kostbare Handelswaren brachten.
"Von Nimbor im Süden bis Wak-Wak im Norden, von Shambala im Westen bis Faerun im Osten reichte die Macht des Ordens, und seine segensreiche Macht schützte die Armen und Waffenlosen. Dies war das Goldene Zeitalter Fantasyas, und die Barden singen noch heute davon.
"Doch sollte es nicht so bleiben.
"Ruchlose Völker erhoben sich, um wider den Orden und die hütende Macht des Flammenden Auges aufzubegehren. Vermessen streckten sie ihre Hände aus und griffen nach den Landen anderer Völker. Zwietracht und Krieg war ihr Begehr. Raub und Mord schritt ihnen voraus, Lüge und Treubruch waren an ihrer Seite, Blut füllte ihre Fussspuren! Das Schreien der Witwen und Waisen gellte wider in den Ohren der Rechtschaffenen, doch erweichte es nicht die verhärteten Herzen der Frevler! Die Söldner von Asgath waren die ersten, die den Frieden Fantasyas in einen Abgrund von Blut und Flammen stürzten, Trolle, deren Herzen so steinern waren wie ihre Berge, und daraufhin die Hagebiachene, Elfen, die die Finsternis ausgespien hatte!
"Lang erwog der Orden des Flammenden Auges, wie mit der Bedrohung umzugehen war. Viele Gesandtschaften schickte er zu den Aufrührern, um sie gütlich zur Umkehr zu bewegen. Friedlich sprachen die Abgesandten des Auges, das auf alle schaut, Menschen wie Zwerge, Elfen wie sogar Trolle.
"Indes, es war nutzlos.
"Die tobenden Völker waren durch nichts in ihrem Rasen aufzuhalten. Kein gutes Zureden drang zu ihnen durch, vielmehr raubten und mordeten sie nur noch wilder. Verwüstete Länder hinterliessen sie, wo nichts mehr grünte und blühte und nur noch das Krächzen der Geier die Stille durchbrach. War das Goldene Zeitalter Fantasyas unwiederbringlich dahin, und würde der Frieden der Inseln in einem Meer von Blut und Flammen versinken?
"Doch schliesslich, nach langen Beratungen, entschloss sich der Orden des Flammenden Auges schweren Herzens dazu, zu handeln. Der Blick des Auges richtete sich unheilbringend gegen die Zerstörer von Recht und Frieden. Die Phalangen des Ordens hatten jahrelang geübt und gehofft, dass dieser Tag nie kommen würde, doch nun ergriffen sie ihre Waffen und schifften sich ein. Die Flotten des Auges rüsteten sich, und ihre Segel bedeckten die Meere. Zu Hunderten, zu Tausenden, zu Zehntausenden begannen die Truppen des Ordens ihre Reise, und nie zuvor, nie danach wurden in Fantasya solche Flotten gesehen. Im Gleichtakt hoben und senkten sich die Ruder im Rhythmus der Hymnen an das Auge.
"Die Kriege selbst waren kurz und entscheidend. Wo der Orden die Macht des Auges aufbot, hielten die Truppen der Frevler nicht stand. Der Orden befriedete zuerst Novelo, später Arda. Die Söldner von Asgath und die Hagebiachene verschwanden im gewaltigen Strom der Zeit, und nie wurden sie wieder gesehen. Der Orden und seine Verbündeten machten sich an die lange und mühsame Arbeit des Wiederaufbaus.
"Nichts konnte dem Orden standhalten, und seine Macht war gefestigt auf immer. Der Friede des Auges war auf Fantasya verbreitet, und nichts konnte ihn erschüttern. Die Kunde des Flammenden Auges war noch in die letzten Winkel der Welt gedrungen, und überall standen Klöster, Leuchttürme und andere Gebäude des Ordens und kündeten vom segensreichen Wirken des Auges.
"Der Orden des Flammenden Auges hatte seine Aufgabe erfüllt.
"Und was geschah dann?
"Niemand weiss es. Auf einmal... auf einmal war der Orden verschwunden. Die Mönche weg. Die Burgen verlassen. Seine Schiffe trieben steuerlos über die Ozeane oder wurden an fremde Strände gespült.
"Der Orden des Flammenden Auges hatte seine Aufgabe erfüllt und Fantasya den Nachgeborenen überlassen.
"Seine einzige Hinterlassenschaft ist die Erinnerung an das Goldene Zeitalter. Seine Burgen und Klöster wurden von jungen Völkern übernommen. Überall aber erzählt man sich noch Geschichten von der Zeit, da in Fantasya allüberall der Friede des Auges herrschte.
"Und man sagt in Fantasya, dass der Orden vielleicht dereinst wiederkehren wird. Vielleicht unter anderem Namen, oder mit anderen Gesichtern. Und wieder wird er Frieden und Wohlstand bringen, die Schwachen beschützen und die Mächtigen im Zaum halten, die Guten belohnen und die Bösen bestrafen.
"Und vielleicht, so sagt man, ist der Orden auch aus Fantasya verschwunden, um sich anderen Welten zuzuwenden. Vielleicht ersteht der Orden eines Tages neu in fremden Welten, die die Kunde des Flammenden Auges noch nicht kennen, die des segensreichen Blicks des Auges bedürfen. Welten, die so weit weg sind von Fantasya, dass man ihren Namen dort nicht einmal kennt. Welten, in denen die Finsternis und das Böse herrschen."
Der Barde schwieg. Und ebenso schwiegen seine Zuhörer - wie schon vor dem Anfang seiner Geschichte. Doch jetzt war es kein beklommenes Schweigen mehr, sondern ein nachdenkliches, fast ein ehrfürchtiges Schweigen.
Bis die Stille vom lauten Knarren der Tavernentür gebrochen wurde, die von aussen geöffnet wurde.
Alle Köpfe ruckten herum, und viele Augenpaare starrten den Neuankömmling an, mit dem niemand diese Nacht mehr gerechnet hatte. Ausser... dass es nicht mehr Nacht war. Der Morgen war hereingebrochen. Die Sonne strömte blendend hell durch die Tavernentür herein und umstrahlte einen Menschen in einer einfachen braunen Robe. Obwohl noch kurz zuvor der Regen sintflutartig herabgeprasselt hatte, war der Mensch merkwürdigerweise völlig trocken. Unter der Kapuze seiner Robe lächelte er die versammelten Tavernengäste sanft an.
"Seid gegrüsst, Freunde. Ich bin gekommen, um die Kunde des Flammenden Auges zu bringen. Wollt Ihr mir zuhören?"